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Ein eisiger Schauer lief Strompfotes Rücken herab. Wer oder was verbirgt sich dahinter? Sie schluckte. Es könnte ein feindlicher Krieger sein oder ein aggressiver Streuner. Sollte sie nachsehen, was es damit auf sich hatte? Sie zögerte.

Niemand außer ihr schien die bernsteinfarbenen Augen gesehen zu haben. Die wenigen Katzen im Lager, die nicht auf einer Patrouille unterwegs waren, lagen dösend auf den sonnenwarmen Steinen oder gaben sich die Zunge.

Während sie weiter in Richtung des dichten Dornengebüsches starrte, wo sie die Katzenaugen gesehen hatte, haderte sie immer noch mit sich selbst. Schließlich fasste sie sich ein Herz und pirschte auf leisen Pfoten an den niedrigen Tannenzweigen vorbei.

Der Wind frischte auf und wirbelte einige bunte Blätter auf, die in der Brise raschelten und knirschten. Vorsichtig spähte Strompfote an einem toten Baumstumpf vorbei. Farngebüsch versperrte ihr die Sicht und sie musste näher herankriechen, um etwas zu erkennen.

Die junge Schülerin blinzelte verwirrt. Der Strauch war unberührt. Hier war niemand. Verunsichert sah sich Strompfote um, während ihr Herz begann, schneller zu schlagen. Vielleicht wartete eine DämmerClan-Patrouille im Unterholz um die Lichtung herum nur darauf, dass eine unschuldige Schülerin in die Falle tappte, um sie zu erledigen.

Entschieden schüttelte Strompfote den Kopf. Sie war doch kein ängstliches Katzenjunges. Wenn eine feindliche Kriegerstreife in das Territorium des HimmelClans eingedrungen wäre, hätten die Grenzpatrouillen das bestimmt gemerkt und die Verfolgung aufgenommen.

Vielleicht habe ich es mir doch nur eingebildet. Die schwarz-silberne Kätzin verharrte unschlüssig. Sollte sie wieder zurück ins Lager gehen? Was, wenn ihre Sinne sie doch nicht getäuscht hatten?

Sie zuckte zusammen. Was war das? Dort, unterhalb einer schief wachsenden Birke auf einer moosbewachsenen Klippe, kauerte eine unscheinbare Gestalt. Sie wirkte wie ein Geist, der mit seiner Umgebung verschwimmt. Nur die stechend bernsteinfarbenen Augen glühten heller als das Sonnenlicht.

Das Fell auf ihren Schultern stellte sich auf und sie fuhr die Krallen aus. Was war das für eine merkwürdige Gestalt? Unfähig, sich zu bewegen, sah sie zu, wie die Geisterkatze langsam auf sie zukam. Kälte hüllte sie ein.

»Wer bist du?«, fragte Strompfote mit unsicherer Stimme. Die Geisterkatze, die sich ihr gegenüber niederließ, schien nicht wie eine Bedrohung, doch die junge Schülerin hatte keine Ahnung, wer oder was sie erwarten würde.

»Das kommt darauf an, was du von mir hören möchtest.« Mit einer derart tiefen, melodischen Stimme hatte Strompfote nicht gerechnet. Ein eiskalter Schauer erfasste sie und sie begann zu zittern.

»Einen Namen besitze ich nicht«, sprach die Katze. Strompfote konnte nicht einmal feststellen, ob es ein Kater oder eine Kätzin war. »Ich weiß selbst nicht einmal, was ich bin oder sein könnte. Ich bin schon ewig mit den Clans verbunden, doch war nie ein Teil davon.«

Unfähig zu sprechen beobachtete Strompfote, wie die gleißend hellen Augen eine tief violette Farbe annahmen. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Stille trat ein, bis Strompfote den Blick senkte. »Bist du... Bist du eine SternenClan-Katze?«

Ein seltsamer Ausdruck trat auf das Gesicht der Katze. Es war, als ob ein dunkler Schatten sie einhüllen und ihre Augen trüben würde. »Nein, das bin ich nicht.« Strompfote fragte sich, woher die Geisterkatze wohl kommen konnte. Ob sie nur eine Illusion war?

Ihr Gegenüber beantwortete die unausgesprochene Frage. »Vor langer Zeit einmal habe ich das Leben für eine kurze Zeit fühlen und erleben können, doch jedes Zeichen davon hat meine Seele verlassen. Von mir ist nichts, was man lebendig nennen könnte.«

Ihr Blick war unergründlich. »Wenn du möchtest, kannst du mich als Einbildung betrachten und zurück zu deinem Clan gehen. Ich kann dich zu nichts zwingen. Es hat jedoch einen Grund, warum ich ausgerechnet dir erscheine.«

Die Neugierde der Kätzin war geweckt. »Wie meinst du das?« Tausende Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, doch sie konnte keinen davon erfassen. Mittlerweile war ihr so kalt, dass sie am ganzen Körper zitterte.

»Ich habe eine Aufgabe für dich. Nun, es ist weniger eine Aufgabe, als eine Prophezeiung.« »Eine... eine Prophezeiung?« Strompfote riss die Augen weit auf. Sie? Eine unbedeutende HimmelClan-Schülerin, die ihre Ausbildung gerade erst begonnen hatte?

Sie würde eine Prophezeiung erhalten. Würde sie diese an ihren Clan weitergeben müssen? Oder war es eine geheime Mission, die nur sie allein bestreiten musste? Strompfote fühlte Aufregung in sich aufsteigen. Aufregung, aber auch unglaubliche Angst.

Die Geisterkatze setzte zu sprechen an. Ihre Stimme ließ Strompfotes Fell zu Berge stehen und nahm alle ihre Sinne ein, bis sie nichts anderes mehr wahrnehmen konnte. Dunkelheit nahm ihr die Sicht.

»In tiefem Dunkel und in stürmischer Nacht,

dringen Eindringlinge ein, still und sacht.

Ihr fremdes Licht bricht den Wald in zwei,

und bringt Unheil, das keiner je sah.

Doch in den Schatten, wo die Krieger ruhn,

wächst eine Kraft, stark und kühn.

Die Prophezeiung spricht von einem Licht,

das die Eindringlinge verjagt und bricht.

Ein Krieger aus den alten Zeiten erwacht,

um zu verteidigen das Territorium bei Nacht.

Die Clans vereinen sich in der finsteren Stunde,

gemeinsam vertreiben sie den fremden Bund.

So hört die Prophezeiung der alten Ahnen klar,

verteidigt euer Territorium, stark und wahr.

Denn nur gemeinsam, in Einigkeit und Macht,

wird der Feind vertrieben, bei Tag und bei Nacht.«

Als die Geisterkatze endete, ebbte die Kälte, die sie umgab, langsam ab. Strompfote hatte nicht gemerkt, dass sie die Augen geschlossen hatte, doch öffnete sie nun und sah den Geist an, der sie mit seinen leuchtenden Augen in den Bann zog.

Die Worte setzten sich wie gleißend helle Bilder in ihrem Kopf fest und Strompfote wusste, dass sie diese Worte nie wieder vergessen würde. Langsam ging sie Wort für Wort durch. Eine merkwürdige Schwere hatte sie erfasst.

Es fühlte sich fast so an wie ein Traum, doch sie wusste, dass dem nicht so war. Ein unendlicher Strudel an Gedankenfetzen füllte ihren Kopf und während sie sich langsam der Bedeutung der Prophezeiung klar wurde, spürte sie Angst in sich aufsteigen.

967 Worte

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Deine 𝐏𝐡𝐚𝐫𝐢𝐭𝐚/𝐇𝐞𝐢𝐝𝐞𝐥𝐛𝐞𝐞𝐫𝐩𝐟𝐨𝐭𝐞 ♡

𝐖𝐀𝐑𝐑𝐈𝐎𝐑 𝐂𝐀𝐓𝐒 | die erste prophezeiungWo Geschichten leben. Entdecke jetzt