Der Pinsel glitt ruhig über die Leinwand, hinterließ einen sanften Hauch von Blau, der sich mit dem warmen Gelb zu einem zarten Grün vermischte. Ich betrachtete das entstehende Bild und spürte, wie sich die Linien und Farben fast von selbst formten. Es fühlte sich so an, als ob meine Hand geführt wurde; als ob meine Gedanken und Gefühle ihren Weg auf die Leinwand fanden, ohne dass ich darüber nachdenken musste.
Ich hatte schon lange nicht mehr gemalt. Früher, als meine Mutter noch lebte, war das Malen meine Art, mit der Welt zu kommunizieren. Mein Zufluchtsort. Ich träumte schon immer, eines Tages an der Akademie der Schönen Künste zu studieren. Aber seit ihrem Tod hatte ich die Farben und Pinsel oft einfach ignoriert; sie in den Ecken meiner Wohnung verstauben lassen. Es war schmerzhaft gewesen, sich den Dingen zu stellen, die in mir brodelten. Doch an diesem Tag, nachdem ich so viel nachgedacht hatte, fühlte es sich richtig an, wieder zu malen.
Die Leinwand vor mir füllte sich langsam mit saften Tönen. Ich malte keine konkreten Formen, sondern ließ die Farben ineinanderfließen, als ob sie meine Emotionen widerspiegeln würden. Hier ein Hauch von Rosa, dort ein kräftiges Rot, das sich mit einem tiefen Blau vermischte. Die Farben erzählten eine Geschichte. Eine Geschichte, die ich nicht in Worte fassen konnte, aber die ich fühlte. Es war ein Bild voller Emotionen. Ein Kaleidoskop meiner inneren Welt.
Als ich schließlich den Pinsel niederlegte und einen Schritt zurücktrat, betrachtete ich mein Werk. Es war ein Bild, das auf den ersten Blick chaotisch wirken mochte, aber in seiner Unordnung lag eine tiefe Harmonie. Die Farben flossen ineinander, verschmolzen zu einem Ganzen, das mich auf seltsame Weise beruhigte.
Ein Gedanke huschte durch meinen Kopf – Eliot würde das Bild sicher gefallen. Seitdem er mir das Notizbuch geschenkt hatte, hatte ich darüber nachgedacht, wie ihm meine Dankbarkeit zeigen konnte. Er war in den letzten Tagen so eine wichtige Stütze für mich gewesen und ich wollte ihm etwas zurückgeben. Etwas, das ihm zeigte, wie viel er mir bedeutete. Dieses Bild fühlte sich genau richtig an. Es war ein Teil von mir, den ich ihm schenken wollte.
Ich überlegte, wie ich es verpacken könnte, und suchte in meiner Wohnung nach einem passenden Rahmen. Ich beschloss, das Bild ins Café mitzunehmen und es ihm am nächsten Tag zu geben. Er würde sich bestimmt freuen. Ein leichtes Lächeln erschien in meinem Gesicht. Doch während ich den Rahmen an die Leinwand hielt, schaute ich auf die Uhr. Es war schon weit nach meiner üblichen Schlafenszeit. Ich befestigte den Rahmen an der Leinwand schnellstmöglich. Unmittelbar danach eilte ich unter die Dusche und dann ins Bett.
Der nächste Tag im Café zog sich in die Unendlichkeit. Jedes Mal, als die Tür aufging, schaute ich voller Hoffnung in ihre Richtung. Aber die Hoffnung wurde jedes Mal von Enttäuschung eingeholt.
Die Stunden vergingen und mein Wunsch, Eliot sein Geschenk zu geben, blieb nach wie vor unerfüllt. Ein leichter Anflug von Sorge stieg in mir auf, aber ich schob ihn schnell beiseite. Vielleicht hatte er an diesem Tag einfach viel zu tun. Oder der Regen hatte ihn aufgehalten. Aber er tauchte überhaupt nicht auf. Ungewöhnlich.
Auch am nächsten Tag blieb der Stuhl am Fenster leer. Eliot kam nicht.
Ich versuchte, mir keine Sorgen zu machen. Es gab tausend Gründe, warum nicht hier sein könnte. Vielleicht war etwas dazwischengekommen. Vielleicht brauchte er einfach einen Tag für sich. Doch als der Tag verging und die Nacht sich über die Stadt senkte, fühlte ich ein schweres Gewicht auf meinem Herzen. Etwas stimmte nicht.
Am folgenden Tag blieb sein Platz genauso unbesetzt. Und an dem Tag danach. Das Café fühlte sich plötzlich kälter an. Leerer. Jedes Mal, wenn die Tür sich öffnete, hoffte ich weiterhin, dass er hereinkommen würde; dass er mich anlächelte und sich an seinen gewohnten Platz setzte. Aber er blieb fort. Und mit jedem vergehenden Tag wuchs meine Sorge. Meine innere Dunkelheit breitete sich wieder aus. Und das in einer enormen Geschwindigkeit.
Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich musste wissen, was los war. Ich griff nach meinem Handy und öffnete Instagram. Es fühlte sich merkwürdig an, ihm auf diesem Weg zu schreiben. Doch es war der einzige Weg, den ich hatte.
Ich tippte eine Nachricht ein. Meine Finger zitterten leicht, während ich über die richtige Worte nachdachte.
Hey Eliot, ich habe dich die letzten Tage vermisst. Ist alles in Ordnung?
Ich starrte auf den Bildschirm. Auf diese wenigen Worte, die wiederum so viel von meiner Sorge preisgaben. Sollte ich sie wirklich abschicken? Ich zögerte, doch dann drückte ich auf Senden. Die Nachricht verschwand. Und ich wartete. Mein Herz schlug schneller. Minuten vergingen, die sich wie Stunden anfühlten. Aber es gab keine Antwort.
Unruhe breitete sich in mir aus. Was, wenn etwas passiert war? Was, wenn es ihm nicht gut ging? Ich versuchte, mich zu beruhigen. Mir einzureden, dass ich überreagierte. Aber die Sorge ließ sich nicht abschütteln. Ich stand vom Tresen auf und begann, nervös durch das Café zu laufen. Das Bild, das ich für Eliot gemalt hatte, stand immer noch an der Wand hinter mir. Als stummer Zeuge meiner wachsenden Angst.
Die Stunden zogen sich endlos in die Länge, bis das Café schloss und ich den Heimweg antrat. Draußen hatte der Regen wieder eingesetzt. Die Tropfen fielen schwer auf mein Gesicht hinunter. Die Luft fühlte sich schwer und bedrückend an. Und in meinem Kopf kreisten die Gedanken unaufhörlich um Eliot. Wo war er? Warum antwortete er nicht?
Zu Hause angekommen warf ich einen letzten Blick auf mein Handy, bevor ich es beiseite legte. Keine Antwort. Die Unruhe in mir wuchs wieder, aber ich wusste, dass ich nichts tun konnte, außer zu warten. Ich schlüpfte unter meine Decke und versuchte, den Schlaf zu finden. Doch die Gedanken an Eliot ließen mich nicht los.
Was, wenn ich ihn verlor, bevor wir überhaupt die Chance hatten, wirklich zusammen zu sein?
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Wenn er mir keine Blumen schenkt, dann will ich ihn nicht
RomanceStella liebt Blumen - besonders die geheimnisvollen schwarzen Rosen. Doch es ist eine einfache Sonnenblume, die ihre Begegnung mit Eliot in etwas Besonderes verwandelt. Als die junge Stella in die Dunkelheit der Trauer gestürzt wird, scheint ihr Leb...