𝗣𝗿𝗼𝗹𝗼𝗴

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Ein kräftiger, stetig anhaltender Wind rüttelte an den hoch aufragenden, kahlen Bäumen und fuhr durch das dichte Astwerk. Der Boden war bedeckt mit einer dicken Laubschicht und rote und goldene Blätter wirbelten durch die Luft, vom Wind hin und her geworfen.


Abgebrochene Äste, an denen noch Blätter hingen, und entwurzelte Baumstämme zeigten die Spuren vergangener Unwetter. Der Wald schien zerbrechlich und aufgewühlt.

Die Nacht war bereits angebrochen, und ein voller Mond stand am schwarzen Himmel, an dem nur vereinzelte Sterne leuchteten. Das silbrig schimmernde Licht traf auf den Boden und erhellte eine unscheinbare Lichtung im Gebüsch, an dessen Rand eine kleine Gruppe Katzen entlangstreifte.

Ein schwarzer Kater, der die Narben vieler vergangener Schlachten trug, führte die Patrouille an. Mühsam stapfte er durch das frostige Laub, seine blauen Augen gegen den Wind zu schmalen Schlitzen verengt. Eine kleine, honigfarben getigerte Kätzin lief an seiner Seite, flankiert von einem jungen, schwarz-weißen Kater.

»Was werden wir den anderen Clans sagen, Gewitterleuchten?«, wollte der junge Schüler wissen, die Augen weit aufgerissen vor Neugier und Sorge. Der schwarze Kater antwortete nicht, denn er wusste es nicht. »Die Wahrheit jedenfalls nicht, dem sei dir sicher, Federnpfote«, erwiderte er nach einer kleinen Weile. Sein Blick war unergründlich.

Die Kätzin seufzte. »Normalerweise würde ich versuchen, ehrlich zu den anderen Clans zu sein. Aber sie würden unsere Schwäche nur ausnutzen. Ich möchte nicht noch mehr Krieger verlieren.«

Gewitterleuchten drehte sich zu ihr um. »Ich weiß, Bussardherz. Wir müssen uns etwas ausdenken. Wenn sie merken, dass wir lügen, werden sie wütend sein. Und dann gibt es Krieg.«

Bussardherz nickte angespannt. Gedankenverloren setzte sie weiter eine Pfote vor die andere, das trockene Laub, welches bereits Frostspuren aufwies, knackte und raschelte dabei.

Plötzlich rannten zwei kleine Kätzinnen an Bussardherz, Federnpfote und Gewitterleuchten vorbei.

»Gewitterleuchten! Warum sind die Sterne vom Himmel gefallen?«, maunzte eine kleine, schwarze Kätzin. Ihre blauen Augen funkelten neugierig. Gewitterleuchten musste schnurren. »Das sind Glühwürmchen. Kleine Insekten, die bei Nacht leuchten«, erklärte er und sah seinen Töchtern dabei zu, wie sie in die Luft sprangen und versuchten eines der Tierchen zu fangen.

Er seufzte leicht. Sie waren noch jung, gerade erst Schüler geworden, und wussten nicht, auf welche mögliche Gefahr sie gerade zuliefen. Vielleicht wäre es besser, wenn die beiden Schülerinnen im Lager geblieben wären, dachte er bei sich. Doch Schilfsterns Entscheidung konnte er wohl unmöglich in Frage stellen. Sie ist trotz allem immer noch meine Anführerin. Es wird seinen Grund gehabt haben, nur derart wenige Krieger und dafür einen Haufen unerfahrener Schüler loszuschicken.

Er ertappte sich dabei, wie er sich über seine Anführerin ärgerte. Heute hätte ich starke, loyale Krieger gut gebrauchen können.

Bussardherz rief die aufgeregten Schüler zurück. »Erlenpfote, Schwarzpfote, kommt zurück. Eure Kräfte solltet ihr euch für die Große Versammlung aufsparen.«

Enttäuscht ließen die Kätzinnen von den Glühwürmchen ab und reihten sich wieder hinten ein. »Wann sind wir da? Ich will endlich die anderen Clans sehen!«, maulte Erlenpfote.

𝐖𝐀𝐑𝐑𝐈𝐎𝐑 𝐂𝐀𝐓𝐒 | die erste prophezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt