Kapitel 30

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Am nächsten Morgen machte ich mich wirklich auf ins Rathaus, wobei mir der Plan nun ein wenig dumm vorkam. Vermutlich konnten sie mir nicht einmal Auskunft geben und ich stand dann da wie eine Idiotin. Es wäre also vermutlich wirklich besser, ich würde alle möglichen Ausbildungsplätze direkt abklappern.

Doch während ich noch darüber nachdachte, was besser war, erreichte ich auch schon das Rathaus. Jetzt wollte ich auch nicht mehr umkehren, weswegen ich es betrat und mich einfach mal ein wenig durchfragte. Am Ende kam ich dann sogar mit zwei Adressen wieder heraus. Eigentlich wäre es nicht nötig gewesen, dass die Sekretärin des Bürgermeisters sie mir raussuchte, immerhin wusste ich, wo die Gebäude lagen, doch ich merkte dass sie froh war, etwas so einfaches tun zu können. Vermutlich hatte sie es in Zeiten wie diesen auch nicht leicht.

Ich steckte den Zettel in meine Hosentasche und ging dann wieder los, wobei ich dieses Mal einen kleinen Umweg machte. Ich schlenderte durch die Straßen des, man konnte sagen Friedenswächterviertels, wobei ich Ausschau nach Sam hielt. Es waren jedoch kaum Menschen auf den Straßen unterwegs und wenn, kannte ich sie nicht. Wo zum Teufel steckte er? Es kam mir vor als wäre er eins dieser Tiere, das sich seiner Umgebung perfekt anpassen und somit fast komplett verschwinden konnte. Wenn er nicht wollte, dass ich ihn fand, dann gelang es mir scheinbar auch nicht.

„Na Kleine, hast du dich verlaufen?", fragte plötzlich eine Männerstimme hinter mir. Langsam drehte ich mich um und blickte in das Gesicht eines schon etwas älteren Friedenswächters, der eindeutig eine Alkoholfahne hatte.

„Nein, ich kenne den Weg.", erwiderte ich und lief weiter.

„Ist das nicht diese Green? Die wir im Auge behalten sollten?", fragte eine andere Stimme.

„Klappe Jeffrey! Das soll sie doch gar nicht erfahren.", ermahnte ihn eine dritte Stimme, wobei ich nicht anders konnte, als mir diese beiden Hohlbirnen genauer anzusehen. Sie waren noch ziemlich jung, hatten ihre Ausbildung mit Sicherheit noch nicht lange abgeschlossen.

Ich ging weiter und ließ die Stimmen hinter mir, während ich erst zum Strand ging und dann ein wenig ziellos durch die Gegend lief. Ich hatte Sam nicht gefunden und hatte auch keine Ahnung wo er steckte. Ich konnte zu Finnick gehen, doch womöglich war er gerade bei Annie. Wie sooft seit das mit Damir passiert war. Zu ihm konnte ich auch gehen, doch ich hatte die Befürchtung, dass ihn meine Anwesenheit manchmal ein wenig nervte. Außerdem hatte ich selbst auch keine Lust dazu, da mir gestern noch ziemlich nachhing. Es tat weh und ich wollte mich jetzt nicht selbst quälen.

Irgendwann kam ich an der Akademie vorbei und kurz spielte ich sogar mit dem Gedanken zu trainieren, auch wenn es mir eigentlih gar nicht mehr gestattet war, als plötzlich zwei Friedenswächter, eine Frau und ein Mann, das Gebäude verließen. Verwirrt sah ich sie an, erst recht als mir die Trainingstaschen der beiden auffielen.

„Habt ihr nicht ein eigenes Trainingsgebäude?", fragte ich, ehe ich mich selbst aufhalten konnte.

Der Mann ignorierte mich, doch die Frau sah mich an.

„Mittlerweile befinden sich so viele Friedenswächter im Distrikt, da reicht ein Trainingsgebäude nicht mehr aus.", antwortete sie mir, ehe sie ihren Schritt beschleunigte, was vermutlich am Blick ihres Gefährten lag.

Die Friedenswächter hielten sich jetzt also auch schon hier fit. Tat Sam das vielleicht auch?

Ich lief hinein und versuchte dann so jung und trainingsbereit wie möglich zu wirken. Was eigentlich dumm war, da ich ja schon dadurch auffiel, dass ich keine Tasche dabei hatte und auch keine Trainingsklamotten trug. Trotzdem ging ich einfach weiter in die Halle und ich hätte am liebsten laut aufgeschrien. Er war wirklich hier und trainierte. Sollte er doch jetzt versuchen sich in Luft aufzulösen, ich hatte ihn gefunden.

„Trainieren Sie immer oben ohne?", fragte ich, nachdem ich mich unauffällig hinter ihn positioniert hatte. Als er sich umdrehte konnte ich kurz seine Überraschung in seinen Augen sehen, doch er spielte mit.

„Ich genieße es, wenn mich die kleinen Mädchen anhimmeln.", meinte er und grinste arrogant.

„Tun sie das denn? Ich sehe hier hauptsächlich Jungs.", erwiderte ich.

„Nun ja, Sie sind hier und Sie mustern mich. Also wäre es zumindest schon einmal eine.", behauptete er und mein Mund klappte leicht auf, ehe ich ihn zu einem frechen Grinsen verzog.

„Es tut mir leid, aber da muss ich Sie enttäuschen. Ich bin kein kleines Mädchen mehr."

Ich wandte mich ab und ging ein Stück, wobei mich meine Füße von alleine zur Schießbahn brachten. Mir war klar, dass er mir folgen würde.

„Sie haben eine große Klappe. So etwas ist gefährlich in der heutigen Zeit.", meinte er, als sein Blick auf einen der Bögen fiel. „Treffsicher?"

„Natürlich.", behauptete ich, was viel zu selbstbewusst war. Mit Katniss Everdeen konnte man mich nicht vergleichen.

„Beweise.", verlangte er, was mich innerlich stöhnen ließ. Äußerlich dagegen versuchte ich ruhig zu bleiben, weswegen ich entschlossen nach dem Bogen griff.

Ich stellte mich in die Bahn und zielte auf die Scheibe, während ich mir schon überlegte was ich als Ausrede benutzte, warum ich nicht traf. Ich hatte mich nicht warmgeschossen.

Ich drosselte meine Atmung und konzentrierte mich nur auf mein Ziel, ehe ich den Pfeil losließ. Ich traf tatsächlich mitten ins Schwarze.

„Beeindruckend.", meinte Sam ehrlich, ehe er mich direkt ansah. „Woher gelernt?"

„Senna. Siegerin der 66. Hungerspiele.", erwiderte ich stolz.

Ich war damals 12 gewesen und es war mein erster Tag in dieser dämlichen Akademie. Sie hatte sich meiner erbarmt, da ich mich wirklich dämlich anstellte, und mir das Bogenschießen, ihre Meisterdisziplin, gelernt. Ich mochte sie, auch wenn viele sie fürchteten. Jetzt dachte wohl kaum noch jemand an sie.

„Nicht schlecht.", murmelte er, danach blickte er zur Uhr. „Ich muss Sie jetzt leider verlassen. Meine restliche freie Zeit werde ich noch am Strand verbringen."

Er nickte mir zu, danach wandte er sich ab und ging in Richtung der Waschräume. Ich dagegen dachte über seine Worte nach und mir war klar, dass es eine Aufforderung war. Sam wollte, dass ich zum Strand ging.


Elina Green - Wenn Hoffnung alles ist, was bleibt IIWo Geschichten leben. Entdecke jetzt