Kapitel 6

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Montag. Der Tag war gekommen. Schon als Wriothesley an diesem Morgen aufwachte, verspürte er ein Kribbeln im Magen, das ganz sicher nicht von Hunger stammte.

Den ganzen Tag über passierte nichts sonderlich nennenswertes: Wriothesley erledigte Papierkram, sah sich im Wohntrakt um, redete mit ein paar Insassen, stattete der Pankration-Arena einen Besuch ab und verbrachte seine Mahlzeiten in der Tauschkantine wie üblich. Als er von dort, von seinem Mittagessen, zurückkam und hoch in sein Büro ging, lag ihm direkt vor den Füßen ein Karton. Erst vermutete er, es wäre eingezogene Schmuggelware, doch als er den Karton auf seinen Schreibtisch stellte und aufmachte, stellte er fest, dass seine Kleidung für den heutigen Abend darin enthalten war. Es war wie versprochen rechtzeitig angekommen. Da Clorinde ihm am Vortag schon versichert hatte, heute herzukommen, wartete er mit dem Anprobieren noch ein wenig. Stattdessen nahm er den Inhalt des Kartons heraus und hängte alles fürs erste über seinen Schreibtischstuhl.

Einige Stunden später kam wie vereinbart Clorinde mit Navia im Schlepptau vorbei. "Da sind wir." Sagte Clorinde monoton. "Hallo, Euer Gnaden! Clorinde meinte, Ihr bräuchtet Hilfe?" Grüßte Navia energiegeladen wie eh und je. Er hätte es sich schon denken sollen, aber er war dennoch überrascht, beide Frauen bereits in festlichen Abendkleidern zu sehen, mit ihren eigenen Masken in der Hand. Clorinde trug ein unifarbendes violettes Kleid. Ein Meerjungfrauenkleid, um genau zu sein. Navias Kleid ähnelte eher dem einer stereotypischen Prinzessin, mit weitem Rock und hellorangenen Rüschen am gelben Stoff bestückt. "Ihr zwei seht phänomenal aus. Übrigens, was heißt hier bitte, ich bräuchte Hilfe?" Fragte Wriothesley und schenkte Clorinde einen Blick der auf jeden Fall ausdrücken sollte "war ja klar". "Ist doch offensichtlich. Ich hatte es dir doch gestern schon erklärt." Erwiderte Clorinde. "Und jetzt nimm den Anzug mit und geh dich umziehen, aber dalli! Es ist schon 18Uhr und wir brauchen ein bisschen, bis wir in Fontaine sind." Ermahnte sie. "Ja ja, schon gut, schon gut, ich bin gleich wieder da." Sagte Wriothesley genervt, griff nach der Kleidung und ging ins untere Stockwerk, gleich unter der Plattform seines Büros.

Es dauerte keine 5 Minuten, da kam er schon wieder zurück und richtete noch die letzten Falten in der Jacke. "Und?" Fragte er erwartungsvoll. "Sieht spitze aus! Ich bin sicher, Ihr passt super in die Atmosphäre der Veranstaltung!" Meinte Navia. Clorinde nickte. "Finde ich auch. Du wirst ihn damit sicher beeindrucken können." Sagte sie zustimmend. "Ihn? Wer ist denn 'ihn'?" Fragte Navia perplex. Wriothesley räusperte sich verlegen. "Nur jemand mit dem ich verabredet bin." Erklärte er. Navia gab sich glücklicherweise mit der Antwort zufrieden. Dann schien sie zu überlegen, während sie Wriothesley eindringlich musterte. "Ich hab das Gefühl, irgendwas fehlt..." Murmelte sie. "Ähm... was denn?" Fragte Wriothesley überrumpelt. Navia schnippste mit den Fingern, als sie scheinbar irgendeinen Einfall hatte. Dann flüsterte sie Clorinde etwas ins Ohr. Beide Frauen sahen Wriothesley mit unheimlichen Blicken an. "Äh..w-was starrt ihr denn so?" Fragte er verlegen. Er musste schon ehrlich sein, selbst er war davon eingeschüchtert. Ohne eine Antwort standen die beiden vom Sofa auf und zogen Wriothesley gezwungenermaßen auf den Stuhl an seinem Schreibtisch. "Was wird das denn??" Fragte er nochmals perplex. "Hab dich mal nicht so, wir sind gleich so weit. Hast du hier irgendwo eine Haarbürste rumliegen?" Antwortete Clorinde. "Haarbürste?...Ooooooh, deshalb das Getue? Hättet ihr mir nicht gleich sagen können, was los ist? Ich dachte schon, ihr plant gemeinsam ein Attentat auf mich oder so. Und ja, unten auf der Kommode."

Clorinde nickte Navia zu, die sich vorsichtig über die Stufen nach unten begab und wenig später mit gefundener Haarbürste zurückkehrte. "Hab sie!" Rief sie, als sie wieder hinzustieß. "Gut, dann sollten wir hier schnell fertig sein." Meinte Clorinde.

Wie von Clorinde erwartet dauerte es keine fünf Minuten, bis sie und Navia sich zufrieden gaben. Sie hatten Wriothesleys Haare erfolgreich nach hinten gekämt und ihm danach direkt seine Maske auf die Nase gedrückt. "Hey!" Beschwerte er sich. "Entspann dich, du hast schon schlimmeres durch." Sagte Clorinde völlig kaltgelassen. Wriothesley stand vom Stuhl auf. In dieser Situation fand er es doch nicht so gut, keinen Spiegel in seinem Büro zu haben. Er musste wohl oder übel auf Navias und Clorindes Meinung vertrauen. "Na dann, hast du alles?" Fragte Clorinde. Wriothesley überlegte kurz. "Ähh...Ja, ja doch, ich sollte soweit sein." Antwortete er. "Gut, dann sollten wir jetzt langsam los. Du willst dein 'Date' doch nicht warten lassen!" Entgegnete sie.

Wenn der Damm brichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt