Wir verließen das Café und gingen Hand in Hand unter den Kastanien den Hauptplatz entlang, Richtung Kirche. Ich drehte mich noch einmal um. Da stand die nette Kellnerin von vorhin vor der Tür und winkte uns nach. Ich winkte ihr zurück.
Die Kirche, ein riesenhafter Bau, erschlug mit ihrer Wucht das Bild vom kleinen Städtchen. Nichts an ihr war freundlich, ein drohender Zeigefinger der Turm, die Längsfront grau und abweisend. An ihrem Portal über der Tür war das Relief einer schmerzverzerrten Fratze eingemauert.
„Besonders einladend ist das aber nicht" bemerkte Jana.
„Soll es auch nicht sein", erklärte ich, „Es soll viel mehr die bösen Geister fernhalten, in dem es zeigt, was in der Hölle für Qualen auf sie zukommen werden."
„Blödsinn" sagte sie, „mich hält gar nichts auf". Dann öffnete sie die schwere Tür.
In der Kirche war es kalt und finster. Jana ging nach vorne, betrachtete die düsteren Kreuzwegbilder, blätterte in einem Gesangsbuch, schüttelte ihren Kopf über den Jesus am Kreuz und schlenderte gemächlich wieder zurück.
„Hässlich ist es hier", sagte sie, „ganz anders als eben in dem Café, wo dich nur Natur umgibt!"
Wir wandten uns zum Gehen, kurz vor dem Ausgang blieb sie aber stehen und sagte: „Die schönste Kirche der Katholiken findest du in Scheibbs. Sie ist der Heiligen Magdalena geweiht und das Besondere daran ist, dass alle wichtigen Frauen der Bibel dort ihr Bild haben. Nicht nur Maria und Magdalena, auch Martha, Anna, Sarah, Ruth und Judith. Selbst Nothburga, die Schutzpatronin der Mägde und Dienerinnen."
„Was du alles weißt", wunderte ich mich ehrlich.
„Ja, nicht wahr? Dabei glaube ich an diesen Hokuspokus gar nicht. Mir standen die Hexen immer näher."
Ja, Donna, ich weiß, mir auch.
Beim Hinausgehen sah ich links und rechts vom Kirchentor wieder zwei eingelassene Fratzen. Sahen aus wie Hundeköpfe. Waren aber Wölfe.
Wir gingen um die Kirche herum. An der Nordseite waren die Fenster zugemauert, am Sockel ein Dutzend alter Grabsteine angebracht. Lisbeth Moor, stand auf einem drauf, des Schultheiß allhier Wittfrau, in Himmel aufgefahren am VI. Julei MDCLXXIV. Sit tibi ex lupis salvus esse.
Auch die anderen Grabsteine an der Kirchenmauer zeigten nur Frauennamen. Allesamt aus dem 17. Jahrhundert. Und jeder mit der gleichen Inschrift: „Mögest du vor Wölfen sicher sein". Jana fiel es anscheinend nicht auf und ich sagte nichts
Wir gingen um die Apsis der Kirche und standen vor einem hüfthohen Meer roter Margeriten. Für einen Moment sah es fast so aus, als würden sie sich vor uns verbeugen.
Und mitten darin der Pranger. Ein zwei Meter hoher Phallus aus grob behauenem Granit, links und rechts in Schulterhöhe zwei schwere verrostete Eisenringe. Meine Handgelenke fingen augenblicklich an, wie Feuer zu brennen.
„Na, war Obelix auch schon da und hat einen Hinkelstein hiergelassen?", versuchte Jana zu scherzen.
„Das ist ein Pranger", sagte ich.
„Danke schön Frau Professor, das weiß ich selber!"
„Das ist dein Pranger, Donna."
„Was jetzt? Willst du mich vielleicht da anbinden und mich dann auskitzeln?"
Sie ging zu der Granitstele und schlüpfte mit den Händen durch beide Eisenringe. Dann sah sie mich an und lachte.
„Na, dann komm! Mach mich fertig!"
Ich ging zu ihr und küsste sie.
Es war nicht nur ihr Pranger allein.
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Jana und Liz - Teil 8: Der Pranger von Horni Plana
ChickLitJana und Liz sind zurück vom Urlaub. Liz hat eine Geschichte darüber geschrieben. Mehr spooky als spicy, aber spannend bis zum Schluss.