Weiterführung 1

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Einer ihrer nächsten Ausflüge mündete am Strand. Runa und der sie tragende Rothirsch durchquerten die Quellerwiesen auf ihrem Weg. Bald ebnete sich die Erde, sodass man Sand und Wasser erblickte, so weit das Auge reichte. Der wolkenlose Morgenhimmel passte seine Farbe dem klaren Meer an und schien am Horizont einwandfrei mit jenem zu verschmelzen, dazu wehte eine zarte Brise. Runa genoss es, wie ihre Locken im federnden Galopp vom Wind davongetragen zu werden schienen. Auf ihrem Gesicht rastete ein Lachen der Glückseligkeit.

Der Hirsch preschte in die Wassermassen- gleich eines Boots, was ins Wasser gelassen wurde. Um die Beiden schmiegte sich nun das kühlende Nass. Liebevoll schlang sich Runa um den aus dem Wasser ragenden, muskulösen Hals ihres Vierbeiners und glitt von seinem Rücken.

Und schon ehe das Hirschrudel an diesem Tag weiterzog, da ihm das Futter nicht mehr reichte, waren sie wieder zurück von ihrem Ausflug.

Vom Rücken des Hirsches aus schweifte Runas Blick stets über die Freie, die an ihnen vorbeizog. Es boten sich ihm dichte Urwälder, Palmen, romantische Wasserfälle und gelegentlich weites Nichts. Das Mädchen war am Wegdämmern, als sie ein Zucken im Fell unter ihr wahrnahm. Ihr geliebtes Tier blieb am Fuße eines Berges abrupt stehen und spitzte seine Lauscher, dabei ragte sein imposantes Geweih gen Himmel. Runas Körper faltete sich nach oben auf und sie richtete sich wieder nach vorn. Vor ihnen lag ein im Meer von Lupinen aller Farbtöne versinkender Berg. Der Wind trug das leichte Rauschen eines Wasserfalls zu ihnen herbei. Unverzüglich erkannte Runa den Ort, und auch beim Rothirsch blitzte eine Erinnerung auf. Er röhrte klangvoll, während Runa kaum hörbar ,,Die Höhle..." hauchte. Seinen Hals windend, suchte er ihren Blick. Seine treuen, großen, braunen Augen spiegelten die ihren wieder. Ein kleiner Hüpfer fuhr durch Runas Herz und auch die Anspannung des Tiers war ihr spürbar. Doch sie fing sich schnell wieder, ihr Freund gab ihr Sicherheit, verankerte sie in den Boden, war ihr eine Stütze. Sie tätschelte seinen muskelbepackten Hals, gab sanften Schenkeldruck und unumwunden setzte er sich in Bewegung. Bald holten sie die ihnen vorausgegangene Hirschgruppe ein und fanden sich am Ufer des Flusses, in den der Wasserfall floss, wieder. Das Wasser glitzerte frech, während die Leitkuh das Rudel an einer seichten Stelle durch das Flussbett führte.

Unweit des Wasserfalls, auf einer weiten freien Grasfläche, machte sie Halt, als die Dämmerung schon eingesetzt hatte. Ein Hirsch röhrte schallend. Einige Tiere widmeten sich der zu ihren Füßen wachsenden Mahlzeit und die Kälber legten sich in die Gräser, die ihnen als Kissen im Traum dienten. Auch Runa legte sich zu ihnen, nachdem sie ihrem Liebling einen Kuss auf die Stirn gehaucht und ihm eine ruhige Nacht gewünscht hatte.

Wenngleich sie einen langen Tag und viel Wegstrecke hinter sich gelassen hatten, schlief Runa nicht gleich ein. Im Warmen eines flauschigen Kalbs fühlte sie sich behaglich und doch wurde ihr unwohl, als sie an den Tag zurückdachte, an dem sie die Vision im Höhlenspiegel gesehen hatten. Sie hatte gewusst, sie gehörte diesen Menschen auf eine Weise an. Die alte Greisin hatte sie gekannt und Runa hatte sie als vertraut wahrgenommen. Und doch war sie ihr fremd. Obwohl das Mädchen geschafft war und sich nicht danach fühlte, kämpfte sie sich hoch und fand in der Dunkelheit zu ihrem Hirsch. Als sie ihn innig drückte, blubberte er zufrieden. Runa legte ihre Stirn an seine, und so standen die Zwei eine Zeit lang da, Mensch und Tier, Hirsch und Kind und doch eins. Jeder spürte die Wärme des jeweils Anderen. Sie fühlten sich einander verbunden, sie waren für einander bestimmt. Gestrandet und Gefunden. ,,Mmh...", machte die Braunhaarige genüsslich. Eine Hirschkuh kam zu ihnen und kraulte ihren Rücken mit ihrer Oberlippe, was Runa belustigt aufspringen ließ.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jul 03 ⏰

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