Kapitel 4

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Alex

Nachdem Phil abgehauen ist und mich in seiner Wohnung zurückgelassen hat, wollte ich mit jemandem reden. Jemandem meine Gedanken anvertrauen, denn schon meine Mutter hat mir beigebracht, dass reden hilft. Nur zu wem sollte ich gehen? Die meistens meiner Freunde waren arbeiten, Maik war immer noch in Sachsen und Luke vermutlich schon auf der nächsten Sauftour.
Doch eine Person hatte heute keinen Dienst, Paula.
Deshalb bin ich zu ihr gefahren, sie hat mich sofort hereingebeten und jetzt sitze ich an ihrem Küchentisch.
Ich habe Paula kennengelernt als ich neu auf die Wache kam. Wir sind am Eingang fast ineinander gelaufen und da ich nicht wusste wohin ich gehen muss, hat sie mir den Weg zum Büro des Chefs gezeigt. Ich fand sie auf Anhieb sympathisch. Und mit der Zeit sind wir gute Freunde geworden. Ich kann immer mit ihr reden, und sie mit mir. Als ich damals gemerkt habe, dass ich Gefühle für Phil habe, hat sie mir auch geholfen.
„Hier" Paula stellt eine blau gestreifte Tasse auf den weißen Tisch. Ich lächle dankend und sie setzt sich auf den Stuhl gegenüber von mir. Sie hat ihre braunen Haare, wie fast immer zu einem Pferdeschwanz hochgesteckt. Im Gegensatz zu mir hat sie auch ordentliche Klamotten an. Denn während sie ein langes dunkelgrünes Oberteil und eine lange hellblaue Jeans trägt, stecke ich in einer dunklen Jogginghose, kombiniert mit einem schlichten dunklen Shirt.
„Also was ist los? Du kommst mich doch nicht nur einfach so besuchen." Sie lächelt und trinkt aus einer roten Tasse. Ich hab gar nicht bemerkt, dass sie nicht nur mir eine Tasse besorgt hat.
„Es geht um Phil." Die Tasse klappert, als ich sie hochhebe und einen Schluck Kaffee trinke. In Paulas Gesicht ist etwas, obwohl vermutlich bilde ich mir das nur ein.
„Oh, was ist los?" Mit einem leisen Geräusch stelle ich die Tasse zurück auf den Tisch.
„Ich weiß nicht ganz wo ich anfangen soll. Es ist eben so, dass Phil nicht mit mir redet. Das hat auch bestimmte Gründe, aber die will ich ohne sein Einverständnis nicht ausführen. Was mich stört ist, dass ich das Gefühl habe Phil traut sich nicht mit mir zu reden. Dabei würde ich ihm so gerne bei seinen Problemen helfen, aber er lässt mich nicht." Sie nickt vor sich hin und setzt dann erneut ihre Tasse zum trinken an. Ein paar Sekunden später steht die Tasse wieder auf dem Tisch.
„Also es ist natürlich kompliziert das ohne Hintergrundinformationen zu beurteilen, aber wahrscheinlich will Phil dich nicht nerven." Bei dem Wort nerven setzt sie mit ihren Fingern Anführungszeichen in die Luft. „Oder er will dich nicht mit seinen Problemen belasten. Das ist zwar für dich blöd, aber so denkt das menschliche Gehirn nunmal." Paula rückt mit ihrem Stuhl ein Stück zurück, wobei ein unangenehmes Quietschen entsteht.
„Vermutlich hast du Recht." Ich schiebe meine Tasse ein Stück nach rechts, um meine Hände auf dem Tisch zu platzieren. „Meinst du ein Therapeut könnte ihm helfen?" Ein wenig verwundert schaut mich Paula mit ihren grünen Augen an. „Therapeut? Also dann muss ihm ja was echt krasses passiert sein." Als hätte sie grade erst realisiert was sie gesagt hat, schlägt sie sich die Hand vor den Mund. „Sorry, so wollte ich das jetzt nicht sagen." Ich erhebe erneut die Tasse und trinke einen Schluck. „Schon gut."
Es schabt, als ich meinen Stuhl zurückschiebe. Irgendwie ist mir seit heute Morgen nicht so gut. Ich bin irgendwie erschöpft und der Streit mit Phil hat das Ganze nicht besser gemacht. „Ich geh kurz aufs Klo."
Als ich aufstehe ist mir ein wenig schwindelig, fast wie gestern am See. Ich gehe ein paar Schritte. Kurz vor der Tür, die sich hinter Paulas Rücken befindet, wird es schlimmer. Außerdem ist dieser komische Druck auf der Brust wieder da. Als würde jemand meinen Brustkorb zusammendrücken. Ich kann das Pochen meines Herzens in meinen Ohren hören. Kommt es mir nur so laut vor? Reflexartig lege ich mir die Hand auf den Brustkorb. Plötzlich schießt ein stechender Schmerz durch meine Brust. Ich keuche auf und sacke in die Knie. Kann das bitte aufhören.
„O Gott Alex!" Ich höre das Geräusch eines umfallenden Stuhles. Dann taucht ein Schatten neben mir auf. Jemand kniet sich zu mir. Eine zarte, aber auch kraftvolle Hand legt sich auf meine Schulter. „Was ist los?" Das ist Paulas Stimme. Doch im Gegensatz zu sonst klingt sie panisch. Im Normalfall ist sie ein Profi darin, in Notfallsituationen ruhig zu bleiben. Was ist bei mir anders?
„Alex!" Da ich schon wieder das Gefühl habe keine Luft zu bekommen, kommt nichts außer einem krächzen aus meiner Kehle.
„Kriegst du keine Luft?" Ich schüttel den Kopf. Sie steht auf und läuft zurück zum Tisch. Kurz ist es still.
„Ja hier ist Paula Martinson. Wir haben hier eine akute Atemnote, Ursache unklar, in der Plasterstraße 24." - „Ja ich weiß was zu tun ist. Ich bin selber Notärztin.- Danke" Sie legt auf und kommt zu mir zurück.
„Ok, ein RTW ist gleich da. Kannst du aufstehen? Nur um auf den Stuhl zu kommen." Unsicher nicke ich. Dabei versuche ich nicht in Schnappatmung überzugehen. Ich höre wie ein Stuhl über den Boden gezogen wird. Dann greifen mir zwei Hände unter die Arme. „Bereit?" Erneut nicke ich und drücke mich vom Boden ab. Paulas Hände stützen mich und ich spüre den Stuhl unter mir.
Paula drapiert mich in den Kutschersitz. „So kriegst du es hin beim ausatmen die Lippenbremse einzusetzen?" Ich nicke, da ich mich anders nicht verständigen kann.
Ich wende die Lippenbremse an, aber es wird nicht besser. Der Druck auf meiner Brust wird größer und ich immer müder. Ich stoppe mit der Atemübung, da kleine schwarze Punkte vor meinem Sichtfeld erscheinen.
„Alex!"
Die Dunkelheit nimmt über und lässt mich Teil von ihr werden.

Streit zwischen Liebe und Tod Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt