Kapitel 1

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10:50 Uhr

Ein bisschen später als geplant betreten Alex und ich den Aufenthaltsraum der Rettungswache. Wenn ich ehrlich bin, ich mag diesen Raum nicht sonderlich. Er ist zwar groß, bietet eine große dunkle Couch und einen langen Holztisch und einen Fernseher, aber das ist alles nicht so meins. Außerdem sind fast alle Kollegen in diesem Raum und um ehrlich zu sein bin ich Morgens kein besonders sozialer Mensch.
Deshalb führt mich mein Weg, wie sonst auch immer, direkt in die Küche. Natürlich erst nachdem ich ein, gespielt gut gelauntes „Guten Morgen" in den Raum geworfen habe. Ich habe nicht wirklich darauf geachtet, wer genau im Raum sitz, aber das werde ich ja später eh sehen.
Die Tür zur Küche schwingt auf und ich bin froh nur eine Person im Raum zu sehen. Doch beim genauerem Hinsehen hader ich etwas. Denn die Person mit den langen braunen Haaren ist niemand anderes als Paula. Na toll. Es ist nicht so, dass ich Paula nicht mögen würde, es ist nur, sie ist in Alex verliebt. Also ich denke nicht das Alex das überhaupt rafft und auch die Anderen Kollegen merken es nicht. Doch ich merke es. Sie ist nicht gemein zu mir, nein, ganz im Gegenteil. Wir sind eigentlich gute Freunde. Nur, ich sehe ihre traurigen Blicke, wenn sie mich und Alex zusammen sieht. Ich merke, dass sie den Raum verlässt, sobald es um die Beziehung zwischen Alex und mir geht. Und manchmal wirft sie mir komische, fast böse, Blicke zu. Trotzdem versuche ich so zu tun als wüsste ich nichts von ihren Gefühlen.
„Morgen", sage ich und lächle dabei, um gute Stimmung in den Raum zu bringen.
Sie blickt von ihrem Handy auf, erkennt mich vermutlich, aber lächelt dann zurück.
„Hey" Schnell senkt sie ihren Blick wieder und tippt weiter auf ihr Handy ein.
Leider steht sie genau neben der Kaffeemaschine. Super. Nachdem ich den runden, meist zu kleinen, Tisch umrundet habe, tippe ich ihr auf die Schulter. Abermals blickt sie auf. Irgendwas liegt da in ihren grünen Augen, aber ich weiß nicht was es ist.
„Darf ich kurz?", frage ich und deute dabei lachend auf die schon alte Kaffeemaschine. Sie folgt meinem Blick und geht dann zur Seite.
„Sorry, äh, ich wollte jetzt eh zu den Anderen gehen."
Fast schon fluchtartig verlässt sie den Raum. Kann es sein, dass sie seit letztem Donnerstag, als wir zusammen Schicht hatten, noch komischer geworden ist? Oder bild ich mir das ein?

11:15 Uhr

Ich habe die Küche immer noch nicht verlassen. Paula scheint sich in meiner Nähe unwohl zu fühlen und dann ist es wohl besser wenn wir nicht zusammen in einem Raum hängen.
Das leise ticken der Uhr hängt mir im Ohr. Diese Stille ist schon erdrückend, vor allem weil man dann nur seine eigenen Gedanken hört. Gedanken die einem sagen was man falsch gemacht hat. Die einem sagen, dass man Dinge hätte anders machen müssen. Gedanken die einem sagen, dass man die starke kräftige Hand, die das Handgelenk festhält und sich in die Haut einbrennt, immer noch spürt. Das man verdient, dass sie wiederkommt.
Das knarzen der Tür unterbricht mich. Ich drehe mich um und sehe Alex der den Raum betritt. In seinem Gesicht liegt Sorge. Wegen mir? Oder weil es ihm wirklich nicht so gut geht wie er behauptet?
„Was machst du denn hier?" er setzt sich auf den Stuhl neben mir. „Ich trinke nur meinen Kaffee.", antworte ich und hebe die blau gestreifte Tasse in meiner rechten Hand. „Und warum hier? Du kannst auch zu uns kommen." Wieder dieser traurige Blick von Alex. „Ich fühl mich hier wohler." Es ist die Wahrheit, oder? Ein Schatten legt sich über das Gesicht meines Freundes.
„Warum?"
Hah, die Frage, die ich in meinem Leben schon so oft gehört habe.
Warum hast du nie was gesagt?
Warum bist du so empfindlich, wenn man dich berührt?
Warum redest du nie über ihn?
Warum ist er so geworden?
Warum muss ich dich Mitten in der Nacht betrunken aus einem Club abholen?
-
Das laute piepen unterbricht meine Gedanken und die Unterhaltung mit Alex. Ich springe auf, Alex auch. Er schaut auf seinen Melder. „Autounfall auf der A3, mehrere leicht und zwei Schwerverletzte." Scheiße. Wir laufen zu den Fahrzeugen. Mein heutiger NF-Fahrer und Freund Franco wartet bereits auf mich.
Autotüren knallen zu und fast alle Fahrzeuge unserer Wache fahren mit Blaulicht Richtung Kölner Autobahnring.

Streit zwischen Liebe und Tod Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt