𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟕

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𝐋𝐢𝐥𝐢𝐚𝐧𝐚

„Jetzt nur noch rechts und dann sind wir da." Erklärt mir Madison. Ich laufe rechts entlang und sehe ein Gebäude, das so ähnlich aussieht wie das von meiner Wohnung.

„Ist das eure Wohnung?" Frage ich sie und zeige auf die mittigen Fenster. Die beiden nicken und laufen schnell zur Tür, die sie aufschließen. Luisa und ich treten ein. Sie schaut nachdenklich aus, schon wieder.

Wir nehmen den Aufzug in die dritte Etage. Es sieht aus, als hätte das Gebäude sechs Etagen, also sehr viel größer und höher als das Gebäude, in dem ich wohne. Ich sehe mich um. Es sieht alles genauso aus, wie Madison und ich es machen wollten. Wir beide wollten genau so eine Wohnung als WG, genauso eingerichtet.

Die Couch ist groß und beige, die Küche ist hell gehalten, und es sind viele Pflanzen zu sehen, aber keine hässlichen, sondern schöne rosa Tulpen am Fenster. Es sind Bilder zu sehen, wie die beiden zusammen alles machen, was Madison und ich machen wollten, was mir mein Herz ein bisschen zerbricht. Wie leicht man ersetzt werden kann und nichts dagegen machen kann, es ist, als würde man weggeräumt werden, in eine Kammer, wo die Person, die einen eingesperrt hat, nie wieder reingeht und sich jemand Neues gesucht hat.

Ich habe Alesia als meine beste Freundin, die ich nicht mehr sehen kann.

„Wie findet ihr es?" fragt uns Madison mit einem Lächeln im Gesicht und grinst mich dabei an. Sie weiß genau, dass es mir gefällt, weil wir es so geplant hatten.

„Sehr schön sieht das Ganze hier aus!" schwärmt Luisa mit riesigen Augen. Ich setze mich einfach auf die wirklich bequeme Couch.

„Okay, erzählt, wieso braucht ihr jetzt Hilfe?" fragt mich Madison und lässt sich auch auf die Couch mit Angela nieder. Luisa setzt sich neben mich.

Ich kann ihnen jetzt nicht erzählen, dass wir mit den Söhnen eines Mafiabosses verheiratet sind. Die beiden würden uns sofort rausschmeißen. Ich denke scharf nach. Soll ich die Lüge bringen, die ich bei Rafael gebracht habe? Oder doch eine andere erfinden? Vielleicht auch einfach die Wahrheit erzählen? Aber die beiden sind falsch. Ich kann ihnen die Wahrheit nicht erzählen.

Luisa will gerade anfangen zu reden, doch ich platze mit meinen Worten heraus. Sie würde ihnen jetzt die Wahrheit sagen.

„Luisa hat einen gewalttätigen Freund gehabt, der sie stalkt. Es ging so weit, dass er vor meiner Wohnung stand, weil Luisa bei mir geschlafen hat. Deswegen sind wir abgehauen. Ihr kanntet sie noch nicht, weil ich nicht wusste, ob ihr sie mögt. Wir sind weit weg gefahren, und dort hat er uns vorgestern wieder verfolgt, weshalb wir hierhin sind. Wir wissen aber, dass er definitiv nicht hier aufkreuzen wird, keine Sorge." Erkläre ich ihnen in Lügen. Mein ganzes Leben besteht aus Lügen.

Ich musste in der Schule lügen, weil ich immer wieder von meinem Vater blaue Flecken hatte oder Ähnliches. „Liliana, was hast du da?" ging es in der Grundschule schon los. Jede Antwort war eine andere, jede Antwort war eine Lüge.

„Das klingt schlimm." gibt Angela von sich und schaut Luisa mitleidig an. Ich setze eine gefühlte Maske auf. Die beiden sollen bloß nicht erkennen, dass wir beide lügen. Madison sieht aus, als würde sie keine Worte finden. Sie schaut so erstaunt in meine Augen, was sie früher auch gemacht hat.

„Das tut mir so leid, Luisa." fängt sie leise an und umarmt sie. Sie war schon immer ein Mensch, dem andere Leute immer leid getan haben. Egal, ob welche hingeflogen sind oder gestolpert, sie wollte immer, dass es ihnen gut geht. Nach zwei Minuten löst sie sich von ihr und nickt. Sie lächelt sie an, was Luisa ihr nachmacht.

„Wollen wir Abendessen?" fragt Madison jetzt und wir nicken. Sie steht wieder auf und verschwindet in der Küche.

„Deckt ihr schon mal den Tisch?" fragt sie uns. Ich schaue Angela fragend an, da ich nicht weiß, wo die Teller und sowas sind. „Genau da, wo ihr es geplant habt, Lil." antwortet sie auf meinen fragenden Blick. Ernsthaft? Sie haben genau den Plan benutzt, den ich mit Madison geplant habe?

Ich gehe zur Schublade, die unter dem Herd ist, und hole dort vier Gabeln und vier Löffel heraus. „Die Teller sind gegenüber vom Waschbecken im Schrank." gebe ich Luisa Bescheid. Auch sie holt vier Teller heraus und wir stellen sie auf den Tisch.

„Wo schlafen Luisa und ich eigentlich?" hake ich nach, da ich keine Ahnung habe.

„Entweder auf der Couch oder ich kann euch eine Luftmatratze aufpumpen." beantwortet wieder Angela meine Frage. Ich kann sie seit Anfang an nicht leiden und weiß nicht, warum.

„Was wirst du kochen?" fragt diesmal Luisa Madison.

„Spaghetti Bolognese." beantwortet sie sofort die Frage. Sie weiß, dass es mein Lieblingsessen war. Ich setze mich schon mal auf den linken Stuhl und Luisa setzt sich neben mich. Wir können hier nicht für immer bleiben. Wo können wir hin? Einen Flug buchen? Einfach weglaufen? Nein, das würden sie rausbekommen. Sie suchen wahrscheinlich überall nach uns, was nicht gut sein wird.

„Wisst ihr, wo ihr bald hingeht?" fragt Madison mich, als könnte sie Gedanken lesen.

„Ihr bleibt erstmal hier." bestimmt Angela. Ich bin verwundert genauso wie Madison. Wieso will sie bitte, dass wir hier bleiben? Diesem Mädchen traue ich nicht. Null. Niemals. Jede Sekunde kann etwas passieren, jede Minute kann etwas passieren, jede Stunde kann etwas passieren. Zu jedem Zeitpunkt kann etwas passieren, was ich nicht weiß.

„Das dauert jetzt noch ein paar Minuten." gibt Madison uns Bescheid. Sie steht am Herd und wartet, bis die Nudeln fertig sind.

༻༺

Als diese Minuten vorbei sind, kommt Madison mit den Töpfen auf den Tisch zu. Ich lege schnell einen Topfuntersetzer drunter. Die anderen nehmen sich erst etwas zu essen und dann ich. Eine kleine Menge von Spaghetti und Soße, großen Hunger habe ich nicht mehr, seit wir weg sind. Die Angst frisst meinen Magen auf.

„Guten Hunger!" wünschen Madison und Angela gleichzeitig. Ich murmele es nur zurück und genieße mein Essen. Ich esse es bis zur letzten Spaghetti leer und es ist währenddessen ruhig. Man hört nur Gabeln, niemand redet. Es ist aber gut so. Ich möchte gar nicht mit ihnen reden.

Mein Teller ist leer und die anderen essen immer noch. Ich warte. Ich denke darüber nach, ob Luisa und ich morgen nochmal im Café arbeiten sollen oder nicht. Sollen wir in der Wohnung weiter bleiben? Wir brauchen unbedingt etwas Neues. Wir können nicht länger in der Umgebung sein. Sie werden uns sonst bald finden.

Setting off into the unknown futureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt