Langsam ließ ich meinen Blick über die 28 Leute vor mir schweifen und überlegte, wer von ihnen das Potenzial zu einer neuen Bekanntschaft hatte und wen ich direkt auf der Idiotenliste abstempeln konnte.
Mein Blick blieb an einem schwarzhaarigen Mädchen mit schwarzer Lederjacke und fiesem Grinsen hängen, die gerade versuchte dem armen blonden Jungen vor ihr kleine Papierkügelchen ins Ohr zu schießen. Papierkügelchen und noch etwas anderes, über das ich nicht weiter nachdenken wollte.
"Und das ist eure neue Mitschülerin Heaven Rain", vollendete der Lehrer in dem komischen lila- blau karierten Wolljacket seine totlangweilige Rede. Vorher hatte er irgendetwas von wegen Mobbing in dieser Klasse und Problemkinder gefaselt, aber ich hatte nicht wirklich zugehört.
Trotzdem war mir in den 20 Minuten, die ich hier stand um dem Lehrer Mr. Cucumber (man, der Typ ist echt gestraft mit dem Namen) zuzuhören, aufgefallen, dass diese Klasse eine echte Problemkinder-Problemklasse war.
Spätestens als die Papierkügelchen-und-anderes-Spuckerin hämisch grinsend sagte " Heaven Rain? War Hell Fire schon vergeben oder was? Du könntest dich gut mit Ben Storm dahinten zusammentun! Ihr wärt ein tolles Trottelpaar! ", war ich meiner Sache ziemlich sicher.
Mal abgesehen davon, dass alle lachten und dies ganz augenscheinlich nur taten, damit sie große-Klappe-girl nicht in Grund und Boden prügelte.
Ich sah zu dem Jungen, den Lederjacken-Tyrann als Ben Storm bezeichnet hatte. So schlecht sah er gar nicht aus. Er hatte braunes, glattes Haar und faszinierende Augen, die fast so aussahen, als würden sie die Farbe ändern und -oh Wunder, es gibt doch noch normale Menschen!- war er der einzige, der nicht lachte.
Ich beschloss, dass es zu früh wäre, ihn auf die Idiotenliste zu setzen oder ihn als Freund zu bezeichnen und wandte mich wieder an Rotzgesicht.
Sie hatte währenddessen ein siegessicheres Grinsen aufgesetzt und erwartete bestimmt, dass ich betreten zu Boden schaute und sie als "Gebieterin" anerkannte.
Tja, diesen Gefallen würde ich ihr ganz bestimmt nicht tun.
Ich setzte meine zuckersüßestes Lächeln auf und erwiderte: "Du hast ja so Recht Sweetheart, aber nicht jeder kann halt so zauberhaft wie eine unitato heißen"
Sofort verfinsterte sich ihr Gesicht und sie starrte mich hasserfüllt an. " Wie hast du mich gerade genannt!?" In der Klasse wurde es mucksmäuschen still, während alle auf meinen elendigen Tod warteten.
Vielleicht sollte ich mich vorstellen, damit ihr wisst, was ihr auf meinen Grabstein schreiben sollt, nach dem ich von Mit-bloßen-Händen-Erwürgerin zu Hackfleisch verarbeitet worden bin. Aber sehen wir es mal positiv: ich brauche nicht einmal einen Sarg, den 8 Personen mühsam über den Friedhof schleifen müssen, sondern meine Überreste können ganz bequem in einer Plastiktüte begraben werden.
Um den anderen Rest kümmert sich die Putzfrau.
Also, ich bin Heaven Rain (wie ihr sicherlich schon bemerkt habt) und wohne seit einer Woche in Liscannor in Irland.
Irland ist echt .....nass.
Aber vielleicht bin ich auch einfach mit der warmen Sonne verwöhnt, die Tag für Tag auf unser kleines Haus in Australien geschienen hatte.
Damit war es jetzt wohl vorbei, Irland war praktisch das Land des Regens. Ich mochte den Regen und hatte dementsprechend auch nichts dagegen gehabt, als wir umgezogen waren. Freunde besaß ich in ganz Australien eh keine, also was sollte mich aufhalten?
Mom, Dad und ich besaßen nun ein kleines Häuschen mit grünen Fenstern,verwittertem Strohdach und einem großen Garten, auf dem viele Bäume standen.
Ein kleiner Steinweg aus sandfarbenen Wackersteinen schlängelte sich zwischen den grünen Bäumen hindurch und führte zu einem kleinen Teich, der immerhin groß genug zum schwimmen oder ertrinken war.
Mein Zimmer lag im ersten Stock und hatte einen wunderbaren Blick aus bodentiefen Fenstern auf den Garten, der früh morgens aussah, als hätte man ihn aus einem Buch ausgeschnitten und von außen auf mein Fenster geklebt.
Ich hatte sicher 4363 Fotos gemacht, bevor mein Vater hereiplatzte und mich bat, endlich beim Einräumen zu helfen.
Nachdem wir das Bad im Obergeschoss mit diversen Waschzeugs eingedeckt hatten und die Küche direkt neben der Haustür mit so vielen Bratpfannen und Töpfen ausstatteten, dass ich damit problemlos einen kompletten Club MonsterTruck Fahrer erledigen konnte, sprach mein Vater das Thema an, vor dem ich am liebsten die nächsten 465 Jahre verschont bleiben wollte.
"Also Heaven, wegen der Schule", begann er und kratzte sich am Kopf, " wir hatten ja eigentlich gedacht, dass du in der Stadt auf das Byrd-Internat gehen solltest..."
Das Byrd-Internat für Hochbegabte war eine Klasse für sich:
lauter piekfeine Internatsschülerinnen in grausam pinken Schuluniformen, die in ihrer Freizeit nichts besseres zu tun hatten, als sich die Fingernägel zu lackieren und dabei Wikipedia auswendig zu lernen oder die Primzahlen bis 2 hoch 57.885.161 minus 1 aufzusagen.
Meine Mutter will nicht verstehen, dass ich nicht auf diese Schule gehen will, aber Herrgottnochmal die haben pinke Schuluniformen!
Ihr Lieblingsargument, um mich auf diese Schule zu schicken, war, dass " Hochbegabte Kinder wie du auf so einer Schule sehr gut gefordert werden". Das ich nicht lache.
Ich hatte zwar ein 'fotografisches Gedächtnis', aber das wars auch schon, also warum wollte sie mich auf so eine Tussenschule schicken!?
Deshalb war ich auch besonders gespannt, was Dad mir zu dem Internat zu sagen hatte. Voller Hoffnung betete ich, dass sie doch noch eine andere Schule gefunden hatten.
"Nun ja", fuhr mein Vater fort, "wenn du in das Internat gehen würdest, könnten wir dich ja nur noch am Wochenende sehen und deshalb haben wir uns entschieden..."
Ich platzte beinahe vor Aufregung. Hieß das....? "Du wirst am Montag hier in der 10. Klasse anfangen"
Jauchzend sprang ich auf und ab. Ich würde doch nicht als Superstreberin mit Pinkem Nagellack enden! Yesssss! Ich hüpfte auf meine lächelnden Eltern zu und umarmte sie beide. "Dankedankedankedanke!", rief ich und drückte sie ganz fest an mich.
DU LIEST GERADE
Himmelskinder (pausiert)
FantastikIch fühlte den Wind in meinen Haaren, wie er mir Geschichten zuflüsterte und mich weiter und weiter in den Himmel trug. Ich fühlte, wie ich ganz von selbst meine Schwingen ausbreitete und mich über die Wolken tragen ließ. Ich fühlte, wie alle Sorge...