Die Morgendämmerung hatte gerade begonnen, den Himmel in sanfte Rosatöne zu tauchen, als ich um die Ecke des Cafés bog. Der kalte Wind, der durch die engen Gassen der Altstadt pfiff, ließ mich frösteln. Es war noch früh. Viel früher, als sonst, aber ich hatte kaum geschlafen. Die Unruhe der letzten Tage lastete schwer auf mir und ich war froh, früher zur Arbeit zu gehen. Vielleicht könnte ich mich in der Routine ablenken, dachte ich, während ich die Schlüssel aus meiner Tasche zog und den Blick hob.
Und da stand er. Eliot lehnte an der Wand des Cafés. Er trug immer noch diese unbeschwerte Haltung, die mir in den letzten Wochen so vertraut war, aber irgendetwas in seiner Ausstrahlung war anders. Er sah müde aus. Erschöpft. Als hätte er die Nacht durchgemacht.
Mein erster Impuls war, ihn zu ignorieren und einfach weiterzugehen. Doch als ich ihm näher kam, hob er den Kopf und seine Augen trafen meine. Für einen Moment stand ich da und überlegte, ob ich ihn einfach abwimmeln sollte. Doch irgendetwas in seinem Blick hielt mich davon ab. Es war nicht nur Reue, die ich darin sah. Da war Schmerz. Echter, tiefer Schmerz. Und er schien schwerer zu wiegen als alles, was ich bisher jemals bei ihm gesehen hatte.
– Stella – begann er, als ich schließlich vor ihm stehen blieb. Seine Stimme war sehr rau. – Es tut mir leid, wie ich mich in den letzten Tagen verhalten habe. Ich schulde dir eine Erklärung dafür.
Ich verschränkte die Arme vor der Brust und versuchte, gelassen zu bleiben.
– Eliot, es ist in Ordnung. Ich habe mich daran gewöhnt, mir nichts mehr zu erhoffen. Nichts mehr zu erwarten. Damit ich auch nicht mehr enttäuscht werde – log ich.
– Was redest du da? – fragte er verwirrt.
– Du hast mir Hoffnungen gemacht, dich dann aber umentschieden. Ich verstehe es. Aber komme, nicht mehr hierher, bitte. Damit ich dich schneller vergessen kann – schluchzte ich.
Es war schmerzhafter, als ich dachte, diese Worte laut auszusprechen.
– Hör auf, Stella! – schrie er, hob seinen verängstigten Blick und kam auf mich zu. Er packte mich an meinen Armen, schaute mir tief in die Augen, fast in meine Seele hinein. Und dann ... umarmte er mich liebevoll. Das war erste Mal, dass unsere Körper so nah aneinander waren.– Hör auf, sowas zu sagen. Ich verspreche es dir, es geht hier nicht um dich, vertraue mir, bitte. – Er machte einen Schritt zurück, senkte wieder den Blick und schob seine Hände in die Taschen. – Ich mag dich. Ich mag dich wirklich. Ich habe einfach ein paar Dinge, mit denen ich immer noch zu kämpfen habe – sagte er schließlich.
Also war da doch ein unausgesprochenes Geheimnis, was zwischen uns stand. Jetzt konnte ich es förmlich spüren, wie es ihn von innen heraus quälte.
– Dann erkläre es mir – forderte ich. – Lass mich verstehen, warum du mich von dir wegstößt.
Er holte tief Luft und suchte dann nach meinen Augen.
– Es ist ... es ist nicht einfach, darüber zu sprechen. Es geht um den Jahrestag ... – sagte er leise. – Um den Jahrestag, an dem mein Bruder ... an dem er gestorben ist. Er rückt immer näher. Und jedes Jahr ... fühlt es sich an, als würde die Wunde ... wieder aufreißen.
Seine Worte trafen mich zutiefst, obwohl ich noch nicht die ganze Geschichte kannte. Allein die Art, wie er es sagte, ließ mein Herz bluten. Ich konnte mir genau vorstellen, wie schwierig es für ihn sein musste, Jahr für Jahr mit diesem Schmerz zu leben.
– Warum hast du mir das nicht vorher gesagt? – Meine Stimme klang weicher. – Ich hätte dich verstanden, Eliot. Ich wäre für dich da.
Er schüttelte aber den Kopf.
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Wenn er mir keine Blumen schenkt, dann will ich ihn nicht
RomanceStella liebt Blumen - besonders die geheimnisvollen schwarzen Rosen. Doch es ist eine einfache Sonnenblume, die ihre Begegnung mit Eliot in etwas Besonderes verwandelt. Als die junge Stella in die Dunkelheit der Trauer gestürzt wird, scheint ihr Leb...