8. Vergangenheit

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Tengen's Sicht:

-

Ich starrte ihn an... Der Junge vor mir...

...Es war... Kyojuro!

Ich stieß einen markerschütternden Schrei aus, während ich mich aufrappelte.

Vor Schreck stolperte ich nach hinten, während meine Sicht vor mir verschwamm. Das kann doch nicht sein... Das war nichts außer wieder einer dieser Halluzinationen!... Nichts außer einer verdammten Halluzination.

"KYOJU-..."

Ich stand auf freien Beinen... Doch irgendwie fühlte ich mich so viel kleiner und... weniger muskulös... Und noch ehe ich weiter sprechen, geschweige denn denken konnte, verlor ich das Gleichgewicht und fiel nach hinten.

Ich spürte Kälte, und kurz darauf wurde mein Hören gedämpft, als ich in kaltes Wasser fiel.

Ich spürte scharfe Steine unter meinem Rücken, und Wasser strömte in meine Lungen... Mein Herz hämmerte unaufhörlich. Scheiße! Ein Traum! Bin ich vor Kyojuro... Kyojuros Körper etwa umgekippt und halluziniere gerade. Ich muss nur ertrinken... Nur ertrinken...

Ich kniff die Augen fest zusammen und dachte nur an eine Sache:

Ich muss nicht atmen... Nein... Ich brauche hier keine Luft... Ich muss nur aufwachen... aufwachen... aufwachen-...

"TENGEN!"

Zwei warme Hände packten mich an meinen Handgelenken und zogen mich mit einem schnellen Schwung aus dem Wasser.

Sobald ich wieder an der Oberfläche war, fiel mein Oberkörper nach vorne, und ich begann zu husten und zu prusten, während ich die Augen immer noch zugekniffen hielt.

Es war fast schmerzhaft, wie ich das Wasser wieder heraus hustete, und kurz waren alle meine Gedanken und Sinne für eine Sekunde runtergefahren... Weshalb ich auch fürs Erste keine Notiz von den Händen nahm, die meine Handrücken drückten. Ich war zu beschäftigt, die ganze Flüssigkeit aus meinen Lungen zu husten, wobei ich aber langsam wieder Ruhe und Besinnung fand.

Das war ein Traum... Es konnte nur einer sein... Aber wie konnte sich ein Traum nur so real anfühlen?...

"Geht es dir..."

Bei der vertrauten Stimme zwang ich meine Augen offen zu bleiben, und mein Kopf zuckte mit einem Keuchen nach oben.

Ich blinzelte ein paar Mal, sodass meine Sicht wieder scharf wurde. Ich hob den Kopf.

"...besser?" Ich sah ihn vor mir... Und doch konnte ich es nicht glauben...

Das Gesicht so zart, die Lippen augenscheinlich so weich und zart... Seine Augen, leuchtend als würde ein ewiges Feuer in ihnen lodern, und nichts könnte es löschen...

Ich starrte ihn nur an... Die... Kinderversion von meinem... Meinem... Meinem...

"K-Kyo...juro?"

Kyojuros Augen weiteten sich in Verblüffung, doch sein Lächeln wurde noch etwas breiter. "Na, wer denn sonst!... Hast du dir bei deinem Sturz in den Bach etwa was getan, Tengen?"

Mein Atem wurde schneller, während sich meine Augen mit Tränen zu füllen begannen. Meine Lippen begannen heftig zu zittern, genauso wie der Rest meines Körpers...

Er war es... Die Stimme... Die Augen... Er...

"Tengen?..." Sein Blick wurde noch sanfter... Und die Art, wie er meinen Namen aussprach... Das Schönste, was ich je gehört hatte... Er war es.

"KYOJURO!"

Ich brach zusammen. Schluchzend und zitternd umschloss ich Kyojuros Körper und zog ihn nah an mich ran, und vergrub meinen Kopf in seiner Schulter. Er war so warm... So schön warm... Und er roch auch genauso wie Kyojuro... Er war es... Ganz ohne Zweifel.

"Kyo...juro..." Weinte ich, und festigte meine Arme um Kyojuros warmen Oberkörper nur noch mehr. Kyojuro schien überrascht... Stieß mich aber auch nicht weg...

"T-Tengen?..." Doch ich ließ mich nicht beruhigen. Kyojuro war doch-... Wie konnte er-... Und was-... Was war hier eigentlich los?

"Kyojuro..." Mein Schluchzen wurde leiser, hörte aber nicht auf. Ich hielt Kyojuro in meinen Armen, als wäre sein Leben davon abhängig, sog seine Wärme und seinen Geruch auf...

"...Tengen..." Langsam umarmte mich Kyojuro zurück und legte beide Hände fest um meinen Hals, was mich dazu brachte, noch schmerzerfüllter zu weinen.

"Was ist denn... passiert?" Fragte er leise. Ich wollte sprechen, auf seine Frage antworten... Konnte aber nicht. Die Tränen drohten, mich zu ersticken, und mir blieb nichts anderes als weinen... Weinen... Weinen...

"Tengen..."

Schließlich vergrub Kyojuro auch den Kopf in meiner Brust und klammerte sich stumm an mich fest.

Vielleicht wusste er nicht, was er tun konnte... Vielleicht hatte er akzeptiert, dass ich einfach ihn brauchte... Ihn in meinen Armen...

Und so weinte ich weiter, Kyojuro in meinen Armen... Ich weinte und weinte...

"Du lebst... Du bist am Leben..." Ich schniefte, während ich mich langsam zwang, mit Weinen aufzuhören. Ich zwang mich, ihn vorsichtig, aber ehrfürchtig beide Hände an die Seiten seines Gesichtes zu legen und ihn mir noch einmal richtig anzusehen.

Kyojuros Hände sanken meine Brust herunter und blieben auf ihr ruhen, während er mit großen, funkelnden Augen zu mir hochsah. Seine Wangen fühlten sich warm und weich an, während ich Kreise mit meinen Daumen über diese zeichnete.

Als seine leuchtenden Augen meine wieder trafen, wurde meine Sicht erneut verschwommen, und Tränen liefen über meine Wangen. "O-Oh G-Gott..." Ich legte meine Stirn an seine, während ich wieder leise schluchzte und weinte.

Kyojuros Arme wanderten wieder nach oben zu meinen Schultern und weiter zu meinem Hals und Nacken, an dem er sich festhielt.

"Tengen..." Langsam wanderte seine Hand hoch zu meiner Wange, und ich spürte, wie er mit seinem Zeigefinger meine Tränenspur nachfuhr.

"...Bitte..." Zitternd öffnete ich meine Augen. Kyojuro sah mich an, mit seinem sanften Lächeln. Vorsichtig wischte er meine Tränen mit seinen Fingern weg, wobei er den Augenkontakt nicht eine Sekunde brach.

"...Hör auf zu weinen... Bitte... Ich..." Nun lagen seine Hände an den Seiten meines Gesichtes. "...Ich möchte dich nicht... weinen sehen..." Ich schluckte. Sein Lächeln... Alles... Oh Gott, bitte... Ich war innerlich so kaputt, ich verstand nichts, und ich wollte einfach weiter mit ihm in den Armen weinen...

Doch seine sanfte Stimme brachte mich dazu, den Rest meiner Tränen wegzublinzeln. "Okay... Ja... tut mir-..."

Ich zuckte zusammen... Bisher war es mir noch gar nicht aufgefallen... Aber... meine Stimme... Mein Herz begann wieder heftiger zu schlagen. Was war mit meiner... Stimme passiert?...

"Ich-... A-Ah..." Unbewusst fasste ich mir an die Kehle und schluckte. Meine Stimme... klang irgendwie... heller...

Mein Blick wich wieder zurück zu Kyojuro. Dieser sah mich etwas verängstigt an... Verständlich... er wusste nicht, was mit mir los war, und wollte mir helfen... So gerne würde ich es ihm erklären... Doch ich wusste es doch nicht einmal selbst...

Ein Gedanke zuckte mir auf einmal durch den Kopf.

"Kyojuro..." Als ich seinen Namen aussprach, sah mich Kyojuro sofort mit noch etwas glitzernden Augen an. Ich befeuchtete meine Lippen bevor ich sprach. "W-... Welches Datum... haben wir?"

1921... Es musste 1921 sein!... Es kann nichts anderes sein... oder?...

Kyojuro blinzelte einmal. "A-Ah..." Er räusperte sich. "N-Nun..." Dann sagte er leise:

"...Wir... haben heute d-den 9. August... Den 9. August...

...19... 1909..."

Meine Kehle wurde trocken... Es stimmte also...

Ich war...

...In der Vergangenheit...

I got no time. | Tengen x Rengoku | UzurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt