Große Träume

6 2 0
                                    

Die Zeit verging und Nay und Fabian wurden beste Freunde. Sie gingen sogar in die gleiche Klasse. In der Schule bekam sie zwar immer wieder abweisende Blicke, aber mit Fabian an ihrer Seite hatte sie nichts zu befürchten. Die beiden teilten sogar den gleichen Traum, nämlich irgendwann in die Stadt zu ziehen und sie vor Bösewichten zu beschützen. Fabian arbeitete hart um ein Held zu werden. Er besuchte sogar die Kampfkunst-AG. Nay wollte da zwar auch hin, aber die AG war nur für Jungen, also brachte er nach jeder Stunde Nay das bei, was er gelernt hatte. Mit der Zeit wurde Nay immer besser und wenn die beiden gegeneinander kämpften, gewann Nay jedes Mal. Erst freute Fabian sich für sie, aber mit der Zeit wurde er immer eifersüchtiger. Schlussendlich beschloss er Nay einfach die neuen Sachen aus dem Kurs nicht zu zeigen. Immer wenn sie ihn fragte, was sie gelernt hatten, antwortete er einfach, nur Wiederholung. Fabian war sich sicher, dass er heute gegen sie gewinnen würde, doch als er anfing das Gelernte anzuwenden, kopierte Nay es sofort und nach ein paar Minuten lag Fabian auf dem Boden. Er kam zu dem Schluss, dass er nie gegen sie gewinnen würde, also gab er auf. Am gleichen Tag, als sie zusammen nach Hause gingen, fragte Fabian: "Hättest du Lust heute bei mir zu übernachten? Es ist ja Freitag und morgen ist keine Schule." Nay überlegte. Sie hatte noch nie woanders übernachtet, aber schließlich stimmte sie zu. Er war ja ihr Freund.

Als sie bei Fabians Zuhause ankamen, warfen sie ihre Rucksäcke in die Küche und liefen lachend in den Garten. Dort fingen sie an mit selbstgemachten Holzschwertern zu kämpfen. Sie hatten so viel Spaß, dass sie nicht bemerkten, dass es schon dunkel wurde. Auf einmal rief Fabians Mutter von der Haustür aus: "Essen ist fertig." Nay zuckte zusammen, sie war so vertieft in das Spielen gewesen, dass sie nicht bemerkt hatte, wie spät es geworden war. Im nächsten Moment lief ein freudestrahlender Fabian. Nay lächelte und folgte ihm. Die Kinder setzten sich an den Tisch und fingen wie ausgehungerte Hyänen an zu essen. Nebenbei erklärte Fabians Mutter, dass Nay auf einem Fell neben dem von Fabian schlafen würde. Nach dem Essen gingen sie zu dritt in Fabians Zimmer. Die beiden Kinder sprangen in ihre Betten und kuschelten sich ein. Fabians Mutter setzte sich mit einer Kerze in der einen und einem dicken Buch in der anderen Hand zwischen die beiden. Wenig später fing sie an die Geschichte laut vorzulesen. Während sie der Geschichte lauschten, zogen draußen graue Wolken zusammen und plötzlich donnerte es. Nay zuckte ängstlich zusammen. Nicht lange danach fing es an kräftig zu regnen. Als die Geschichte zu ende war, küsste Fabians Mutter die Kinder auf die Stirn und verschwand dann in der Bodenluke. Fabian machte es sich gemütlich und schloss die Augen. Ein wenig später spürte er wie jemand sich an ihn kuschelte. Fabian versuchte ganz still liegen zu bleiben, um Nay nicht zu verscheuchen, doch plötzlich merkte er einen Schmerz in seinem Bauch. Verdammt! Er musste pupsen. Er überlegte, wie er es rauslassen konnte, ohne dass Nay es merkte, denn wenn sie es merkte, würde sie merken, dass er noch nicht schlief und wahrscheinlich wieder auf ihr Fell flüchten. Das wollte er nicht. Er versuchte Stück für Stück, als plötzlich... "Pfffffffffffffffffffffft". Nay drehte sich erschrocken um. Fabian kniff seine Augen zu und hoffte, dass Nay nichts gemerkt hatte. Doch dann hörte er, wie sie wieder rüber rutschte. Ohne nachzudenken hielt er sie fest und zog sie in eine Umarmung. Draußen donnerte es erneut. Nay zuckte zusammen, schlug ihre Arme um ihn und vergrub ihr Gesicht in seinem Hemd. Fabian lächelte und drückte sie noch fester an sich. "Alles gut. Es wird alles wieder gut." flüsterte er. Das hatte seine Mutter immer gesagt, wenn er Angst hatte. Danach dauerte es nicht mehr lange bis Nay eingeschlafen war. 

Broken AngelsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt