Das braunhaarige Mädchen, ihre Locken wild wie die Wellen der Flut, saß an diesem ruhigen magischen Strand im Sand, lauschte dem rauschenden Wellengang... Und wenn man ganz genau hinhörte, vernahm man die liebliche Melodie, die der Wind mit sich über die Insel trug. Runas Gedanken verloren sich, gleich ihren grauen Augen im tosenden Blau, in den Weiten der Zeit. Der Anblick des geruhsam erscheinenden Strandes, welcher weitaus mehr Aufregendes barg, als man dachte, ließ sie an ihre erste Zeit auf der „Insel des Vergessens" zurückdenken. So nannte Runa die abgelegene Insel seit ihrer Ankunft.
Vor ein paar Monden - sie erinnerte sich, als wäre es erst gestern gewesen – war sie am Südstrand angespült worden. Der Wind trug Runa in der Zeit davon und sie schaute auf ihr am Strand liegendes Selbst, gleich einem Adler, der hoch in den Lüften alles im Blick hatte.
Die Flut hatte sie ausgespuckt und hatte sich danach in den Tiefen der See verkrochen, ein neugieriges Tier nahm den Neuankömmling nun gastfreundschaftlich in Augenschein. Jetzt schien sie in den Körper zu schlüpfen und erlebte alles noch einmal, haargenau so wie damals. Sie spürte den warmen feuchten Atem des anmutigen Rothirsches ihren Körper entlangwandern. Nach einiger Zeit des kraftvollen Anstupsens und ein paar nassen Prustern in ihrem Gesicht entfloh Runa der Bewusstlosigkeit. Als sie sich kraftlos im Sand aufrichtete, drang saurer Mageninhalt in ihr hoch. In letzter Sekunde gelang es ihr, sich umzudrehen und sich neben sich in den Sand zu entleeren. Ohnehin war es fast ausschließlich Meereswasser gewesen, aber der modrige, salzige Geschmack hielt noch einige Zeit an. Indem der Hirsch sich herunterbeugte und ihr mit einer Kopfbewegung zu verstehen gab, dass sie aufsteigen sollte, hielt er ihr das Geweih hin. Runa war unerwartet leicht wieder auf den Beinen. Am Hals des muskulösen Tiers versuchte sie, sich auf seinen Rücken zu ziehen, doch obwohl sie locker über seinen Widerrist hinweg schauen konnte, glückte es ihr nicht, aufzusteigen. Sie hatte nicht die Kraft, das Bein über den Rücken des Schönen zu schwingen. Als jener ihr schließlich eine ,,Stufe" mit seinem Vorderbein bot, schaffte sie es mehr oder minder leicht, aufzusitzen. Ehe der Edelhirsch in einen flotten, angenehm federnden Schritt fiel, sah er sich nach ihr um, als wolle er sicherstellen, dass es ihr an nichts fehlte. Und das war auch – abgesehen von ihrer Geschafftheit - der Fall. Runa war unheimlich schwach, wollte aber nichts von dem Ritt verpassen. Sie war sich nicht einmal im Klaren, wieso sie ohne zu überlegen aufgestiegen war, doch herrschte zwischen ihr und dem Geweihträger gleich eine selbstverständliche Sympathie. Runa spürte, dass er ihr wirklich helfen wollte. Es hatte sich ihr ja auch nicht wirklich eine Alternative geboten. Das Hirschfell war weich und kuschelig, die Muskeln unter Runas Schenkeln arbeiteten beständig und sie genoss die wohlige Wärme, die das Tier ihr schenkte. Auf dessen Rücken war es um ein Vielfaches angenehmer als im nassen Sand am Meer. Der Hirsch trug sie durch das gelb – braune, aus kleinen kantigen Körnern bestehende Meer und durch die dahinter liegenden Quellerwiesen. Je weiter sie voranschritten, desto mehr reckten sich die Pflanzen in die Höhe, bis sie sich schließlich im Schatten eines mystischen, dichten Waldes vorfanden. Der Müdigkeit geschuldet legte Runa ihren Kopf bald auf dem bemuskelten Hals des Tieres ab und schlang die Arme darum. So döste das Kind dahin, während er sie sicheren Schrittes über den Waldboden trug. Das Mädchen schreckte hoch, als der Hirsch bald zum Stehen kam und sich zu ihr umwandte. Sie erblickte eine Lichtung, auf der unzählige weiterer Hirsche, groß und klein - welche mit weiten und ein paar mit feingliedrigeren Geweihstangen - standen und ästen. Der Hirsch stieß ein klangvolles Röhren aus, welches Runa mit einem belustigten Kichern quittierte. ,,Stellst du mich deiner Familie vor?" Ein paar Tiere schreckten davon, andere hoben erstaunt die Köpfe und ein junges kam mit großen Augen auf sie zu.
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Der zauberhafte Höhlenspiegel
FantasyRuna ist ein Mädchen mit rätselhafter Vergangenheit. Nachdem sie am Strand einer menschenleeren Insel angespült wird, rettet sie ein Rothirsch. Die Zwei bauen eine innige Freundschaft auf. Zusammen erkunden sie die zauberhafte Insel und Runa wird me...