3. Auftrag

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Terrence

„Und? Hast du sie schon gefunden?"

Carlyle ist der neugierigste Mensch auf Erden. Neugierig, nervig und aufdringlich. Schon drei Mal hatte er versucht mich anzurufen, jedoch konnte ich aufgrund von Gesprächen mit meinem neuen Chef natürlich nicht rangehen.

„Allerdings.", murmele ich als Antwort.

Ich stehe auf dem verregneten Parkplatz und blicke mich gelangweilt um. Das hier ist also jetzt mein neuer Arbeitsplatz. Wie furchtbar spannend. Ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass ich eine fürchterlich anstrengende Zeit haben werde. Im Gegensatz zu meinem alten Arbeitsplatz, dem Baltimore General Hospital, ist es hier einfach nur viel zu klein und voll für meinen Geschmack. Außerdem ist das Castle komplett heruntergekommen und alt. Nicht das, was man normalerweise von einem Krankenhaus erwartet. Ich stoße einen genervten Seufzer aus und krame in meiner Manteltasche nach Zigaretten. Fuck, ich hasse es hier jetzt schon.

„Und was ist dein erster Eindruck?"

Carlyle hört nicht auf zu fragen. Ich zünde mir eine Zigarette an und klemme mir sie zwischen die Lippen.

Ich nehme einen Zug.

„Erspar mir deine Fragerei."

Carlyle stößt am anderen Ende hörbar die Luft aus. Ich kann ihn durchs Handy grinsen sehen. „Hast wohl gewaltig gute Laune, wie ich höre." 

„Wie soll meine Laune schon sein, wenn Murray mich von heute auf morgen in die Hölle schickt.", gebe ich kalt zurück. Ich würde mir gerade so gern einfach nur in den Kopf schießen und dem ganzen hier ein Ende bereiten.

„Denk ans Geld, Terrence.", gibt Carlyle trocken zurück. Ja, das Geld. Das wäre auch das einzige, das mir ein Fünkchen Kraft gibt überhaupt gerade hier zu sein. Hätte Murray nicht plötzlich diesen schrägen Gedankengang gehabt, mich hierher in diese sterbende Burgruine zu schicken, wäre ich vermutlich gerade im General meine Mittagspause in meinem privaten Büro am genießen, und würde einen Schluck aus meiner versteckten Whiskyflasche nehmen. 

Aber nein, ich muss hier sein und eine launische Klugscheißerin mit chronischer Müdigkeit beschatten. Als wäre ich hier nebenberuflich Bodyguard oder Privatdetektiv. Nicht einmal den Grund dafür hatte Murray mir genannt. Am liebsten würde ich jetzt schon hinschmeißen.

„Tue ich. Aber leidenschaftlich hassen darf ich es hier trotzdem." Ich nehme den letzten Zug meiner Zigarette bevor ich sie auf den Boden werfe und drauf trete.

„Würden Sie bitte den Aschenbecher verwenden wie jeder andere auch?", meldet sich plötzlich eine fremde Stimme hinter mir. 

Ich drehe mich um und blicke in das Gesicht einer weiß gekleideten jungen Frau mit blondiertem Haar und viel zu rotem Lippenstift. Sie ist unnatürlich dünn und auch unnatürlich klein. Eine Pflegerin, das sehe ich sofort. Die halten sich sowieso alle für was besseres und werden sofort aufmüpfig, wenn man ihnen zu nahe kommt.

„Sorry Liebes, die wurden mir bei meinem Tourguide durchs Schloss leider nicht gezeigt. Ich spreche meinen Reiseführer beim nächsten Mal gern auf deinen Hinweis an. Und jetzt entschuldige mich, ich muss das Telefonat mit meinem Steuerberater fortführen, der Termin eilt." Mit diesen Worten lasse ich sie stehen und wende mich ab. 

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