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„Es ist als wäre dein Herz an zwei Orten gleichzeitig, deine Augen aber nur an einem davon"

Ich schickte ein letztes Stoßgebet in den Himmel, als Frau Riesig ihren Satz beendete: „setz dich neben Luke, in die zweite Reihe." Halleluja! Erleichtert atmete ich auf, während sich die Neue auf den Weg zu Luke machte, unserem Klassenbesten. Sofort fing Frau Riesig mit ihrem Matheunterricht an, aber ich war nur halb bei der Sache. Immer wieder versuchte ich eine Verbindung zwischen meinem Traum und meiner neuen Mitschülerin herzustellen. Gab es denn überhaupt eine? „Das war doch eigentlich unmöglich? Oder etwa nicht? Selbst wenn diese Liv gemeint war, warum standen unsere Namen dann in einem Herzen, ich kannte sie doch noch nicht mal. Außerdem hatte die Stimme doch gesagt, ich habe mein Herz an jemanden verloren. Es war doch absolut unmöglich, dass diese Stimme hell sehen konnte und wusste, dass sie meine neue Mitschülerin werden sollte. Und Überhaupt, mit diesem Start gestern hätte zwischen uns beiden eh nie etwas sein können! Da war ich mir ganz sicher. Naja, wobei... Doch! Ich war mir sicher, außerdem würde sie ja eh nur drei Monate hier in Sidney bleiben..." So kreisten meine Gedanken, bis mich irgendwann Remy antippte: „Ey Kumpel, alles klar bei dir? Du wirkst so abwesend!" Murmelnd antwortete ich, dass ich es ihm später erklären würde und versuchte dann, mich den Rest der Stunde auf den Unterricht zu konzentrieren, was besser klappte als gedacht. Dazu sollte man sagen, meine Erwartungen waren niedrig. Sehr niedrig. Wenn man sie mit einer Ameise verglichen hätte, hätte die Ameise sich gefühlt wie ein Riese und wäre voller Stolz zu ihrem Ameisenhaufen gelaufen und hätte allen ihren krabbelnden Freunden erzählt, dass sie gewachsen sei und jetzt zum King der Ameisen ernannt werden sollte.

Am Ende der Stunde packte ich meine Sachen ein und lief mit Remy auf den Flur zu unseren Schließfächern. Glücklicherweise waren sie nebeneinander und ich konnte ihm nebenbei von meinem Traum erzählen und dass Liv das Mädchen vom Vorabend aus dem Café war. Interessiert und amüsiert hörte er zu und wollte gerade etwas erwidern als es klingelte und Remy sich mit einem „wir reden später drüber" verabschiedete und lossprintete. Er hatte als Nächstes Deutsch und ich verstand warum er es plötzlich so eilig hatte. Bei seinem Deutschlehrer zu spät zu kommen, war nichts was man sich zum Geburtstag wünschte. Wenn man da eine Stunde Nachsitzen und ein Referat bis auf die nächste Woche bekam, war man noch sehr gut weggekommen. Ich wiederum machte mich gemütlich auf den Weg zu meinem nächsten Fach, Psychologie. Es war ein Wahlfach und eindeutig mein Lieblingsfach. Mein Lehrer war immer super gechillt drauf und trotzdem lernten wir dabei etwas. Er selbst kam immer fünf bis zehn Minuten zu spät, deswegen schlenderte ich langsam durch den sich leerenden Schulflur und wollte gerade zum Getränkeautomaten laufen um mir eine Cola zu kaufen als ich sie sah. Im Licht der morgendlichen Sonne, die durch ein Fenster fiel, glänzten ihre Haare und ihre Augen leuchteten als sie ihr Gegenüber anlachte. Mir fiel auf, dass ich am Morgen ganz verdrängt hatte, wie hübsch sie eigentlich war. Als mein Blick auf ihr Gegenüber fiel, verdrehte ich die Augen. Wer stand da wohl und hob gerade, aus Spaß den Finger, wahrscheinlich um Liv zu belehren? Luke. Wie sie nur an jemanden wie ihm ihr Lachen verschwenden konnte. Er hatte es nicht verdient. In seinem Kopf befand sich doch eh nichts anderes als irgendwelche Formeln und sowas. Man sollte seinen Namen zur Definition von „Streber" in den Duden aufnehmen. <Streber, Nomen, andere Bezeichnung: Luke Stith.>

Da die beiden vor dem Getränkeautomat standen und ich eher weniger interessiert daran war an ihnen vorbeizulaufen, verzichtete ich auf meine Cola und machte mich direkt auf den Weg zu Psychologie. Ich kam zeitgleich mit unserem Lehrer, der mich mit einem freundlichen Grinsen und einem Schulterklopfen begrüßte. Gemeinsam betraten wir das Klassenzimmer, ich setzte mich auf meinen Platz und der Unterricht begann.

Später in der Mittagspause machte ich mich auf den Weg in die Cafeteria um mir etwas zu essen zu holen und damit dann zu meinem üblichen Essensplatz zu gehen, an dem mich meistens schon der Rest meiner Band erwartete. Gerade hatte ich mein Essen auf dem Tablett und wollte rausgehen, als ich von Derek aufgehalten wurde. Überrascht schaute ich ihn an. Wenn er sich in seiner Mittagspause auf die Suche nach mir machte, konnte dass nur heißen, er hatte eine neue Freundin, er hatte seine Freundin betrogen, er war Single, hatte kein Geld mehr für einen Joint und ich sollte ihm etwas „leihen" oder seine Lieblingsbasketballmanschaft hatte verloren. In diesem Fall, war es aber nicht die Tatsache dass die Mannschaft verloren hatte wieso er zu mir kam, sondern die Tatsache, dass er eine Dauerwette mit Einem aus seiner Clique hatte, bei der er wenn seine Mannschaft verlor Geld zahlen musste. Geld, das er eigentlich nicht hatte. Naja, Verhütungsmittel, Drogen und Alkohol kosten nun mal auch ihr Geld. Deswegen musste hin und wieder ich seine Wettschulden begleichen. Auch das, war schon immer so in unserer Freundschaft.

Der Junge aus HeartlandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt