Ein Abend wie früher

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Kapitel 2: Ein Abend wie früher

David stand noch einen Moment in seinem Zimmer und lauschte auf die gedämpften Stimmen, die von unten zu ihm drangen. Die Gäste waren da, die Feier hatte begonnen – und er fühlte, wie sich die letzten Reste seiner Nervosität in eine seltsame Vorfreude verwandelten. Mit einem schnellen Blick auf das unscheinbare Paket unter seinem Bett drückte er die Gedanken daran zur Seite, atmete tief durch und öffnete die Tür.

Als er den Flur hinunterging, wurden die Stimmen lauter. Die vertrauten Klänge und Gerüche seiner Kindheit kamen ihm entgegen, als er die Küche betrat: das kräftige Lachen von Tante Sabine, das Rumpeln des Geschirrs, das Onkel Markus mit einem Karton in der Hand auf den Tisch stellte, und das sanfte Gemurmel seiner Großeltern, die bereits an ihrem gewohnten Platz saßen. Der Duft von Lisas selbstgemachtem Nudelauflauf hing in der Luft, gemischt mit dem süßen Aroma von Apfelkuchen, der noch im Ofen vor sich hin brutzelte.

„Da ist ja unser Geburtstagskind!", rief seine Großmutter fröhlich, stand auf und zog ihn in eine enge Umarmung. Ihr vertrautes Parfüm – eine Mischung aus Lavendel und Rosmarin – umgab ihn, und für einen Moment fühlte er sich geborgen. „Alles Gute, mein Lieber", sagte sie, und er erwiderte die Umarmung.

„Danke, Oma", murmelte David und zwang sich zu einem Lächeln, auch wenn er noch immer spürte, wie sein Herz schneller schlug.

Tante Sabine trat als Nächste vor, drückte ihn fest und überreichte ihm ein kleines, liebevoll verpacktes Geschenk. „Für dich, mein Großer", sagte sie. David nahm es lächelnd entgegen, doch innerlich fragte er sich, ob sie wohl ahnte, dass er heute ein ganz anderes Geschenk im Sinn hatte – eines, das er niemandem zeigen konnte. „Danke, Tante Sabine!", antwortete er, bevor er sich an den Tisch setzte.

Er begann, die Geschenke zu öffnen: das Strategiespiel von Onkel Markus, das ihn zu neuen Abenteuern herausforderte, ein Buch über Entdeckungen von seinen Großeltern, und von seiner Mutter die Armbanduhr, die er schon so lange heimlich bewundert hatte. Er bedankte sich bei jedem von ihnen und versuchte, das strahlende Lächeln in seinen Augen echt wirken zu lassen. Doch immer wieder drängten sich die Gedanken an das verborgene Paket unter seinem Bett in seinen Kopf.

Der Abend nahm seinen Lauf, und das Lachen erfüllte den Raum. Sie spielten das neue Kartenspiel und alte Familienklassiker, die immer wieder für Gelächter und freundschaftliche Sticheleien sorgten. „Du wirst doch bald ein junger Mann, David!", neckte Tante Sabine, als er einmal die Spielregeln nicht sofort verstand. „Zeit, dass du dich auch ein bisschen erwachsen verhältst." David spürte, wie ein Kloß in seinem Hals aufstieg, doch er zwang sich, ein Lächeln auf den Lippen zu behalten. Was bedeutete es, erwachsen zu sein? Und warum fühlte er sich so weit davon entfernt?

Das Abendessen war ein Fest für die Sinne – der dampfende Nudelauflauf, der goldbraun überbackene Käse, und die vertrauten Aromen, die ihn an unbeschwerte Tage in der Vergangenheit erinnerten. Seine Großmutter erzählte Geschichten von früher, und alle lachten, als sie über die alten Streiche und Spiele sprachen, die sie miteinander geteilt hatten.

„Weißt du noch, wie du als kleiner Junge immer draußen im Matsch gespielt hast?", sagte seine Großmutter plötzlich, und ihre Augen funkelten vor Freude. David spürte, wie seine Wangen heiß wurden. Sein Lächeln war diesmal echt, aber es war auch nervös. Ja, ich erinnere mich... dachte er, und sein Herzschlag beschleunigte sich, als seine Gedanken erneut zu dem geheimen Paket unter seinem Bett wanderten. Was, wenn sie wüssten...?

Die Stunden vergingen wie im Flug. Der Kuchen wurde serviert, der Kaffee duftete, und die Gespräche wurden ruhiger, gesättigt von gutem Essen und der Wärme der gemeinsamen Zeit. David fühlte sich wie in einer Art Dämmerzustand – irgendwo zwischen der Geborgenheit der Familie und den tiefen, unausgesprochenen Wünschen, die ihm niemand ansehen konnte.

Als die Gäste sich verabschiedeten, umarmten ihn seine Großeltern zum Abschied, und Tante Sabine gab ihm einen dicken Kuss auf die Wange. „Mach's gut, David. Wir sehen uns bald!", riefen sie, während sie die Treppe hinuntergingen. David sah ihnen nach, und ein Teil von ihm wollte ihnen alles erzählen – seine Unsicherheiten, seine Sehnsüchte. Aber ein anderer Teil wusste, dass es dafür noch nicht der richtige Zeitpunkt war.

Als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, legte sich eine angenehme Ruhe über das Haus. David half seiner Mutter, den Tisch abzuräumen und das Geschirr in die Küche zu bringen, bevor er selbst gähnte und sich die Augen rieb. „Du siehst müde aus", sagte Lisa lächelnd, „geh ruhig schon mal ins Bett."

David nickte. „Danke, Mama", antwortete er, drückte sie leicht und spürte ihre Wärme, bevor er sich zurück in sein Zimmer zog.

Er schloss die Tür hinter sich, und sofort waren die Stimmen und Geräusche der Feier nur noch ein fernes Echo. Er ließ sich auf sein Bett fallen, und seine Gedanken kehrten sofort zu dem Paket unter seinem Bett zurück. Er fühlte die weiche Decke auf seiner Haut, die Müdigkeit in seinen Gliedern, aber auch das leise Pochen seines Herzens – als rief es nach etwas, das noch tief in ihm verborgen lag.

Mit einem zufriedenen Seufzen drehte er sich auf die Seite und fiel in einen tiefen, unruhigen Schlaf. Doch in seinen Träumen gab es keine Verstecke – dort konnte er sich so zeigen, wie er wirklich war.

Davids AbenteuerreiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt