Kapitel 19

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Nachdem Finnick uns alles berichtet hatte, kamen plötzlich mehrere Gruppen von Menschen an den Strand, die aufgebracht und aufgeregt miteinander redeten. Scheinbar hatten sie das Verkündete nun verdaut und wollten sich deshalb davon überzeugen, ob die Sache mit den Mutationen wirklich stimmte. Das Ganze stimmte und es änderte sich auch nichts daran.

In den nächsten Wochen kamen deshalb immer wieder Fischer ums Leben, die aus dem Boot gefallen oder einem Hai zu nahe gekommen waren. Eigentlich hätte man deshalb meinen können, der Plan des Kapitols würde aufgehen und die Bürger erhielten eine abschreckende Mahnung, damit sie wieder brav Gehorsam leisteten. Dass diese aber einfach die Arbeit niederlegen würden, da es zu gefährlich für sie war und sie zudem beschlossen hatten, nicht mehr für das Kapitol zu arbeiten, damit hatten sie wohl nicht gerechnet. Dazu kam dann auch noch, dass die Fischer und auch die Angestellten in der Firma meiner Eltern nichts mehr zutun hatten, weshalb sie nun erst Recht auf die Straßen gingen. Meine Eltern taten es nicht. Stattdessen versuchten sie mit allen Mitteln die Produktion wieder in den Gang zu bekommen, doch es funktionierte nicht. Sie konnten das Kapitol nicht mehr mit Meeresfrüchten, Fisch oder Sonstigem beliefern. Sie drehten halb durch deshalb, da sie solche Angst vor Konsequenzen hatten, weshalb sie immer wieder Friedenswächter zu Hilfe holten. Seit Wochen ging ich ihnen deshalb komplett aus dem Weg.

„Schon wieder am Grübeln?", fragte hinter mir plötzlich eine Stimme und ich zuckte zusammen.

„Musst du dich immer so anschleichen?", brummte ich, drehte mich jedoch nicht zu Finnick um sondern starrte weiter auf den Horizont.

„Entschuldige. Aber in der Arena wärst du jetzt tot ohne es überhaupt bemerkt zu haben.", entgegnete er und setzte sich neben mich. „Wie lange bist du schon hier?"

„Ehrlich gesagt, ich habe keine Ahnung. Aber die Sonne geht bald unter.", antwortete ich.

„Weißt du, ich hasse es, wenn du einfach so verschwindest. Damir macht sich übrigens auch große Sorgen, er hat schon dreimal bei mir geklingelt."

„Ich musste fliehen. Und seine Sorgen nerven mich. In letzter Zeit ist er so übervorsichtig, ich fühle mich, als wäre ich in Watte gepackt.", gestand ich und lehnte mich dann an Finnick.

„Seine Sorgen sind berechtigt, du entscheidest viel zu viel aus dem Bauch heraus. In Zeiten wie diesen ist das gefährlich."

„In Zeiten wie diesen ist alles gefährlich, auch wenn es noch so gut durchdacht ist.", konterte ich und seufzte dann.

Darauf konnte er nichts erwidern, weshalb wir eine Weile still dasaßen und nur den Wellen lauschten, die an den Felsen unter uns brachen.

„Ich könnte ewig hier sitzen.", meinte er und ein Lächeln huschte auf mein Gesicht.

„Mit diesem Gedanken habe ich auch schon gespielt, deshalb sitze ich auch immer noch hier."

„Man hört nur den Klang des Meeres, sonst nichts."

„Und dein Geplapper.", neckte ich ihn, ehe ich wieder ernster wurde. „Ich wünschte, wir könnten wirklich einfach hier sitzen bleiben. Solange, bis die Rebellion zu Ende ist und wir frei sind."

„Leider geht das nicht. Ich könnte es auch gar nicht.", erwiderte er und seufzte nun ebenfalls. „Es könnte aber unser geheimer Zufluchtsort werden."

„Einverstanden. Wir kommen einfach immer hierher, wenn wir eine Auszeit brauchen.", stimmte ich zu.

„Oder Ruhe.", ergänzte er.

„Dann dürfen wir Sarah aber nicht von diesem Platz hier erzählen.", merkte ich an, woraufhin ich lachen musste. Auch er stimmte mit ein und zum ersten Mal seit Tagen vergaß ich all die Gedanken, denen ich in letzter Zeit andauernd nachging.

„Wenn wir mal älter sind treffen wir uns aber immer noch hier, versprichst du mir das? Wir denken dann nur an das Schöne und machen uns hier auf diesem Felsen keine Sorgen. Die sind verboten, einverstanden?", schlug ich ihm vor.

„Kling gut. Bis auf das älter sein.", meinte er grinsend.

„Ach komm, als wenn du in 10 Jahren nicht noch genauso gut aussiehst. Vermutlich siehst du mit 50 noch aus wie 30 und wirst mich daran jeden Tag erinnern, während mich meine Sorgenfalten 10 Jahre älter aussehen lassen.", sagte ich und brachte ihn damit erst richtig zum Lachen.

„Der Gedanke gefällt mir.", behauptete er woraufhin ich ihn in die Seite boxte. Dann jedoch wurde Finnick plötzlich unglaublich ernst.

„Was glaubst du hat sich in 10 Jahren alles verändert?"

„Ich hoffe einiges.", gestand ich ihm, ehe ich aufzuzählen begann. „Die Hungerspiele gibt es dann nicht mehr, wir sind ein freies Panem. Ach ja, und Snow ist tot. Zwar wünscht man niemanden den Tod, so sagt man doch, doch ihm wünsche ich ihn schon. In 10 Jahren werden wir immer noch im Siegerviertel wohnen, doch nur weil wir das wollen und somit fast Nachbarn sind. Außerdem hast du dann Annie geheiratet und ihr habt zwei Kinder. Ich hab Damir geheiratet und wir haben vier Kinder."

„Vier?"

„Bis ich dich getroffen habe war ich sozusagen ein Einzelkind. Das war unglaublich langweilig, deshalb will ich das später einmal anders machen.", erklärte ich ihm.

„Du bist wirklich einzigartig. Aber der Rest klingt gut.", meinte er und ich schmunzelte.

„Natürlich klingt es gut. Und solltest du einen Sohn bekommen sei dir gewiss, dass ich meine Töchter wegsperren werde."

Wieder musste Finnick lachen und da es so gut tat diese Unbeschwertheit zu hören, konnte auch ich nicht anders als breit zu grinsen.

„Die Green-Mädchen scheinen gegen den Odair-Charme völlig immun zu sein. Du brauchst also niemanden wegzusperren.", behauptete er und nach gespieltem langem Überlegen nickte ich.

Eine Weile war es nun wieder still, nur die sich brechenden Wellen waren zu hören während wir beide über meine Worte nachzudenken schienen, bis Finnick wieder das Wort ergriff.

„Ich habe noch gar nicht an die Zukunft gedacht.", gestand er mir.

„Ich denke an nichts anderes.", gab ich ehrlich zu. „Ich will nicht, dass es endet wie damals. Dieses Mal müssen wir gewinnen. Damit wir wirklich in 10 Jahren hier sitzen können."

„Ich möchte auch in 10 Jahren mit dir hier sitzen und darüber reden, welch langweiligen und trotzdem tollen Tag wir heute hatten. Unsere einzige Sorge soll dann sein, dass wir damit kämpfen, unsere Kinder früh ins Bett zu bekommen."

„Da werde ich nicht lange kämpfen, das darf Damir übernehmen.", beschloss ich grinsend.

„Du bist wirklich ein besonderer Fall.", meinte er wieder und lächelte, was ich erwiderte, ehe wir beide wieder auf die Sonne blickten, die nun begann im Meer einzutauchen. Gleich würden wir uns auf den Weg machen müssen, da dann die Ausgangsperre in Kraft trat. Trotzdem genossen wir noch die letzten Minuten mit dem Klang des Meeres in unseren Ohren.

Der Plan klang gut. Laut ihm, hatten wir noch lange Zeit und alles würde gut werden. Doch leider gingen manche Plänen einfach nicht auf, egal wie sehr man es sich wünschte.

(a)(

Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt