10. Ein geheirnzermatschendes Geheimnis

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"Was sollte das gerade Mom!?", zischte ich meine Mutter an.

Wir standen in der Küche, ich hatte den vorwurfsvollsten Blick, den ich mich gegenüber meiner Mom traute, aufgesetzt und meine Arme verschränkt. Es war Zeit für ein ernstes Tochter-Mutter Gespräch. Ich räusperte mich und versuchte irgendwie ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.
Meine Mutter hingegen versuchte die ganze Zeit abwesend, durch die Wände und Decken in mein Zimmer zu starren. Ihr gefiel es ganz offensichtlich nicht, dass sich ein Junge unbeaufsichtigt in unserem Haus aufhielt, auch wenn es sich nur um mein Zimmer handelte, in dem man eh nichts mehr zerstören konnte, da alles, was in irgendeiner Weise kaputt gehen könnte, bereits Dank mir längst Schrott war.
Müde rieb ich mir über meine Stirn. Ich hatte jetzt gerade einfach keinen Nerv dazu, mich mit Mom über ihre Manieren zu unterhalten, Bens überraschender Besuch hatte mich schon genug aufgewühlt und ich wollte unbedingt wissen, was er mir zu sagen hatte.
"Elizabeth Margret Rain!"
Beim Klang ihres Namens ließ sie endlich Ben Ben sein und wandte sie sich mir zu.
"Ist das dein Freund?"
Völlig perplex und verständnislos starrte ich sie an.
Ben und ich? Zusammen?! Drehte meine Mutter jetzt vollkommen durch?
"Spinnst du Mom?! Wir kennen uns jetzt seit drei Stunden, ich weiß nicht einmal, wie alt er ist, habe keine Ahnung, wer er ist und erst Recht keinen Schimmer, ob er mich mag!"
Ich war zum Ende des Satzes hin immer lauter geworden, verstummte aber abrupt, als ich den Gesichtsausdruck von Mummy sah. Verdammt.
"Meine kleine Heaven wird erwachsen....", seufzte sie und hob ihre Hand, um mir über meine wahrscheinlich vor Wut und Aufgeregtheit geröteten Wangen zu streichen, aber ich zuckte gereizt zurück.
"Sag mal, was ist eigentlich los mit dir, Mom?! Sonst bist du doch immer die erste, die mich vor drogensüchtigen Bad Boys warnen will! Und bei dir fallen normalerweise alle Jungs über 14 unter Freischusswild der mütterlichen Fürsorge! Noch einmal: Ich weiß noch nicht einmal, ob ich ihn mag!" Aber meine Mutter dachte gar nicht daran, sich aus der Ruhe bringen zu lassen. Mittlerweile fragte ich mich ernsthaft, ob irgendwas Abnormales im Spinat gewesen war, was ebenfalls die Sorge mit sich brachte, ob ich auch bereits verseucht war.
"Ach Heaven.", murmelte meine Mutter kaum hörbar,"Manchmal wünsche ich mir, dass ich es dir erzählen könnte..." "Erzähl es mir doch einfach, Mom!", fiel ich ihr ins Wort und wurde zunehmend nervöser und wütender. Was konnte sie mir nicht erzählen? Warum? Kannte sie Ben? Warum war sein Geburtstag wichtig? "Ich komme schon damit klar, wenn alle männlichen Storms sechs Zehen haben!"
Doch Mom lachte nicht einmal. Sie presste nur ihre Lippen zusammen und wandte sich mit einem bedauernden Gesichtsausdruck ab. Ich hätte vor Neugier schreien können, aber ich entschied mich dann doch für die etwas leisere Methode, das unergründliche Geheimnis in Ben ohne Vorurteile zu betrachten. Mit festen Schritten ging ich um Mom herum, sodass sie mich angucken musste, wenn sie hochsah. "Egal, was für ein Geheimnis es ist, Mom, gib Ben eine normale Chance und mir die Zeit, ihn einfach kennenzulernen anstatt davon auszugehen, dass ich ihn schon praktisch geheiratet hätte. Wenn du mir nicht verraten willst, warum Ben dich gleichzeitig so erschreckt, verwirrt und begeistert hat, muss ich es halt selbst herausfinden." Mit diesen Worten drehte ich mich schwungvoll um, sodass die getrocknete Farbe von meinem T-Shirt auf den Boden rieselte und rauschte aus der Küche durch den Flur und die Treppe hoch. Als ich vor meiner Tür schliddernd zum Stehen kam, war ich vollkommen außer Atem und keuchte wie ein Elefant mit Asthma, obwohl ich nicht länger als 10 Sekunden gerannt war. Und ich behauptete ich war sportlich.
Während sich die wild schaukelnde rosa Gehirnpampe hinter meiner Schädeldecke nach den denkerischen Strapazen langsam wieder beruhigte und auch meine Atmung wieder normal wurde, überlegte ich, wie ich Ben meine Abwesenheit erklären konnte. Dann fragte ich mich, ob er überhaupt noch da war, was mir eine Menge Arbeit erleichtern, aber die Chance ein Geheimnis zu lüften, deprimierend senken würden. Komm schon Heaven, einfach spontan und cool, sprach ich mir tief durchatmend Mut zu, musste aber fast lachen, als ich das Wort 'cool' mit 'Heaven' ohne ein 'nicht' in einem Satz kombinierte. Ich sollte mich wirklich zusammenreißen, Leute, die über ihre eigenen Gedanken lachten, kamen immer bedingt geisteskrank rüber. Obwohl ich keine Kettensäge hatte, wollte ich 'Serienkiller mit geistigen Problemen' als Spitzname vermeiden. Wäre auch zu lang für einen Spitznamen, dann müsste ich es mit SmgP abkürzen, und das eignet sich auch nicht so gut als Rufname.
Ich schüttelte den Kopf, um meine langsam aber sicher eskalierenden Gedanken zu unterbrechen und drückte ohne weiter zu zögern die eisenbeschlagene Klinke meiner Zimmertür hinunter. Die gezimmerte Holztür schwang auf und gab einen Blick auf mein immer noch total verwüstetes Zimmer frei. Mein total verwüstetes Zimmer und Ben.

Himmelskinder (pausiert)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt