Isa Bluminger zieht den Saum ihres Rockes noch ein Stückchen herunter. Es soll nicht aufdringlich sein. Sie hat eine dezente Farbe gewählt. Dunkelblau. Die Tochter des sylter Sprungpferdezüchters Ralf Bluminger lächelt dankbar, als ihr Vater ihr ein Champagnerglas in die Hand drückt. Diesen Sommer gibt sie Reitunterricht und organisiert Ausflüge für die Hotelgäste.
Isa ist eine gute Tochter, unterstützt das Familienunternehmen. Davon sollten sich ihre Schwestern mal eine Scheibe abschneiden, findet Isa. Sie nippt an dem Glas, lässt sich den Schluck auf der Zunge zergehen und hört zu, wie der Architekt des Gebäudes erklärt, was er sich beim Spa gedacht hat.
»Es soll etwas von der Härte der Nordsee wiedergeben. Dementsprechend wurde sehr viel mit Naturstein gearbeitet und Materialien, die entweder der Nordsee entspringen oder an sie erinnern.« Er spricht nasal und Isa kann nicht anders, als ihre Aufmerksamkeit langsam auf etwas anderes zu richten.
Auf jemand anderes zu richten. Sie findet ihr Beobachtungsobjekt in Oscar.
Oscar von Schilling wirkt viel weniger skandalös als man sich erzählt. Angeblich sei er in einer schlagenden Burschenschaft an der Universität Bonn und einwenig zu weit nach rechts gerutscht. Peppen würde er auch viel. Sein Vater sei kurz davor ihn zu enterben, wenn er sich nicht langsam zusammenreißt. Deswegen soll er die Semesterferien hier aushelfen. Angeblich an der Rezeption.
Hübsch ist er. Wie ein Model.
Die blonden Haare liegen perfekt frisiert glatt zurück und sein Anzug sitzt maßangefertigt. Die Augen sind stechend blau, die Nase wurde noch nie gebrochen. Isa trinkt noch einen Schluck.
Ihr Blick wandert weiter, bleibt an grünen Augen kennen, die sie am anderen Ende des großen Veranstaltungsraums, mit blaugemustertem Teppichboden und ausdruckslosen grauen Wänden, fixieren.Isa verzieht das Lippen zu einem höflichen Lächeln. Sie hebt ihr Glas an, als würde sie dem grünen Augenpaar zuprosten.
Auf der anderen Seite des Raumes nickt Romina nur. Isa sieht so erwachsen aus mit ihrem Glas, dem anständigen Kleid. Romi hingegen fühlt sich in weißem T-Shirt und Anzughose absolut unpassend gekleidet.
Sie hätte wissen müssen, dass es schick wird. Aber Oscar hatte sie schließlich auch spontan eingeladen - er konnte nicht erwarten, dass sie irgendein Kostümchen dafür im Schrank gehabt hätte.
Er grinst, als er sie sieht. »Hast es geschafft.«
»Ja, danke nochmal für die Einladung. Fühle mich nur ein bisschen deplatziert.«
Oscar lacht herzlich. »Ich bin mir sicher, hier fühlen sich insgeheim alle deplatziert. Aber verrat's ihnen nicht.«»Keine Sorge, das bleibt zwischen uns.«
»Sehr gut. Möchtest du etwas trinken?«
»Ja, gerne.«
Oscar verabschiedet sich kurz Richtung aufgestellte Bar und Rominas Blick gleitet wieder zu Isa. Finn fickt dich, geht ihr durch den Kopf. Ob er es auf die gleiche Art macht wie damals mit ihr?
Schnell verwischt sich der Gedanke wieder, als Oscar mit einem Glas für sie auftaucht.»Bittschön.«
Ein Champagner. Genauso ein Glas, wie es Isa in der Hand hat. »Danke dir.«
»Also Romina ... du warst lange nicht auf der Insel, oder?«
Sie runzelt die Stirn. »Woher weißt du das?«
»Von dem Polen.«
Romina verzieht fragend das Gesicht. »Welcher Pole?«
»Du weißt schon, diese beiden Brüder. Buslowski oder so.«
»Bukowski. Finn und Klaas.«
»Ja genau. Der Jüngere von beiden hats erzählt.«
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SYLT
Romance„Von Liebe hast du keine Ahnung, bist noch nie im Herzschmerz baden gegangen. Mit Badezusatz und buntem Schaum. Blutrot färbt sich die Haut. Willst es abwaschen, wird nur dunkler. Nur roter. Ich sag dir, der Sommer bricht dein Herz. Der Sand, das Me...