3. Kapitel - Ein herzliches Wiedersehen

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„Hallo mein Schatz, ich bin in der Küche!", hörte ich ihre warme Stimme aus der Ferne rufen. Der Duft von Lasagne lag in der Luft. Genießerisch sog ich ihn ein und Vorfreude auf das leckere Essen machte sich in mir breit. Augenblicklich warf ich meinen Haustürschlüssel in die Marienkäferschale, die ich in der Grundschule mal im Werkunterricht bemalt und dann ganz stolz nach Hause gebracht hatte, und deren Platz nun auf der Kommode neben einer kleinen Pflanze am Hauseingang war.

Hastig schlüpfte ich aus meinen Schuhen und kickte sie grob in die Richtung des Schuhregals. Währenddessen lies ich meine Tasche einfach auf den kühlen Steinboden fallen und durchquerte den kleinen Flur, um zur Küche zu gelangen.

In dieser befand sich wie angekündigt, die recht kleine, blonde Frau mit den wirr hochgesteckten Haaren und hievte gerade ein großes Stück Lasagne auf einen Teller. „Na, wie war dein Ausflug mit Tobi?", fragte sie, mir immer noch den Rücken zugewandt, während sie den zweiten Teller befüllte.

Mütter hatten in Bezug auf ihre Kinder definitiv einen sechsten Sinn, da war ich mir sicher. Denn ich hatte eigentlich angenommen, sie hätte gar nicht gemerkt, dass ich bereits im Türrahmen stand. „Ach, war echt schön. Nur der Weiher war echt voll heute", antwortete ich wahrheitsgemäß.

Nebenbei trat ich ein, öffnete eine Schranktür und holte mir ein sauberes Glas heraus. „Ach, das freut mich, dann hast wenigstens du heute das schöne Wetter ausgiebig genutzt." Flüchtig blickte ich über die Schulter und sah, dass auf dem Tisch bereits Besteck lag und eine Karaffe mit stillem Wasser stand. „Ja, das auf jeden Fall. Wir waren ja den ganzen Nachmittag über dort. Aber wie war deine Schicht eigentlich heute?"

Ich zog einen Stuhl nach hinten und setzte mich. Interessiert blickte ich zu meiner Mutter, die gerade die dampfenden Teller auf den Tisch stellte. „Ach, was soll ich dir da großartig spannendes erzählen. Stressig wie immer, aber so ist das nun mal, wenn man in einem unterbesetzten Krankenhaus arbeitet." Sie sah definitiv sehr geschafft aus und trug immer noch unter der dunkelroten Küchenschürze ihre Arbeitskleidung. Lange konnte sie also noch nicht zu Hause sein.

Ich seufzte. „Übernimm dich nicht, Mama. Wenn es dir zu viel wird, nimm dir lieber einen Tag mal frei und schreib' dich krank." Ihre blauen Augen sahen matt und müde aus, doch sie lächelte. „Stegilein, ich weiß deine Sorge sehr zu schätzen, aber mir geht es gut. Lass es dir schmecken."

„Du auch", erwiderte ich etwas niedergeschlagen, da sie stur blieb wie jedes Mal, wenn wir auf dieses Thema zu sprechen kamen, und sah das erste Mal überhaupt richtig auf meinen Teller. Es sah köstlich aus und so schmeckte es auch, als ich die erste Gabel im Mund hatte. „Wirklich lecker", lobte ich sie.

„Schön, dass es dir schmeckt, Schatz."

Als ich bereits ein ganzes zweites Stück verschlungen und sie nur noch zwei drei Gabeln auf ihrem Teller übrig hatte, sah sie so müde aus, als könne sie im Stehen einschlafen. „Mama, geh jetzt lieber ins Bett. Es ist schon spät und ich muss morgen ja auch früh raus", forderte ich sie auf den heutigen Tag zu beenden. Schwach nickte sie.

„Jetzt klingst du ja schon fast vernünftig. Es muss wohl wirklich schlimm um mich stehen, wenn du mir jetzt das Vorbild bist." Sie lächelte warm. „Dass ich mich an meine eigenen Ratschläge halte und jetzt auch schlafen gehe, habe ich ja nicht gesagt", offenbarte ich ihr und lachte. „Das dachte ich mir schon. Na dann", sie lief um den Tisch herum, bückte sich zu mir und gab mir einen Kuss auf den Kopf, „schlaf gut und denk morgen dran, dass dein Essen im Kühlschrank steht." Ich nickte. „Schlaf gut."

Nachdem sie die Küche verlassen hatte, starrte ich einen Moment lang aus dem Fenster. Es war pechschwarz draußen und ich konnte neben meinem Spiegelbild nur verschiedene Schwarztöne erkennen. Der blonde Junge, der zurück starrte, sah fertig und ausgelaugt aus.

Ein Jahr zum Verlieben - StexpertWo Geschichten leben. Entdecke jetzt