Kapitel 6

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Drei Wochen zuvor

Die schweren Torflügel kratzten über den Beton der Landebahn, als sie mit einem einfachen Knopfdruck meines Fingers aufschwangen und den Weg in das Innere der Erde freimachten.
Langsam rollte das nachtschwarze Tarnkappenflugzeug durch sie hindurch in das unscheinbare Gebäude, das etwas außerhalb der Megacity Ottawa in einem gewöhnlichen Industriegebiet lag und die geheime Untergrundbasis darunter vor neugierigen Blicken verdeckte.
Ruckelnd rollten die Räder über die abfallende Straße, die immer weiter nach unten führte, bis sie in einer großen unterirdischen Halle zum Stehen kamen.
Dort befanden sich auch noch viele weitere Fahrzeuge wie Geländewägen, andere kleine Flugzeuge und sogar ein alter Militärhubschrauber. Sie alle waren aber leider seit geraumer Zeit unbrauchbar - bis auf das Tarnkappenflugzeug, welches ich für meine Mission verwendet hatte.

Sobald das Flugzeug an einem leeren Platz angekommen war, schnallte ich mich ab, schaltete die Gerätschaften aus und verließ das Cockpit. Dabei griff ich mir außerdem noch den vollgepackten Rucksack und schulterte ihn.
Schnellen Schrittes verließ ich schließlich die Halle und stieg ein altes, zerfallenes Treppenhaus hinauf. Dann durchquerte ich einen schmalen Gang ohne Fenster, dessen Mangel an jeglichen Lichtquellen meine Augen mehr schlecht als recht mit einer Vergrößerung meiner Pupillen ausgleichten.

Meine Finger griffen nach der verrosteten Klinke einer dicken Sicherheitstür und drückten sie herunter. Die Buchstaben, die  auf die Oberfläche gedruckt waren und sich zu einem schlecht entzifferbaren Wort zusammensetzten, waren stark verwittert und die rote Farbe blätterte großflächig ab.
Als ich die klemmende Tür mit einem Ruck aufstieß, segelten einige der Farbreste in Fetzen zu Boden und bildeten dort blutrote Muster aus ihren Sprenkeln.
Meine Stiefel hinterließen beim Gehen Abdrücke im Staub und überkreuzten dabei die zahlreichen Spuren, die sich bereits in dem Dreck abzeichneten.

Und wie viele Male davor verließ ich die geheime unterirdische Militärbasis unbemerkt von irgendjemandem und trat ins Freie.

Kalte Luft empfing mich und blies mir ins Gesicht. Ich nahm einen tiefen Atemzug und dehnte meinen vom langen Flug versteiften Körper.
Aus einer Seitentasche meines Rucksacks fischte ich eine graue Fernbedienung, etwa so groß wie mein Daumen, an der ein kleiner Katzenanhänger in Pinktönen baumelte.
Ich liebte solche kleinen Accessoires. Sie versüßten einem den dunklen Alltag und erinnerten an die einzelnen schönen Momente im Leben.
Leicht lächelnd streichelte ich über das schmale lederne Armband, das sich um mein Handgelenk wand. Es war zwar bereits ziemlich abgenutzt, doch ich würde es um keinen Preis ablegen, da es ein Geschenk meiner Schwester von vor einigen Jahren war.
Eigentlich war es nichts Besonderes, aber solche Dinge wurden schon seit einiger Zeit nicht mehr hergestellt, denn sie hatten keinen wirklichen praktischen Nutzen.
Cecilia hatte das Armband in einer kleinen Schatulle in den Trümmern eines eingestürzten Mehrfamilienhauses gefunden und mir zu meinem dreizehnten Geburtstag geschenkt. Seitdem trug ich es zu jeder Zeit und tat mein Möglichstes, es in einem guten Zustand zu halten.

Mein Lächeln verblasste allmählich wieder und ich betätigte die Fernbedienung. Ein leises Klicken ertönte und das kleine Seitenlicht, das an der Fahrertür meines Jeeps angebracht war, blinkte orange auf.
Ich schritt auf meinen Wagen zu, dessen Motorhaube ein wenig zerdellt war, da sie zur Zeit des Meteoritenschauers kleine Gesteinsbrocken abbekommen haben musste. Die zerkratzte Autotür klemmte ein wenig, weshalb ich ihr einen kurzen Tritt geben musste, um sie zu öffnen, wobei sie leise quietschte.
Ich ließ mich auf den Fahrersitz plumpsen und warf den Rucksack in den Beifahrerfußraum. Als ich den Kopf nach vorn drehte, konnte ich für einen Moment den stechenden Blick meiner Augen im Rückspiegel aufblitzen sehen. Gletscherblaue Iriden starrten mir eisig und schneidend entgegen. Stumm blickte ich zurück. Mein Blick war emotionslos.

Shattered NightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt