𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟐𝟏

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𝐃𝐚𝐫𝐢𝐨

Ich hoffe, dass ich mich gerade verhört habe. Sie möchte nicht mehr auf dieser Welt sein?

Ich würde ihr alles geben, was sie braucht, damit sie bei mir bleibt. Sie bettelt darum, dass sie nicht mehr auf der Welt sein will.

„Mi Amor, du musst auf dieser Welt sein, sonst überlebe ich das nicht," versuche ich, sie zum Schmunzeln zu bringen und bleibe weiter auf meinen Knien.

Vor zwei Jahren hätte ich noch gesagt, dass ich niemals für eine Frau sterben würde und niemals mich vor sie knien würde, doch Liliana löst etwas in mir aus, was ich nicht beschreiben kann.

Sie gibt ein kleines Schmunzeln von sich, was mich ansteckt und glücklich macht.

Sie weint schon wieder. Wenn sie weint, fühlt es sich an, als würde etwas in mir brechen.

Ich will nicht, dass es ihr schlecht geht. Ich möchte nicht, dass sie traurig ist. Irgendwas ist passiert, und ich weiß nicht, was.

Sie lässt sich kaum von mir anfassen. Will sie das einfach nicht, oder gibt es einen anderen Grund?

Ich stehe auf, und sie zuckt schon zusammen. Langsam setze ich mich neben sie.

„Wieso hast du Angst vor meinen Bewegungen? Wieso hast du Angst, wenn ich dich anfasse?" frage ich sie vorsichtig und lasse meine Hände bei mir. Zu gerne würde ich sie in meine Arme nehmen und fest umarmen, weil es ihr nicht gut geht.

Sie zuckt mit den Schultern und fasst sich an den Bauch. Was hat sie da?

Wenn irgendein Bastard meinte, sie anzufassen, bringe ich ihn um. Nein, schlimmer – ich werde ihn foltern, bis er um den Tod betteln wird.

„Wie soll ich dir helfen, Mi Vida?" frage ich sie, während ich in ihr wunderschönes, perfektes Gesicht schaue.

„Töte mich," erwidert sie kalt, und ich reiße meine Augen auf. „Auf gar keinen Fall," gebe ich beinahe sprachlos von mir.

„Niemals, Liliana, niemals in meinem Leben werde ich dich töten," verspreche ich ihr.

Sie spielt mit ihrem Ehering herum und fängt an, mit ihrem Bein zu wippen.

Ein „Schade" verlässt ihre Lippen. „Daran ist nichts schade," erwidere ich streng. Sie kann nicht tot sein und darf niemals im Leben sterben!

„Du kannst nicht einfach sterben wollen," erkläre ich ihr, doch sie hört mir gar nicht mehr zu.

„Ich werde sowieso sterben." Was redet sie da für einen Unsinn?

„Solange du hier bist, wirst du nicht sterben." Mir passt es gar nicht, dass sie so etwas sagt. Auch wenn es ihr nicht gut geht, der Tod ist eine ernste Sache. Du kannst nie wieder zurückkommen. Erst wenn du tot bist, realisierst du, dass das Leben vielleicht doch besser wäre.

„Doch." Diskutieren wir gerade ernsthaft über ihren Tod?

„Niemals, ich werde alles dafür tun, dass du nicht stirbst. Versprochen." Ich verspreche ihr das, weil ich weiß, dass sie niemals sterben wird. Niemals vor mir. Hoffentlich.

Ich höre nur noch, wie sie etwas flüstert, aber was genau, kann ich nicht entziffern.

„Was ist passiert?" frage ich sie dreimal hintereinander, und dreimal antwortet sie mir nicht.

„Dario, ich will es dir sagen, aber kann nicht." Will sie mir erklären. Wenn sie es sagen will, kann sie es auch sagen. Ich verstehe ihr Problem nicht. Kopfschmerzen machen sich in meinem Kopf breit.

„Wir gehen jetzt schlafen," befehle ich und stehe auf. Sie schüttelt den Kopf.

„Darf ich dich hochnehmen?" frage ich sie und warte auf ihre Antwort. Sie zögert und will alleine aufstehen.

Ich zähle. Zehnmal blinzelt sie, und dann nickt sie. „Ich möchte das aus deinem Mund hören." Ich will wissen, dass sie zu einhundert Prozent in Ordnung damit ist, dass ich sie anfasse, wenn sie schon so schreckhaft auf Berührungen reagiert.

Sie bekommt die Worte „Ja, du kannst mich hochnehmen" nicht aus ihrem Mund. Sie will nicht, dass ich sie anfasse.

„Geh vor," befehle ich ihr wieder, und sie geht vor mir.

Ich kann immer noch nicht glauben, was Javier abgezogen hat. Seine Frau ist nicht hier, aber meine ja. Niemals würde ich die Frau meines Hermano schlagen. Was fällt ihm ein?

Liliana geht die Treppe hoch, und ich folge jedem ihrer Schritte, als wäre sie ein zerbrechliches Glas, das jederzeit kaputtgehen kann. Ich muss auf sie aufpassen, ich muss mich um sie kümmern. Es tut weh, sie so zu sehen. Es sieht aus, als würde sie gegen etwas Unsichtbares ankämpfen, wobei ich ihr nicht helfen kann.

Oben angekommen, bleibt sie vor der Schlafzimmertür stehen und dreht sich zu mir um, sagt aber nichts. Ihre Augen sind so leer, als hätte sie die letzte Hoffnung verloren. Das bricht mir das Herz.

Ich schleiche mich an ihr vorbei und halte ihr die Schlafzimmertür auf. Wir haben vor der Sache mit meinem Hermano nicht mal geschlafen.

„Komm rein," sage ich in einem ruhigen Ton. Sie blickt zu mir, doch zögert. Als hätte sie gerade noch mehr Angst als vorhin. Ich warte ruhig, bis sie einen Schritt nach dem anderen in unser Zimmer setzt.

Als sie endlich reingeht, schließe ich die Tür hinter ihr und beobachte, wie sie auf unser Bett zugeht. Sie setzt sich auf die Bettkante und lässt traurig ihren Kopf hängen. Immer noch spielt sie mit ihren Händen und ihrem Ehering. Sie starrt nur auf diesen Ring und bleibt still.

„Mi Vida..." will ich ein Gespräch beginnen, doch sie unterbricht mich.

„Sag nichts, Dario. Bitte, sag einfach nichts." Ihre Stimme ist so leise, so zerbrechlich und kaum mehr als ein Flüstern.

Ich bleibe stumm. Ich möchte nicht, dass es sie belastet, aber ich weiß, dass wir darüber reden müssen. Vielleicht nicht heute, aber bald. Dieses Schweigen zwischen uns ist unerträglich und frisst mich auf. Ich weiß, dass es sie auch kaputt macht.

Ich gehe zu ihr, setze mich neben sie, achte darauf, sie nicht zu berühren.

Mein Herz schlägt schnell. Der Drang, sie in meine Arme zu nehmen, ist kaum auszuhalten, aber ich weiß, dass sie das im Moment nicht will.

„Mi Amor, was auch immer passiert ist in der Zeit, wo du weg warst. Wir schaffen das, versprochen," sage ich noch, fast flüsternd, so leise, dass ich mich selbst kaum höre.

Sie schüttelt nur den Kopf. Tränen laufen wieder über ihr Gesicht. Ich hasse es, sie so zu sehen. „Du verstehst es nicht," flüstert sie.

„Dann erklär's mir," sage ich, doch sie schweigt wieder.

Dieses Schweigen... es bringt mich um.

„Liliana, bitte," flehe ich fast, doch sie bleibt still.

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Danke meine lieben, für die 70 Votes beim letzten Kapitel! Schaffen wir die heute wieder?
Gibt gerne Feedback zu diesem Kapitel!!
Eure Sophie 🫶🏼

Setting off into the unknown futureWo Geschichten leben. Entdecke jetzt