3. - Dauernd

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Als ich am nächsten Morgen vollkommen gerädert - ich hatte mein Gesicht nach einer hektischen Dusche im Hotelzimmer gerade so wieder hergestellt - auf Nikolas und unsere Schüler traf, hießen mich einige grinsende Gesichter willkommen.

Ich strich mir ein letztes Mal die Haare aus der Stirn und holte tief Luft, während ich die kurze Distanz zwischen mir und der Gruppe, die schon vor der Eingangstür des Museums stand, überbrückte.
Nikolas Gesicht schien neutral, doch ich sah das freudige Blitzen seiner Augen und einen verdächtig zuckenden Mundwinkel. Auch Maya und Anna sahen so aus, als wüssten sie, wo ich die Nacht verbracht hatte.
Einen Moment lang machte ich mir Gedanken darüber, ob sie es tatsächlich wussten und, wenn ja, was sie mit dieser Information über mich anstellen würden. Dann beschloss ich, lieber nicht weiter darüber nachzudenken.

Ich begrüßte sie alle mit einem kurzen, aber fröhlichen "Guten Morgen", kramte mein Smartphone mitsamt der Tickets hervor und bedeutete meinem Anhang, mir zu folgen. Nach einer kurzen Diskussion an der Rezeption ließ der ältere Herr uns passieren, zuvor war er davon überzeugt gewesen, jeden einzelnen der 25 Teenies, die wir dabei hatten, kontrollieren zu müssen. Als er endlich nachgab, seufzte ich erleichtert.

"Also, wie besprochen: Ihr dürft euch bis 11.30 Uhr hier austoben, dann haben wir eine Führung. Wenn ihr den dritten Stock zu ausführlich anschaut, spoilert ihr euch vielleicht schon". Mit diesen Worten entließ ich Nik's Leistungskurs in die Flure des Museums. Die jungen Menschen nickten mir noch schnell zu, bevor sie auseinanderstoben und sich ihren individuellen Interessen widmeten. Zum Glück konnte man bei diesem Kurs davon ausgehen, dass sie sich wirklich mit den Museumsinhalten, für die wir immerhin Geld bezahlt hatten, auseinandersetzen würden.

Ich drehte mich vom Rezeptionsschalter weg und ging ein paar Schritte in Richtung der Garderobe, Nikolas folgte mir wortlos. Trotzdem konnte ich sein feixendes Grinsen und die hochgezogenen Augenbrauen im Augenwinkel erkennen.

"Bitte, schieß los. Aber sei nicht so hart mit mir", seufzte ich, als ich der freundlichen jungen Frau an der Garderobe meine Jacke in die Hand gedrückt und mich mitsamt Nik in Bewegung Richtung Ausstellungsräume begeben hatte.
"War Lili etwa schon hart genug mit dir?".
Ich zog ein wenig entgeistert die Luft ein. Hatte er das gerade ernsthaft gesagt?

Nik atmete hörbar aus. "Ich hatte Recht, oder?", fragte er. Ich schüttelte nur verständnislos den Kopf und versuchte, mich im Museum zu orientieren.

"Du hattest richtig guten Sex!", fuhr mein bester Freund nun fort.

Ich errötete augenblicklich und warf dem Mann neben mir einen gekonnten Todesblick zu. Dann nickte ich stumm. Beim Gedanken a die vergangene Nacht fuhr ein angenehmes Ziehen durch meinen Unterleib und meine Haut begann zu kribbeln.
Überall, wo sie mich berührt hatte.
Also quasi überall.

Gott, mein Herzschlag beschleunigte sich schon jetzt erneut, wenn ich nur an sie dachte. An ihre Lippen, ihre Finger. Ihre Finger in mir. Ihr Stöhnen. Mein Stöhnen. Himmel.

"Bitte, ein paar Details musst du mir schon erzählen!", forderte Nik mich nun auf, "Schließlich ist es auch ein bisschen mein Verdienst".

Nik und ich ließen uns also in einer Ecke, in der wir sicher waren, dass unsere Schüler uns dort vorerst nicht auffinden würden - zur Not könnten wir uns allerdings noch in fachliche Gespräche flüchten - nieder und ich begann, die vergangene Nacht in all ihren Facetten zu beschreiben.

Dabei errötete ich mehr als ein Mal, während Nik mich immer ungläubiger ansah, zwischendurch genugtuend nickte und ab und an in sich hinein kicherte.

"Ich hab schon immer gewusst, dass Lili das Zeug dazu hat. Aber dass sie dich so auf den Kopf stellt, habe ich irgendwie nicht erwartet", lautete sein Fazit, welches er stolz verkündete, als der Zeiger der Uhr sich gerade auf die 11 zubewegte, "Lass mich raten: Du willst sie unbedingt wieder sehen?".

-

Lili ließ mit ihrer Antwort einige Tage auf sich warten. In der Nacht vor unsere Abreise erhielt ich eine Nachricht von ihr, die mein Herz sofort höher schlagen ließ. Ich hatte ohnehin wachgelegen, weshalb das Brummen meines Handys mich geradezu euphorisch gestimmt hatte.
Grinsend und mit laut pochendem Herzen las ich ihre kurze Nachricht. Weshalb sie wohl zu so später Stunde noch wach war?

Insgeheim war ich enttäuscht, dass Lili sich erst jetzt bei mir meldete. Viel zu gerne hätte ich einen weiteren Abend, oder eine Nacht, mit ihr verbracht, solange ich mich noch in London aufhielt. Auch, wenn ich nicht wusste, wie ich das Nik und unseren Schülern erklären sollte.

Tatsächlich waren meine Gedanken in den letzten Tagen unablässig um die dunkelhaarige Frau gekreist. Das ganze ging so weit, dass Nik mich in einer ruhigen Minute energisch in die Seite stoßen musste, damit ich wieder halbwegs anwesend war, und dass die Schüler mich Dinge wiederholt fragten, weil ich beim ersten Mal schlichtweg nicht zugehört hatte.

In meinen Gedanken und Erinnerungen war Lili mal sehr angezogen, mal sehr nackt. Mal sehr leise, mal sehr laut. Aber sie war mir immer nah. Ich spürte und schmeckte sie, sogar in meinen Träumen, und fragte mich gleichzeitig, ob all das, was ich empfand, vollkommen übertrieben und daneben war.

Sicher, Lili mochte mich. Hatte mich sicherlich schon immer mehr oder weniger gemocht. Und ich hatte sie zu nichts gedrängt, was sie nicht gewollt hatte. Dennoch stellte ich in Frage, ob sie den Geschehnissen zwischen uns die gleiche Bedeutung zusprach, wie ich. Oder, ob ich für sie einfach eine von vielen war. Eine Frau unter Hunderten, während sie für mich so besonders war.
Aber nein, sie dachte an mich. Offensichtlich. Sonst hätte sie wohl nicht mitten in der Nacht geschrieben.

Jetzt, in der Dunkelheit des Hostelzimmers, das ich glücklicherweise ganz für mich allein hatte, kamen die Bilder zurück. Die Bilder, die mich schon die ganze Woche über verfolgt, mich nachts wachgehalten hatten.

Langsam und mit einem leisen Seufzen ließ ich zwei meiner Finger über meine Brüste hinunter zu meinem Bauch und schließlich zwischen meine Beine wandern.

ParallelenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt