9. Ein Traum

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Erzähler Sicht:

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Eine große Gestalt näherte sich dem kleinen Jungen, der in der Ecke kauerte. Er hatte die Hände in seinen Knien vergraben, zitterte vor Angst und Kälte.

Sein einst elegantes Hemd war zerrissen, und die dünne Hose, die einst wohl samtweich war, hing schlaff an ihm.

Die schwarzen Lackschuhe, die er trug, waren das Einzige, was noch halbwegs intakt war, doch auch sie zeigten nur noch matte Verfärbungen anstelle des früheren Glanzes.

Der Junge selbst war nicht besonders groß und hatte eine schmale, fast feminine Statur. Seine Haut war fast schneeweiß, glatt und makellos wie Porzellan.

Seine rosigen Wangen umrahmten zwei Mitternachtsblaue Augen, die wie ein Sternenhimmel funkelten, als wäre eine ganze Galaxie in ihnen gefangen. Ob sie einst heller gestrahlt hatten?

Sein dunkles, nussbraunes Haar fiel ihm glänzend und wunderschön über die Schultern, so dunkel, dass man es leicht für schwarz halten könnte.

Seine langen Wimpern hatten dieselbe dunkle Farbe und schienen diese atemberaubenden Augen zu beschützen, wie ein Schild vor dem unendlichen, tiefblauen Ozean.

Es gab viele Dinge an ihm, die einem sofort auffallen konnten: Wie zart sein Haar und seine Haut waren, wie samtrot seine Lippen schimmerten, wie faszinierend sein perfektes, weiches Gesicht war und wie engelsgleich seine sanfte Stimme klang – so sehr, dass man sie fast für die eines Mädchens halten könnte.

Dieser Junge war die Schönheit in Person. Aber würde das den Mann aufhalten, der ihn ebenso verachtete wie die anderen im Dorf?

Würde es ihn auch nur eine Sekunde lang davon abhalten, ihm aus purem, völlig ungerechtfertigtem Frust Leid zuzufügen?

Oh nein...

Das ist und bleibt...

...nichts weiter als...

...ein Traum.

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Tengens Sicht:

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Ich konnte mich nach Kyojuros Worten an nicht viel erinnern, außer daran, dass ich umgefallen war... Mitten auf der Wiese... Schon wieder in den Bach...

Als ich aufwachte, zitterte ich. Ich konnte meine Augen kaum öffnen, also versuchte ich mühsam, den Schlaf aus ihnen zu reiben... oder zumindest wollte ich das, doch etwas lag auf meinem Arm... oder besser gesagt jemand...

Warme Hände lagen auf meiner Brust, ebenso wie ein Kopf... Ich spürte das weiche Haar an meinem Hals. Ich öffnete die Augen und erkannte die kleine Gestalt, die in meinen Armen schlief. Ruhig atmend, mit geschlossenen Augen, lag Kyojuro auf mir...

Der Wind strich sanft durch seine Haare, während er sein Gesicht weiterhin in meiner Brust vergrub. Er lag fast vollständig auf mir...

Mir wurde warm... Nicht, dass das neu für mich war... Aber... Moment... Vorsichtig strich ich über Kyojuros Hand, die auf meiner Brust lag. Sie war bis zum Knöchel mit einem roten Kimono bedeckt...

...genau, sein alter Kimono!

Ich erinnerte mich... ich erinnerte mich gut! Er hatte ihn jedes Mal getragen, wenn wir uns sahen... Und trotzdem...

Auf einmal fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ein Gefühl von Übelkeit überkam mich, und ich musste mich zusammenreißen, um nicht ruckartig aufzustehen. Nur Kyojuro in meinen Armen hielt mich noch davon ab...

Ich schaute auf meine freie Hand, die die ganze Zeit um Kyojuro gelegen hatte. Keine Ringe... Nur zwei goldene, festgeschnürte Armbänder.

Scheiße... Ich starrte auf meine Hand, die kleiner war, als ich sie in Erinnerung hatte. "Hah..."

Ich legte den Kopf in den Nacken.

Gut. Ich war auf eine unerklärliche Weise acht Jahre in die Vergangenheit gereist. Kyojuro und ich waren wieder Kinder. Keine Panik, keine Panik...

Krampfhaft redete ich mir ein, ruhig zu bleiben, wohl wissend, dass Herumheulen jetzt nichts ändern würde.

Also, durchatmen... Konzentrier dich, Tengen... Was könnte damals passiert sein... oder heute, dass du wieder... als wäre nie etwas geschehen, Kyojuro in deinen Armen halten kannst?

Okay... In meiner Zeit ist Kyojuro... Er ist... er ist...

Ich konnte dieses Wort nicht einmal gedanklich aussprechen... Irgendetwas in meinem Gehirn blockierte es einfach, schob eine Barriere, einen Riegel davor... Was das wohl psychisch über mich aussagte...

Schon... seltsam... Ich war... komplett nass... und trotzdem lag Kyojuro in meinen Armen... Schlafend mit dem Kopf auf meiner Brust...

Ich hoffe, es ist berechtigt zu sagen, dass ich die Welt nicht mehr verstehe... Was war hier nur los?

Vielleicht musste ich... Kyojuro nur...

Vorsichtig strich ich ihm eine Strähne aus dem Gesicht, wobei ich bemerkte, wie kalt er war.

Seine Klamotten waren bis zu den Knien klatschnass... Wahrscheinlich, weil er mich aus dem Bach gezogen hatte.

Oh Gott... Ich will sicher nicht der Grund sein, weshalb Kyojuro zu Tode friert.

„Vorsichtig..."

Ich nahm beide Arme unter Kyojuro und setzte mich etwas auf. Verdammt, sein Haori war an den Ärmeln ja klitschnass...

Vorsichtig, ganz vorsichtig, nahm ich Kyojuro am Arm und zog ein Stück des Haoris an den Ärmeln hoch...

...Als Kyojuro plötzlich schmerzerfüllt aufwimmerte und die Augen aufschlug.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 11 ⏰

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I got no time. | Tengen x Rengoku | UzurenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt