Die erste Woche der Freiheit

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Kapitel 3: Die erste Woche der Freiheit

David lag in seinem Bett und starrte an die Decke, die Dunkelheit seines Zimmers umschloss ihn. Der Abend war vorbei, die Stimmen der Gäste verklungen, und das Haus lag still. Aber sein Herz schlug immer noch schneller. Die Gedanken an den Abend vermischten sich mit etwas anderem – einer Art Aufregung, die er kaum zu benennen wagte.

Die Herbstferien hatten begonnen, und damit eine Woche, die ihm die Freiheit bot, nach der er sich schon so lange gesehnt hatte. Lisa musste jeden Morgen früh zur Arbeit, und David hatte das Haus bis zum späten Nachmittag für sich alleine. Eine geheime Zuflucht. Ein Ort, an dem er sein konnte, wer er wirklich war.

Am ersten Morgen nach seinem Geburtstag hörte David, wie die Haustür ins Schloss fiel. Er lauschte den Schritten seiner Mutter, die die Treppe hinuntergingen und schließlich in der Ferne verklangen. Er wartete noch einen Moment, nur um sicherzugehen, dass sie wirklich weg war. Dann sprang er auf, sein Herz hämmerte in seiner Brust. Mit schnellen Schritten ging er zu seinem Bett und zog das Paket hervor, das dort immer noch gut versteckt lag.

Das Rascheln des Papiers schien die einzige Geräuschquelle in dem stillen Haus zu sein, als er es öffnete. Die schwarze Matschlatzhose, die blaue Jacke – seine geheime Kleidung. Er zögerte einen Augenblick, die Aufregung war ihm fast zu viel. Doch dann zog er die normalen Klamotten ab und schlüpfte in die Hose, spürte das weiche Futter, das sich an seine Haut schmiegte, und das leise Quietschen der Gummistiefel auf dem Boden. Die Jacke schloss er bis zum Hals und zog die Kapuze über seinen Kopf. Ein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit überkam ihn, wie in einem geschützten Kokon.

David setzte sich an seinen Schreibtisch und startete den Computer. Für einen Moment fühlte er sich beobachtet, als könnten die Wände seiner geheimen Leidenschaft auf die Spur kommen. Doch mit jedem Klick, mit jeder Minute, die verstrich, wurde er entspannter. Er tauchte in die Welt der Spiele ein, verlor sich in den Abenteuern, die ihm den Atem raubten. Und die Kleidung – die fühlte sich einfach nur richtig an.

Die Stunden vergingen wie im Flug. David zockte, schaute Videos und genoss die ungestörte Freiheit, die ihm diese Stunden in seiner eigenen Welt brachten. Er war allein, ohne die ständige Sorge, jemand könnte ihn sehen oder verurteilen. Bis der Nachmittag heranrückte und er wusste, dass Lisa bald nach Hause kommen würde. Hastig zog er die Matschkleidung aus, legte sie wieder sorgfältig zurück in das Paket und schob es unter das Bett, als wäre es ein kostbarer Schatz, den er um jeden Preis beschützen musste.

Am Abend traf er sich mit seinen Freunden auf dem Fußballplatz. Niemand von ihnen ahnte etwas von seinem Geheimnis. Für sie war David der gleiche alte Kumpel, der mit ihnen lachte, Witze erzählte und Tore schoss. Doch innerlich fühlte er sich anders – zerrissen zwischen zwei Welten.

Jeden Morgen, sobald Lisa das Haus verließ, wiederholte sich das gleiche Ritual. David schlüpfte in seine Matschkleidung, fühlte sich sicher, geschützt, irgendwie ganz und gar er selbst. Er verbrachte seine Zeit anders als zuvor – er las Bücher über ferne Länder und Abenteuer, die ihn in eine andere Welt entführten. Die kalten, regnerischen Tage draußen verstärkten die Sehnsucht, drinnen zu bleiben, in seiner eigenen kleinen Blase, fernab von den Erwartungen der Welt.

Doch nachmittags, wenn die Uhr gegen ihn tickte und die Zeit knapp wurde, legte sich ein flaues Gefühl in seinen Magen. Er zog die Kleidung aus, versteckte sie sorgfältig und zog die gewohnten Sachen an. Alles musste genauso sein wie zuvor, damit niemand etwas bemerkte.

Abends traf er sich wieder mit seinen Freunden – sie gingen ins Kino, spielten Karten oder trafen sich auf dem Fußballplatz. David lachte mit, genoss ihre Gesellschaft, aber tief in ihm drin trug er ein Geheimnis, das ihn begleitete.

Die Tage der ersten Ferienwoche vergingen schnell, und jedes Mal, wenn er abends in seinem Bett lag, dachte er darüber nach, wie lange er dieses Versteckspiel noch aufrechterhalten konnte. Konnte diese Freiheit, die ihm so viel bedeutete, wirklich von Dauer sein? Oder würde irgendwann jemand hinter sein Geheimnis kommen?

Mit einem Seufzen drehte er sich auf die Seite. Die Frage blieb unbeantwortet, und ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen. Zumindest für den Moment gehörte diese Freiheit ihm allein.


> Am 18. September 2024 erwartet Sie die Veröffentlichung von Kapitel 4."

Davids AbenteuerreiseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt