Wochenende

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Es war ein Freitagnachmittag, Mitte Juli. Die Sonne hatte die gesamte Stadt in einen Backofen verwandelt, vor allem hier im achten Bezirk, wo kein einziger Baum stand. Asphalt und Beton reflektierten die Hitze und machten aus den angeblichen 30 Grad gute 40. Mir floss der Schweiß in Strömen den Nacken und Rücken hinab, die Unterarme klebten auf den Oberarmen, der Fahrersitz des Lieferwagens wetzte mir die Schenkel wund.

Ich fuhr mit der letzten Ladung des heutigen Tages zum dritten Mal die Josefstädterstraße rauf und wieder runter, auf der Suche nach einer Parklücke, die den Ford Transit ausreichend Platz bieten konnte. Erfolgslos. Verdammt, es war Wochenende, wollten die Leute, die hier wohnten, denn nicht aufs Land in ihre dämlichen Wochenendhäuschen, ihre Schrebergärten oder was weiß ich wohin. Reich genug waren sie doch alle, die hier lebten!

In der Tat war der achte Wiener Gemeindebezirk der mit der höchsten Dichte an wohlhabenden Leuten innerhalb des Gürtels. Noch reichere lebten nur mehr in den Villenvierteln in Döbling oder Hietzing am Stadtrand. Vor fünfzig Jahren war der Achte das Biotop von Beamten, die um die Ecke im Landesgericht, im Finanzamt oder in den Ministerien ihren sinnbefreiten Tätigkeiten nachgingen aber auch von vermögenden Kaufleuten, die gleich oberhalb ihrer Läden riesige Wohnungen hatten, und die Freizeit in der Volksoper und im Raimundtheater verbrachten, oder in altmodischen Cafés ganze Nachmittage bei einem Schälchen Gold und den dort ausgehängten Tageszeitungen abhingen.

Zumindest hatte mir das mein Vater erzählt, der als Kellner vierzig Jahre lang im Café Eiles diese Herrschaften bediente und sich um jeden Cent Trinkgeld bis zum Boden verbeugte, um meine Schwestern, Mama und mich in dem alten Gemeindebau in der Vorstadt durchzubringen.

Aber seit geraumer Zeit änderte sich auch hier alles. Die Hofratswitwen, Burgschauspieler und Kommerzialräte segneten nach der Reihe das Zeitliche und zogen in ihre letzte Ruhestätte auf dem Zentralfriedhof, während sich hier die Banken, Concept-Stores und Designerläden breitmachten und die Wohnungen, die noch übrigblieben, modernisiert und aufgemotzt, zu überteuerten Preisen an verkorkste Bobos verkauft wurden. Und in eben eine davon ging offensichtlich die Lieferung im Fond meines Transits.

Endlich schälte sich ein breiter Audi A5 aus der Reihe der geparkten Wagen und ich zwängte mich mit einiger Mühe in die Parklücke. Stand halb auf dem Gehsteig, aber die Straßenbahn kam um Haaresbreite noch vorbei. Ich stieg aus dem Wagen, öffnete die Hecktür, zog das zwei Meter lange Paket heraus und stellte es an die Hauswand. Ein Muttermensch mit Kinderwagen motzte herum, dass das hier nicht erlaubt sei, ich sah sie scharf an und sie zog ab. Vielleicht auch, weil sie nicht damit gerechnet hatte, dass sich in dem blauen Arbeitsoverall eine Frau befand. Waren ja alle ganz brav gegendert hier.

Ich warf einen Blick auf den Auftragsschein: Paketnummer, Lieferadresse. Stimmte alles. „Inkl. Montage und Vollservice", hatte Renate mit der Hand noch vermerkt. Also auch noch den Koffer mit der Bohrmaschine und das Handwerkzeug. Ich sah auf die Uhr: 15:30. In einer Stunde würde ich fertig sein, dann erwartete mich eine Dusche und eine kühle Blondine im Glas.

Ich suchte nach den Namen am Klingelschild, Nechwatal, drückte das Knöpfchen, ein Summeton, die Tür sprang auf. Ich stellte das Paket in die Einfahrt, es mochte gut zwanzig Kilo schwer sein, dann noch die beiden Koffer mit dem Werkzeug. Im Stiegenhaus mit den gemalten Jugendstilornamenten an den Wänden war es angenehm kühl. 

Die letzte LieferungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt