Kapitel 3

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„Ja, ich bin Frau Rabe. Lucy Rabe"

Sie reichte mir die Hand. Mir stockte der Atem. Kein Wunder das Nikki meinte, dass sie gut aussieht. Sie war groß und schlank. Der enge Hosenanzug betonte ihre Kurven. Die Highheels unterstrichen alles.

Ich schüttelte ihre Hand und stellte mich vor. Sie musterte mich akribisch von oben nach unten und meinte darauf hin kalt „In mein Büro, sofort".

Wie ein Hund, lief ich in den zweiten Stock hinterher. Als ich oben ankam, war ich aus der Puste. Ich sollte öfters Sport machen und weniger rauchen. Frau Rabe nahm auf ihren Stuhl hinter dem Schreibtisch Platz und verschränkte ihre langen Beine elegant übereinander. Sie deutete mir, gegenüber von ihr sich zu setzen. Mit Stift und Block gewappnet, notierte ich mir den Arbeitsablauf, den sie mir diktierte und auch später von mir auch verlangte.

Nach einer zwei stündigen Besprechung der anfallenden Aufgaben und der derzeit bestehenden Akten, ging ich zurück in das Büro.

Nikki sah mich bereits mit großen Augen an, als ich mich gegenüber auf meinen Platz fallen ließ, wie ein Häufchen Elend. „Und, wie findest du die Rabe?" „Hmm... weiß nicht ganz so recht. Sie verlangt ziemlich viel von einem. Sie hat auch bei der Besprechung ständig meine Schrift kritisiert, weil ich alles immer so hinschmiere". „ Ja, so ist sie. Eine echte Perfektionistin. Pass auf, dass bei deinem Schreibtisch nicht zu viel rumliegt, sie wird dich sonst ermahnen und irgendwann wird sie richtig ausflippen."

Was habe ich mir da nur angetan.

Nachdem ich alle anfallenden Aufgaben erledigt habe. Fragte ich bei meinen Kollegen nach, ob ich Ihnen behilflich sein kann. Diese gaben mir kleine Aufgaben, mit denen sie nicht wirklich zurecht kamen.

Als ich gerade noch im ersten Stock bei einer Kollegin am Schreibtisch stand, schrie Frau Rabe bereits von weiten „Charlotte, nicht so unnötig rumstehen. Ich brauch sie an ihrem Schreibtisch, sofort!" Sie klatsche bei dem letzten Wort zweimal in die Hände, so als würde sie ein Tier scheuchen wollen.

Wie lange ich mir das am Anfang antun will, wusste ich bislang noch nicht. Aber ich wusste, dass es auf jeden Fall nicht ewig so weitergehen wird. Diese Frau behandelt die Angestellten, wie als wäre man nichts wert und alles muss stehen und liegen gelassen werden, wenn sie die Büroräume betritt.

Ich setzte mich mit meiner Kaffeetasse an meine Platz. Die Anwältin stand bereits daneben und wippte ungeduldig und genervt mit ihrem Fuß.

„So, nachdem sie ihr Tratschpäuschen gemacht haben, können sie sicherlich mir ein Schriftsatz schreiben, den ich ihnen gleich hier direkt diktierte." Ich öffnete ein Dokument. Sie schnaufte dabei und meinte zickig daraufhin: „Kann das jetzt bisschen schneller gehen, ich hab nicht den ganzen Tag Zeit, dass sie endlich mal ein Dokument öffnen." Ich hielt mich zurück mit meinem Kommentar und dachte an den näher rückenden Feierabend.

Frau Rave diktierte so schnell und war genervt, wenn sie kurz innehalten musste, damit ich etwas ausbessern konnte oder nicht mit dem Schreiben hinterher kam.

Es war zwischenzeitlich 17:00 Uhr und meine Kollegen machten sich gehbereit um in den Feierabend zu kommen. Leider war Frau Rabe immer noch bei mir und diktierte schon die 13 Seite des Schriftsatzes, bei dem es sich um eine Stellungnahme an ein Gericht handelte. Sie saß bereits auf meinem Schreibtisch.

Gegen 17:48 Uhr war sie fertig. Ich war verwirrt, nachdem sie mich in einem netten Ton gebeten hat, den Schriftsatz auf das Programm zu laden, die dem man mit den Gerichten kommunizierte. Sie wünschte mir auch noch einen schönen Feierabend.

Ich verließ die Kanzlei, nachdem ich meine Sachen aufräumte, damit eine gewisse Person mich diesbezüglich nicht kritisieren konnte. Um mich etwas abzureagieren rauchte ich zwei Kippen hintereinander auf dem Kanzleiparkplatz. Als ich gerade den Stummel meiner Zigarette ausdrückte, kam Frau Rabe und steuerte direkt auf mich zu. Sie blieb zwei Schritte vor mir stehen. „Immer noch hier, Charlotte?" „Ja, ich hab noch eine Geraucht, bevor ich losfahre." Sie musterte mich und fragte: „Hättest du auch für mich eine?" Ich überlegte nicht lange und hielt ihr kommentarlos die Schachtel mit den Zigaretten hin. Sie nahm sich eine davon. „Rauchen Sie mit mir? Dann würde ich kurz meine Tasche und meine Jacke im Auto ablegen. Es ist viel zu warm für einen Blazer." Ich nickte auf ihre Frage hin.

Sie lief zu ihrem Auto, was eine Mustang Shelby GT500, 1967er Baujahr, war. Woher ich das wusste? Ich bin ein totaler Auto- und Motorradnerd. Ich liebte es zu schrauben. Schon als kleines Mädchen hab ich mich für Autos interessiert. Ich habe noch nie mit Puppen gespielt. Im Kindergarten und in der Grundschule wollte ich immer mit den Jungs spielen, aber die haben es nicht gut gefunden, dass ein Mädchen ihnen Konkurrenz machte. Seitdem bin ich ein Einzelgänger. Ich war schon immer bisschen eigenartig und hatte immer das Gefühl, dass ich in diese Welt nicht passte. Meine Mutter wollte immer mich in ein passendes Muster zwängen, aber ich hab mich dagegen gewährt und einfach mein Ding durchgezogen. Ich schweife wieder einmal ab.

Als Frau Rabe zurückkam, trug sie nur ein Blusentop. So konnte ich sehen, dass ihre beiden Arme komplett tätowiert waren. Ich konnte mich nicht zurückhalten und sagte ihr gleich daraufhin: „Schöne Tattoos!" Sie lachte kurz auf und mein Gott, ihr Lachen war das Schönste, was ich je gehört habe.

„Danke, und übrigens Sie können mich außerhalb der Arbeitszeiten Lucy nennen." „Charlie". Sie runzelte die Stirn. „Mein Spitzname. Du kannst ruhig meinen Spitznamen verwenden." „Ach so. Also Charlie, hast du für mich Feuer?" Ich reichte ihr das Feuer, nachdem ich meine Kippe zuerst anzündete. So machte man das, laut einer ehemaligen Freundin von mir.

„Wie kommt es, dass du einen Mustang Shelby GT500 67er fährst und auch noch in einem so guten Zustand?"
„Also ein Autokenner? Ich habe ihn damals von einem Bekannten bekommen, nachdem er verstarb". „Ja, nicht nur ein Kenner sondern auch ein extremer Liebhaber und Nerd. Ich kann sogar von den Motorgeräuschen unterscheiden, um welche Marke und Modell es sich handelt. Aber wie viel Glück muss man haben, dass man solchen Mustang bekommt." „Es ist Fluch und Segen gleichzeitig. Mir wäre es lieber, wenn noch der Bekannte leben würde".

„Verstehe ich voll". Wir rauchten fertig und ich lief zu meinen Motorrad. Lucy rief noch hinter her: „Du bist also die Motorradfahrerin. Ich hab schon gedacht, wer den sowas von den Kollegen fährt. Also bis morgen".

Das wird auf jeden Fall morgen ein interessanter Tag.

Brief an das LebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt