„Boah, Tobi, bitte erschieß' mich!", klagte ich etwas zu laut für den Umstand, dass um uns herum lauter Familien saßen, und ließ mich auf mein flauschiges Handtuch fallen, das ich vor Jahren während eines Familienurlaubs gekauft hatte. Genervt legte ich meinen Kopf auf meinen Unterarmen ab und schaute für einen Moment auf die tanzenden Blätter in den Baumkronen über mir, bevor ich die Augen schloss und auf eine Antwort von meinem besten Freund wartete.
Dieser suchte die Umgebung nach einer Ursache für meinen Unmut ab und verstand noch nicht recht, was mich nun schon wieder störte. „Und wieso dieses Mal?", fragte er halbherzig und lies seinen Blick über den See und seine zahlreichen Badegäste schweifen, als er an einer Gruppe Jungs gegenüber auf der anderen Uferseite hängenblieb.
„Achso", er zog das Wort in die Länge, „sie sind auch hier." Er nahm seine Hand, mit der er eben noch seine blauen Augen vor der grellen Sonne abgeschirmt hatte, wieder herunter und lies den Blick auf den Springern noch einen Moment verweilen. „Ja, sind sie und fühlen sich wieder wie Oberficker." Die Verachtung in meiner Stimme war kaum zu überhören.
„Ist doch nichts dabei! Dann sind sie eben auch hier und machen einen auf mutig." Er klang gelangweilt, als er das sagte. Anscheinend konnte ihm deren Erscheinen nicht egaler sein. „Wenn ich mich recht entsinne, warst du vor 'ner Weile noch tief beeindruckt von dem Mädchen, das sich auch von dem Baum aus, in die Tiefe gestürzt hat." Ich sah aus dem Augenwinkel wie Tobi eine Augenbraue hob und ihm ein Fragezeichen ins Gesicht geschrieben stand.
„Das ist was anderes, bei ihr fand ich es mutig aus zehn Metern Höhe ins Wasser zu springen." Ich richtete mich auf und sah Tobi für einen Augenblick lang an. „Bei denen da - ist es einfach nur lächerlich." Seine braunen Haarsträhnen tanzten auf und ab, von der leichten Brise am Wasser bewegt. Er hatte die Stirn in Falten gelegt und versuchte meiner Argumentation zu folgen. Kam aber wohl zu dem Entschluss, dass sie hinkte.
„Hä?" kam einzig aus ihm heraus. Ich verdrehte die Augen.
„Du willst es einfach nicht verstehen", warf ich ihm dreister Weise vor. „Ich wollte mir einfach einen schönen letzten Ferientag mit dir hier am Weiher machen und jetzt muss ich schon heute wieder ihre Gesichter sehen." Ich seufzte theatralisch. „Darauf hätte ich wirklich noch einen Tag verzichten können." Lustlos warf ich einen kleinen Stein, der zufälligerweise neben mir auf dem Boden lag, in die Luft und beobachtete, wie er ein Stück entfernt neben einem Liegestuhl wieder aufkam. Erwartungsvoll richtete ich meine Aufmerksamkeit wieder auf meinen Freund.
Tobi lächelte und schüttelte den Kopf. „Stegi, ich glaube, das kann auch keiner verstehen."
Da er meine Ablehnung ihnen gegenüber nicht teilte und außerdem über einen großen Gerechtigkeitssinn verfügte, war es nur logisch, dass er mein abweichendes Urteil über ihre Springkünste nicht direkt verstanden hatte und nun auch meine schlechte Laune nicht nachempfinden konnte. Zustimmung hätte ich mir trotzdem von ihm gewünscht.
„Ich finde sie eigentlich ganz sympathisch. Klar, Yanik kann ein Arschloch sein, aber Rafi, Nils und Tim sind doch wirklich in Ordnung."
Ein abschätziger Laut verließ meinen Mund. Tobi zog seine zerknitterte, rote Badehose etwas nach unten, um sie wieder zu richten und drehte sich nun mit seinem kompletten Körper in die Richtung der Gruppe. Nun legte sich auch mein Blick, ein zweites Mal am heutigen Nachmittag, auf die eingeschworene Vierergruppe. Tim stand gerade auf dem höchsten erreichbaren Ast des Baumes und blickte hinab aufs Wasser. Dicht gefolgt von Rafi, der ebenfalls wieder hinaufkletterte.
Schweigend beobachteten wir das Spektakel. Tim balancierte nun auf dem Ast nach vorne und hielt die Arme ausgestreckt zur Seite, um das Gleichgewicht zu halten. Sein Blick ruhte immer noch auf dem glitzernden Wasser, welches unten geduldig auf ihn wartete. Seine aufrechte Körperhaltung verriet nichts über seine Gedanken. Hatte er vielleicht Angst?
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Ein Jahr zum Verlieben - Stexpert
FanfictionNach den langen Sommerferien ging Stegi nun in die 13. Klasse. Was bedeutete, dass es sein letztes Jahr mit Tobi und Lia in einer gemeinsamen Klasse sein würde. Vor allem aber bedeutete es auch, dass er nur noch ein Jahr die Gesichter von TIM, Rafi...