Nolin Snippets

2034

Noah drehte seinen Schlüssel im Schloss um und öffnete die Haustüre. Er konnte es sich dabei nicht nehmen lassen, auch immer einen kurzen Blick auf das Klingelschild "Temel/ Thewes" zu werfen. Endlich hatten er und sein Partner Colin eine bezahlbare schöne 2-Zimmer Wohnung in Köln gefunden und konnten damit auch das WG-Leben hinter sich lassen und ganz offiziell als Paar zusammen leben. Dass die Hälfte der Vermieter*innen die beiden bei Besichtigungen für Freunde gehalten hatten, und ihnen ganz ernst zu erklären versuchten, dass sie Wohnung wohl nicht für sie geeignet sei, da es nur ein Schlafzimmer gab, hatte die Suche zusätzlich zum allgemein angespannten Wohnungsmarkt erschwert.

Nie im Leben hätte Noah vor zehn Jahren damit gerechnet, dass sein ehemaliger Mitbewohner aus dem Internat erst seine erste große Liebe wird, die beiden ihre Beziehung über die Jahre trotz schwieriger Phasen immer mehr festigen können würden und er sich seit sie zusammengezogen waren, noch mehr in seinem Leben angekommen fühlen würde.

Im 4. Stock des Altbaus angekommen klingelte Noah an der Tür seiner eigenen Wohnung. Er hatte zwar seine Schlüssel dabei, liebe es aber, wenn Colin ihm die Türe aufmachte und die beiden sich mit einem zärtlichen Kuss begrüßten.

Colin saß noch am seinem Schreibtisch als Noah klingelte. Er hatte vor wenigen Monaten eine Stelle als Doktorand für Data Analytics an der Universität begonnen und verbrachte dadurch auch nach seinem offiziellen Feierabend noch viel Zeit mit der Arbeit an seinen Modellen. Colin hatte schon jede Minute auf die Türklingel gewartet, da er sich insgeheim mindestens genauso viel wie Noah auf ihr Begrüßungsritual freute und öffnete ihm scherzend mit den Worten "soso der feine Herr möchte mal wieder seinen Schlüssel nicht benutzen" die Wohnungstür.

Nachdem Noah seinen Rucksack abgestellt hatte, legte er seinen Arm sanft um Colins Taille und verharrte noch einen Moment mit seinem Blick in Colins grünen Augens, bevor sich ihre Lippen trafen. Bei jedem ihrer Küsse fragte sich Noah, wie er seinen so tollen Freund nur verdient hatte.  "hab dich mittlerweile fast so gut trainiert wie Freddy damals", scherzte er als ihre Münder sich voneinander gelöst hatten, was Colin nur mit einem kichernden "Fast?" erwiderte.

Colin holte für beide eine kühle Spezi aus dem Kühlschrank, während Noah es sich schon auf dem Sofa in der Wohnküche bequem machte. "Waren heute wieder die Ameisen dran? Oder bist du mittlerweile wieder bei den Kranichen?", fragte er in Noahs Richtung, während er mit dem Flaschenöffner die Kronkorken zischen ließ.  "Weder noch. Die sind doch beide schon in Abnahme, hab heute mit einem neuen Projekt über Frösche angefangen. Das gequake kann ich jetzt schon nicht mehr hören...", antwortete Noah und nahm einen großen Schluck. Noah hatte zwar schon immer davon geträumt im Filmbusiness zu arbeiten, nur dass er letztendlich als Cutter in einer Produktionsfirma für Tierdokus landen würde, hätte ihn vor ein paar Jahren selbst noch überrascht.

Colin verschränkte seine Beine in Noahs und erzählte: "Du ich hab vorhin eine Mail von Reena Kumari bekommen, weißt du noch?" - "Die vom Einstein? Was wollte die von dir?" - "Einladung zum Alumni-Treffen, sie meinte von dir ist keine Kontaktadresse hinterlegt..." - "naja, außer dir, Ava und Joel haben mich die Leute da eben nicht so interessiert. Aber willst du da hingehen?", fragte Noah und nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche. "Weiß ich noch nicht. ... Ich musste deswegen heute nur wieder an die Zeit am Einstein denken und daran, wie wir uns kennen gelernt haben und alles", sagte Colin während er unsicher mit dem Blick zwischen dem Fußboden und Noahs Augen hin und her wechselte.

"Ey, ich weiß -  ich hab dir das echt nicht leicht gemacht hab, mich zu mögen. Aber ich mein du weißt doch auch, dass es für mich auch nicht einfach war... Meine Eltern haben sich zu der Zeit getrennt, dann noch die ganze Sache mit Freddy... Und dann waren da auf einmal die Gefühle für dich, die ich noch gar nicht einordnen konnte, als du mich auf einmal geküsst hast... Und danach war bei mir einfach völliger Blackout. ", erklärte sich Noah. Er und Colin hatten mittlerweile schon oft über ihre Kennenlernenzeit miteinander gesprochen, aber über die Jahre war sie eben auch mehr und mehr den Alltagsproblemen gewichen.

"Mhmm", bemerkte Colin während er an seiner Flasche nippte, "ich hätte dich damit nicht so überrumpeln sollen, ich weiß.  - Wir haben beide unsere Fehler gemacht...". Er stelle sein Getränk auf den Boden, sodass er seine Hand auf Noahs Knie legen konnte und streichelte es sanft, während dieser lachend ergänzte: "... und ohne Joel und Ava säßen wir jetzt gar nicht hier", während er seinen Blick im Raum schweifen ließ. "Ich kann mir gar manchmal gar nicht vorstellen, wie mein Leben die ganzen letzten Jahre ohne dich ausgesehen hätten...", antwortete Colin nachdenklich. - "Ach, bei dir mach ich mir da keine Sorgen, du hättest wahrscheinlich einfach jemand anderes kennengelernt, so oft wie du in Bars angesprochen wirst." - "Also soo oft werde ich jetzt auch nicht angesprochen - und wenn, dann meistens von Frauen..." -"Macht doch nichts! Dann hättest du wenigstens nicht manche unserer Probleme..". Colin schaute seinen Freund leicht irritiert und schief an: "Noah glaubst du wirklich ich würde unsere Beziehung für irgendwas in der Welt hergeben wollen? Ja, ich finds auch nicht cool, dass wir nicht immer einfach so draußen Händchen halten können oder blöde Sprüche gedrückt bekommen... Aber das, was wir hier drin haben" - Colin legte dabei seine Hand auf Noahs Brust - "das ist das was zählt. Und bei mir ist da nur Platz für dich."

Noah konnte das, was Colins Worte in ihm auslösten nur schwer nach außen zeigen. Er stellte seine Flasche nun ebenso beiseite und legte seine Hand auf Colins, lächelte und brachte ein kleinlautes "Du hast ja Recht." hervor. Colin wusste, dass Noah manchmal mehr als er selbst mit den Problemen, die ihnen als schwules Paar begegneten, zu kämpfen hatte. Er kuschelte sich an Noahs Oberkörper und gab ihm einen Kuss auf seine Wange und fragte seinen Partner: "Was ist denn noch los?", da Noah immernoch nachdenklich an die Zimmerdecke schaute. Nun wandte er seinen Blick in Colins Augen, pustete seinem Atem durch seine Nase, sodass Colin ihn auf seiner Stirn spürte und erklärte: "ach weißt du, es ist einfach - ich liebe dich so sehr, dass ich Angst habe dich zu verlieren..", während seine Augen leicht glasig wurden. "Warum solltest du mich denn verlieren? Ich war noch nie so glücklich mit dir wie momentan", antwortete Colin ungläubig. Noah schloss seine Augen und streichelte Colins Hand: "Ich bin auch wahnsinnig glücklich mit dir. Aber das sind halt diese irrationalen Gedanken manchmal, weiß auch nicht woher die kommen. ... Beziehungsweise eigentlich weiß ich es schon.... Meine Eltern haben halt nicht die beste Bindungsarbeit geleistet...". 

Colin dachte einen Moment über das nach, was Noah gesagt hatte, und schluckte kurz bevor er reagierte: "Kann ich verstehen. ... Kann ich noch irgendetwas tun, damit du diese Gedanken bei mir nicht mehr hast?". Noah öffnete seine Augen wieder und streichelte nun durch Colins Locken, die er so sehr liebte, während er antwortete: "Du tust schon so viel für mich. Das wollte ich vorhin schon sagen; ich glaube *mein* Leben wäre deutlich schwieriger ohne dich gewesen, als deines ohne mich. Auch schon damals am Einstein, als wir noch nicht mal zusammen waren, warst du der erste Mensch, der sich wirklich für mich interessiert hat und mich nicht als Weirdo abgestempelt hat. Ich sag dir viel zu selten, wie dankbar ich dir für alles bin, was du aus mir herausgeholt hast, von dem ich nie dachte, dass ich es sein kann. Ich bin so froh, dass ich dich habe - dass WIR UNS haben." Noah sagte solche Sachen nicht oft, deswegen waren seine Worte für Colin umso besonderer, da er die emotionale Seite an Noah besonders liebte. Als er Noah voller Stolz wieder in die Augen schaute, war Colin es, der sich fragte, womit er einen so tollen Freund verdient hatte.