Adeline
Ich bin erschöpft. Dieser Tag hat mich wirklich mehr Energie gekostet, als ich dachte. Gähnend laufe ich den Gang entlang zum Aufzug. Meine Gedanken schwirren wirr umher, meine Patientin Skylar, das Date mit Gary, das merkwürdige Treffen mit Kaffetyp und Smaragdboy in der Mall... Ich schüttele mich und fahre mit den Händen über mein Gesicht. An all das will ich nicht denken. Alles was ich jetzt will, ist nach Hause zu fahren und versuchen zu schlafen.
Draußen angekommen schlägt mir die kalte Nachtluft ins Gesicht. Sofort ziehe ich mir die Lederjacke enger an mich und will mich auf den Weg zu meinem Auto machen, als mir zwei weitere Autos einige Meter neben meinem auffallen, in denen beide Licht brennt. Ein schwarzer BMW und ein silberner Mercedes. Vor dem BMW steht Terrence, der sich gerade einer blonden Frau an den Hals wirft - und mein letztes Fünkchen Sympathie für ihn komplett sterben lässt.
Ich wusste einfach, dass er so einer ist.
Seine Hände fahren durch ihr Haar, bevor er sie dann an der Hüfte an sich zieht. Die Frau lacht auf und legt ihre Arme um seinen Hals. Angewidert wende ich meinen Blick von den Beiden ab und gehe schnellen Schrittes zu meinem Auto. Als ich ausparke, bemerke ich Terrence' Blick. Ich schiele zu ihm herüber und während die Blonde ihm augenscheinlich in den Hals beißt, schenkt er mir ein dreckiges Grinsen und zwinkert mir zu
Wichser.
Terrence
Haben Sie den Verstand verloren? Will ich am liebsten antworten, als mich Dr. Flynn mit einem überfreundlichen Gesichtsausdruck ansieht und erwartet, dass ich ihm auf seine absurde Frage eine Antwort gebe. Er verlangt doch nicht wirklich, den Aufpasser von Adeline und ihrer aufsässigen Patientin zu spielen? Erst flüchtet sie und wird dann auch noch mit einem Spaziergang belohnt?
„Ist das überhaupt erlaubt?", frage ich den Chefarzt stattdessen und ziehe die Augenbraue hoch.
Dr. Flynn lächelt und streicht über sein fein säuberlich zurück gegeltes braunes Haar. „Unter bestimmten Voraussetzungen schon.", antwortet er, worauf mich augenblicklich das Bedürfnis überkommt, dem Lackaffen die Fresse zu polieren. „Die Sicherheit des Patienten muss unter allen Umständen gewährleistet werden, deshalb ist es unumgänglich, dass Dr. Larson für diese Exkursion eine weitere Begleitperson benötigt." Schweigend nicke ich. Da bin ich nicht ganz eine Woche hier, da werde ich nicht nur von Murray gezwungen, Adelines Aufpasser zu spielen, sondern auch noch von meinem neuen Chef. Fuck, könnte ich kotzen.
„Außerdem sehe ich dies als eine perfekte Gelegenheit, um die Beziehung zu einer Ihrer neuen Arbeitskollegen aufzubauen und zu festigen.", Redet Dr. Flynn weiter und rückt seine Brille zurecht. „Dr. Larson ist mit Abstand eine der besten in meinem Team, und möglicherweise gibt sie Ihnen sogar noch ein paar gute Ratschläge, welche Sie dann in Ihrer Arbeit nutzen können um sich zu verbessern."
Hat er mich gerade dumm genannt?
Wenn ich könnte und nicht von Murray bezahlt werden würde, hier zu sein, würde ich den Chefarzt jetzt auslachen und gehen. Im General wäre ich beinahe zum Vorgesetzten der psychiatrischen Abteilung geworden, alle respektierten mich dort, ich konnte mir fast alles erlauben was ich wollte. Außerdem gab es dort heiße Ärztinnen. Und jetzt? Jetzt bin ich in meiner persönlichen Hölle gefangen, in einem heruntergekommenen Krankenhaus, mit einem Chefarzt, der denkt ich sei unfähig und mit Adeline, meinem vorlauten, nervigen Alptraum.
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Reflection
Mystery / Thriller„Jedes Ereignis, jede Tat, jeder Vorfall hat Auswirkungen auf das Glas deines Spiegelbildes. Früher oder später wird dieses zerbrechen, und es wird nichts weiter übrig bleiben als die Glasscherben deines zersplitterten Selbstbildes." Anderen möchte...