Streit zwischen Liebe und Tod

Kapitel 5

Phil

„Danke" Ein Lächeln breitet sich in meinem Gesicht aus. Endlich konnte ich Mal alle meine Sorgen rauslassen. „Klar, dafür sind Freunde doch da." Wir sitzen immer noch nebeneinander auf dem Sofa, nur das unsere Tassen mittlerweile leer getrunken sind. Mein Blick fällt wieder auf das Bild, das auf dem Schrank gegenüber steht. Das Bild mit dem Jungen und einem älteren Mann. Sie stehen nebeneinander und grinsen in die Kamera.
„Das ist mein Dad als er zehn war und der Mann daneben ist mein Großvater."
Überrascht schaue ich Flo an. „Wieso sagst du mir das?" Ein sanftes Lächeln gleitet über seine Lippen. „Ach komm, du starrst das Bild schon die ganze Zeit an. Es hat dich interessiert. Außerdem hast du mir jetzt so viel über deinen Vater erzählt, dann solltest du auch was über mich wissen."
Sollte?
„Du musst mir nichts erzählen, wenn du nicht willst." Flo steht auf und geht zum Bild. Er nimmt es hoch und dreht sich wieder in meine Richtung. Vorsichtig streicht seine Hand über das Bild. Irgendwie sieht er traurig aus. Seine Augen wirken trostlos.
„Mein Vater war ein guter Mensch. Er hat alles mit mir gemacht. Angeln, wandern, Fahrradreifen flicken, segeln, er hat mir selbst beigebracht wie man kocht. Er war immer für mich da, wenn meine Mutter Abends lange Arbeiten musste oder wenn sie auf Geschäftsreise war. Er hat mir fast alles beigebracht was ich heute kann. Einmal hat er sich beim Holzhacken verletzt und danach ist er eigenständig in die Notaufnahme gefahren. Mein Vater war für mich immer unbesiegbar. Aber das war er nicht. Als ich fünfzehn war ist er an Prostatakrebs gestorben."
Shit
Flo lässt das Bild sinken und stellt es zurück auf den Schrank. Ich stehe auf. Warum? Keine Ahnung. Was soll ich jetzt sagen?
Genau in dem Moment klingelt mein Handy. „Sorry" Flo lächelt verständnisvoll. Als ich auf das Display schaue, sehe ich Paulas Namen. Was? Seit wann ruft Paula mich an? Zumal sie mich auch nicht sonderlich mag. „Du guckst so komisch. Wer ist es?" Ich schaue kurz auf. „Paula" Ich ziehe den grünen Höhrer zur Seite und halte das Handy an mein Ohr.
„Ja?"
Stille. Dann ein Schluchzer.
„Phil?"
„Ja, Paula was ist los?" Sie würde mich nicht ohne Grund anrufen.
„A-Alex" Nein, nein, nein. Bitte nicht.
Wieder herrscht Stille.
„Paula! Was ist mit Alex?" Durch meine laute Stimme blickt Flo besorgt auf.
„Er..nein..also..komm am Besten in die Klinik am Südring. Er ist..Gott..."
Die Stille aus der Leitung wird durch das pochen in meinen Ohren unterbrochen. Langsam gleitet mir das Telefon aus der Hand. Allerdings steht Flo schon neben mir und fängt es auf.
„Phil?" Er rüttelt leicht an meiner Schulter. Als ich ihn anschaue liegt Besorgnis in seinem Blick. „Was hat Paula gesagt, was ist mit Alex?" Ja, was ist mit Alex? Gott, was wenn ihm was schlimmes passiert ist? Dann sind wir im Streit auseinandergegangen.
„Alex ist in der K.a.s. (Klinik am Südring). Sie hat aber nicht gesagt warum. Sie hat nur...Gott was wenn er...-„ „Nein, Phil denk nicht so negativ. Und jetzt komm, ich fahr dich." Dankbar folge ich ihm. Hoffentlich geht es Alex gut. Was mach ich sonst?

-

12:35 Uhr

Nervös und am zittern betrete ich das Krankenhaus, dicht gefolgt von Flo. Sofort fällt mir Paula in den Blick. Sie sitzt im Wartebereich und hat ihren Kopf in ihren Händen vergraben. Was soll ich jetzt sagen? Ich will doch nur wissen was mit Alex ist.
„Wieso bleibst du stehen?" Flos Hand ruht wieder auf meiner Schulter. Anscheinend erkennt er Paula dann. „Scheiße"
Wir gehen auf Paula zu. Als sie uns bemerkt hebt sie den Kopf. Ihre grünen Augen sind gerötet und man kann deutlich erkennen, dass sie geweint hat. „Hey" Flo setzt sich neben sie. „Was ist denn passiert?"
Moment, warum heult Paula jetzt eigentlich? Ach stimmt, sie ist in meinen Freund verliebt. In meinen Freund. Ich sollte heulen, oder?
„Alex ist nach eurem Streit zu mir gekommen.", erklärt sie an mich gerichtet.
Nach unserem Streit ist Alex zu Paula gegangen? Pf.
„Er hat mir erzählt was ihn bedrückt."
Er hat es ihr erzählt. Was und wie viel hat er ihr erzählt? Er hat doch nicht etwa...
„Er wollte dann kurz den Raum verlassen und dann hab ich nur was hinter mir gehört. Alex lag am Boden und hat keine Luft mehr bekommen...der Sanitäter hat gesagt, es war eine....Gott...eine Herzrhythmusstörung." Sie schluchzt laut auf. Einige Tränen laufen ihre Wangen herunter. „Es war so schlimm....und dann ist er auch noch bewusstlos geworden." Flo legt ihr freundschaftlich den Arm um die Schulter. „Es wird schon alles gut sein. Du weißt doch wie gut die Ärzte hier sind."
Zu viel.
Herzrhythmusstörung? Ich wusste das etwas mit ihm nicht stimmt. Scheiße, Scheiße, Scheiße. Ich wusste es!
Ich hätte es verhindern können! Wieso sind wir auch im Streit auseinandergegangen?
Und warum spielt sich Paula so auf?
Ne
Warum spiel ich mich so auf?

-

13:32 Uhr

Als Freddie aus der Kardiologie kommt, sind Paula und Flo grade nicht da. Paula wollte auf Klo und Flo hat drauf bestanden mitzukommen, um sicher zu gehen, denn Paula sah ziemlich fertig aus.
Ich stehe sofort auf. „Was ist mit ihm?" Freddies braune Augen sehen unter seiner Brille sehr bedrückt aus.
„Phil, eigentlich ist es ganz gut, dass du grade allein bist. Ich muss dich nämlich bitten zu gehen."
Das ist doch jetzt nicht sein Ernst.
„Was? Warum?" Meine Hand gestikuliert, ohne das ich es beabsichtige.
„Also im Grunde musst du nicht gehen, aber Alex möchte dich nicht sehen. Deshalb ist es für dich ohnehin zwecklos hier zu warten. Tut mir leid."
Alex möchte dich nicht sehen. So Phil jetzt bist du wieder Single.
„Ok"
Ich drehe mich um und gehe Richtung Ausgang. Sieh es ein, er hasst dich. Vielleicht hat er sich auch in Paula verliebt.
„Warte nochmal kurz." Kurz bevor ich den Ausgang erreiche, kommt Freddie mir hinterher.
„Alles in Ordnung?" Nein „Ja" Er mustert mich skeptisch. „Sicher?" Nein „Ja, kannst du Flo sagen, dass ich wieder nach Hause gefahren bin?" Sein Blick scannt mich, aber schließlich nickt er.
Dann verlasse ich das Krankenhaus. An der nächsten Bank halte ich an und setze mich. Ich senke meinen Kopf.
Warum? Was hab ich falsch gemacht?

Das ist deine Schuld, nicht meine. Warum machst du so eine Scheiße? Meinst du das hilft dir? Ehrlich Phil, ich bin grade wirklich enttäuscht von dir.

Die ersten Tränen laufen meine Wangen hinab. Soll das jetzt das Ende sein?

15.03.2024, Freitag

Kann man aufwachen wenn man nicht geschlafen hat? Wahrscheinlich nicht. Wie nenn ich es dann?
Ich steige aus meinem Bett, nachdem ich die ganze Nacht nicht schlafen konnte. Ich schlurfe in die Küche. Frühstück? Wirklich Hunger habe ich nicht.
Alex will dich nicht sehen
Mein Weg führt mich ins Bad. Als ich nach meiner Zahnbürste greifen will bemerke ich, dass zwei im Becher stehen. Meine rot gestreifte Zahnbürste und ... die blaue von Alex.
Alex, Alex will dich nicht sehen
Ich unterdrücke meine Tränen, nehme Alex Zahnbürste und schmeiße sie in in den Mülleimer. Alex wird bestimmt nicht wiederkommen.
So eine Scheiße. Ich war kurz davor Alex die ganze Wahrheit zu sagen. Er ist der einzige dem ich vertraue und jetzt? Es wird wohl für immer mein Geheimnis bleiben.