VII / Motorrad, verdrängte Gefühle und alte Wunden

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Seit Tagen schwirrten die Gedanken unkontrolliert in meinem Kopf umher. Alles drehte sich um Eliot, meine Mutter und die Trauer, die ich mit mir herumtrug. Jedoch waren die meisten Gedanken tatsächlich auf Eliot fokussiert. Sie schnürten mir die Luft ab. Aber warum?

Nachdem ich keine Antwort auf meine Nachricht bekommen hatte, machte ich mir noch mehr Sorgen und versendete noch mehr Nachrichten. Doch blieben auch diese unbeantwortet. In den letzten Wochen sah ich Eliot fast täglich. Und jetzt seit über einer Woche kein einziges Mal mehr. Kein Lebenszeichen von ihm. Etwas fehlte mir. Als wäre mein kleiner Lichtblick erloschen worden. Ich vermisste ihn.

Eine Sonnenblume. Eine Geste, die mich ehrlicherweise ins Herz traf und die mehr zu sagen schien als tausend Worte. Ich war so überrascht und berührt, als ich bemerkte, dass Eliot mein Bild auf Instagram gesehen und mir daraufhin diese Blume gebracht hatte. Und das Gedicht, welches noch immer auf meinem Nachttisch lag. Ein kleines bisschen verdrehte er mir damit den Kopf.

Doch jetzt, wo wir keinen Kontakt hatten, fühlte ich mich, als würde dieses Licht, welches er in mein graues Leben brachte, langsam verblassen. Vielleicht war ihm doch nichts passiert. Vielleicht erwartete ich einfach zu viel von ihm. Oder ich war zu aufdringlich; trieb ihn in die Enge, ohne es zu merken. Ich konnte nicht damit aufhören, mich zu fragen, ob ich etwas falsch gemacht hatte; ob das meine Schuld gewesen war.

Früher hatte ich einen Ausweg aus solchen Situationen. Einen Weg, mich von meinen Lastern zu befreien. Auch wenn es wie eine Lösung nur für einen kurzen Moment zu sein schien. Wenn die Welt um mich herum zu erdrückend war, fand ich im Motorrad meine Ablenkung.

Als ich eines Morgens nach draußen blickte, fiel mein Blick auf die Garage, in der mein altes Baby stand. Es hatte jahrelang dort gestanden. Unberührt. Verstaubt. Und kaputt. Ein Symbol für all die Dinge, die ich in meinem Leben verdrängt hatte.

Früher war ich oft damit unterwegs gewesen, hatte weite Strecken zurückgelegt. Nur um das Gefühl des Windes auf meiner Haut zu spüren. Und die Freiheit, die mir das Fahren und die hohe Geschwindigkeit gegeben hatten. Doch seit dem Tod meiner Mutter war auch diese Leidenschaft versiegt.

– Es wird Zeit ... – flüsterte ich zu mir selbst.

Zeit, wieder auf die Maschine zu steigen. Zeit, den Kopf freizubekommen. Vielleicht war das Motorrad genau das, was ich jetzt brauchte. Um den Gedanken an die Trauer um meine Mutter und vor allem, um den Gedanken an Eliot zu entfliehen.

Entschlossen vereinbarte ich einen Termin in einer Werkstatt, die nicht weit weg entfernt war. Ich hatte keine Ahnung, wie viel solche Reparatur kosten würde, aber ich musste es versuchen. Irgendwie würde ich das Geld schon zusammenbekommen. Es ging schließlich darum, mein altes Selbst zurückzuholen. Oder zumindest das, was davon noch übrig war.

Als ich in der Werkstatt ankam, kribbelte mein Magen sofort. Ich hatte ein seltsames Bauchgefühl. Die Geräusche von Werkzeugen, das Surren der Maschinen und das metallische Klopfen. Alles schien in der Luft zu vibrieren. Ich lief hinein, um nach einem Mechaniker zu suchen, und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Mein Herz setzte einen Schlag aus.

Dort, vor mir, stand Eliot. In blauer Arbeitskleidung. Mit ölverschmierten Händen und einem leicht überraschten Gesichtsausdruck. Sein Haar war ziemlich unordentlich. Ich konnte nicht fassen, dass er hier arbeitete – als Mechaniker! In all unseren Gesprächen hatte er das nie erwähnt. Ich fühlte, wie sich eine Mischung aus Wut und Enttäuschung in mir aufstaute. Hatte er mir das verschwiegen? Oder war ich einfach zu sehr mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt, um ihn wirklich kennenzulernen?

Eliots Augen weiteten sich aus, als er langsam auf mich zukam.

– Stella ... – begann er, und ich spürte, wie sich meine Wut erneut regte.

Wenn er mir keine Blumen schenkt, dann will ich ihn nichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt