Kapitel 2

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Ich nickte ängstlich mit aufgerissenen Augen, bereit, mich der Person zu unterwerfen, solange ich dadurch lebend hier herauskam. Langsam löste die Gestalt den Arm um meinen Kopf und ließ von mir ab. Dann schritt sie an mir vorbei und bedeutete mir, ihr zu folgen. Die Person trug eine schwarze Jacke, die Kapuze tief ins Gesicht gezogen, so dass ich weder erkennen konnte, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte, noch ob ich es mit einem Jugendlichen oder einem Erwachsenen zu tun hatte. 

So leise wie möglich hetzte ich dem Umriss hinterher, bis wir die Treppe und schließlich den Ausgang erreichten. Als wir das Gebäude verließen und in die sternenklare Nacht traten, stockte mir der Atem. 

Vor dem Gebäude standen Dutzende Gestalten, einige dunkel gekleidet, wie mein bisheriger Führer, andere in dieselbe hellbraune Gefängnisuniform gehüllt, wie ich eine trug. Mein Begleiter packte mich am Arm und zog mich ganz nahe an ihn heran. 

„Bleib dicht bei mir und mach ja keine Dummheiten", flüsterte er mir zu. Wieder brachte ich nur ein perplexes Nicken zustande. Anschließend zog mich die Person mit sich durch die Gruppe an Leuten, von denen keiner etwas sagte. Als wir mitten in der Menschenmenge standen sah ich zwei Gestalten aus dem Gefängnis huschen. Ein dunkel gekleideter Schatten und ein Gefangener in hellbraun. Ein Umriss in der Menge pfiff zweimal leise, ein Geräusch das die Nacht durchdrang wie ein Pfeil. 

Daraufhin näherte sich die Gruppe eilig einem abgeschotteten Weg, auf dem einige Pick-Ups und Vans standen. Die Gestalt, die mich weiterhin am Arm festhielt, zog mich in einen Pick-Up und gab einer weiteren Person draußen ein Zeichen, bevor er die Tür schloss und den Wagen anwarf. Als ich einen Blick nach hinten wagte, sah ich, dass einige Leute auf die Transportfläche des Autos gesprungen waren. Anscheinend waren wir bereit zur Abfahrt. 

„Wie heißt du?", fragte mich plötzlich die Person am Steuer. Wir waren alleine im geschlossenen Fahrerhäuschen, deshalb konnte uns niemand hören. Ich beschloss, der Person wenigstens etwas zu vertrauen, schließlich sah es momentan so aus, als hätte sie mich befreit.
„Mein Name ist Luke", sagte ich daher. „Und wer sind Sie? Warum haben Sie mich mitgenommen?", fragte ich nach der darauffolgenden Stille.

Die Person nahm die Kapuze herunter und ich konnte zum ersten Mal ihr Gesicht sehen. Wie ich erkennen konnte handelte es sich um einen Jungen. Er musste etwa gleich alt sein wie ich. Seine goldbraune Augen musterten mich eingehend. Das kurze dunkelblonde Haar stand ihm wirr zu allen Seiten ab.

„Nenn mich ruhig Sam! Und bedanken kannst du dich später", meinte der Junge und schmunzelte. „Eigentlich waren wir im Gefängnis um unsere Leute zu befreien. Der Chef meinte, wir sollten alle anderen Gefangenen zurücklassen. Doch mir kam es falsch vor, dich ganz alleine dort herumirren zu lassen und den Leuten vorzuwerfen, die bald dort eintreffen werden", sagte er dann.

Ich zögerte einen Moment. „Eure Leute? Und was für ein Chef?", fragte ich, nun etwas misstrauischer.

„Leider gab es viel zu viele nette Menschen, viele davon Freunde von mir, die gefasst und für Dinge verurteilt wurden, die sie getan haben, um anderen zu helfen. Ich konnte nicht länger zusehen, wie die Menschen in meinem Umfeld nach und nach verschwanden. Zum Glück gab es andere, die dachten wie ich. Deshalb haben wir zugeschlagen und so viele wie möglich befreit", erklärte Sam. 

„Warte mal, du gehörst zu den Rebellen?", fragte ich und rutschte geistesgegenwärtig ein Stück näher zur Tür.

„Manche nennen uns so, ja", erwiederte Sam schlicht und zuckte mit den Schultern. Ich wusste nicht viel über die Rebellen, nur dass sie gnadenlos und zerstörerisch waren. Zumindest hatte man mir das so erzählt. Im Gefängnis hatten viele Gerüchte die Runde gemacht, bei den meisten war es unmöglich herauszufinden, ob sie der Wahrheit entsprangen.

Für den weiteren Verlauf der Fahrt schwiegen wir. Ich sah mich in der trostlosen Landschaft um, die wir passierten. Eine wüstenartige Landschaft mit vereinzelten Überresten alter Dörfer und Straßen. Kein Mensch war zu sehen, wie erwartet.

Es dauerte mindestens eine Stunde bis ich die ersten Umrisse von Fire entdeckte. Die grösste und mächtigste Stadt der Welt, und bald vermutlich auch die letzte. Einst war sie meine Heimat gewesen, doch nun wurde mir der Zutritt verweigert. Ich war ein Verbannter und würde sofort ins Gefängnis zurückkehren, würde mich jemand in Fire sehen. Und den Menschen in unserem und in den anderen Wagen ging es genauso. Entweder es waren Gefangene, oder noch schlimmer, Angehörige der Rebellen.

Wenn ich weiterleben wollte, würde ich für den Rest meines Lebens fliehen müssen.

Der Krieg der RebellenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt