It's okay to run slower

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Konnte er ihm einfach schreiben, dass er ihn süß findet? Was würde Jisung dann von ihm denken? Würde er wegen seiner Wörter wegrennen und nicht mehr zurück schreiben? Er kannte Jisung noch nicht gut genug, aber so gut, dass er wusste, dass Jisung kein Selbstbewusstsein besaß. Dass er alles, was er ihm schreibt, hinterfragte, als ob er ihn als Lügner abstempeln wollte. Jisung fragte ihn nicht nur direkt sondern auch indirekt in seinen Raptexten. Minho hatte die traurigen Zeilen, die Jisung verfasst hatte, gelesen. Fragte sich, was dem Jungen nur dazu veranlasst, so etwas herzergreifendes zu schreiben. Gegen welche Dämonen er kämpfen musste, um solche Raplines rauszubringen. 'Gefallen dir eigentlich deine Raplines?', fragte Minho ihn. In letzter Zeit fand er sich immer öfters auf die 3Rachaseite und las Jisungs Raptexte durch. Dort steckte so viel Gefühl und Selbstzweifel. 'Ich weiß nicht.' Früher konnte er Stolz in seiner Brust fühlen, sobald er einen neuen Text verfasst hatte aber jetzt? Nichts mehr davon war noch übrig. Alles verschlungen. Wahrscheinlich schon seit Anfang an. Jisung hinterfragte nicht nur das Chatten mit Minho, er hinterfragte sich in dem Moment, ob er wirklichen je stolz auf seine Texte war. 'Mir gefallen sie.'

'Danke.'

Nachdem Jisung ein neues Lied gepostet hatte, las es sich Minho wieder durch. In den Textzeilen handelte es sich um eine Liebe, die nie eine Chance haben konnte und verdammt war zu zersplittern. Minho überlegte. Hatte Jisung jemand, den er gern hatte und diese Person ihn nicht mochte? Waren seine letzten Texte so traurig? So gezeichnet von Hoffnungslosigkeit? Er wollte wissen, was sein neu erworbener Kumpel bedrückte. Ja, er konnte Jisung mittlerweile als sein Freund betrachten. Nur er selber würde es bestreiten. „Hey, Jisung? Gibt es eigentlich jemand, den du gerne magst?" Jisung starrte ungläubig den Bildschirm und konnte für einen Augenblick nicht atmen. Minho hatte ihn nur gefragt, ob er in jemand verliebt war. Wieso klopft sein Herz dann so unnatürlich laut? Wieso wurden seine Wangen mit einem Schlag warm? Er würde Minho erzählen, dass es er war, den er gerne mag, deswegen schrieb er nur ein 'Vielleicht. '

Vielleicht war aber nicht die Antwort auf Jisungs Textzeilen. Dort hatte er kristallklar gesagt, dass er in jemanden verliebt war. Nicht direkt aber in vielen verschiedenen Worten verschachtelt. Minho konnte es trotzdem lesen. Er hatte gelernt die Jisungs Worte immer besser zu deuten und immer mehr zeigte sich der wahre Jisung, der sich hinter seinen Raptexten versteckte. „Und hast du es der Person gesagt. Du bist echt ein netter und wundervoller Junge." Minho hat das wirklich geschrieben. Das waren keine Halluzinationen. Keine Paranoia, die Jisungs Verstand verdrehte. Minho fand ihn wundervoll. Jisungs Herz schlug weiterhin so laut und kräftig, dass es hart gegen seine Rippen schlug. Und so nett Minho war, wusste Jisung, dass er wieder log. Er log in letzter Zeit sehr oft. Der talentierte Tänzer erzählte ihn immer wieder, wie toll seine Raptexte sind. Bitte hör auf zu lügen. Bitte, Minho. Ich ertrage es nicht. Ich kann diese leere Wörter nicht mehr hören. Bitte, hör endlich auf. Ich bin nicht so toll, wie du denkst. 'Bist du noch da?', fragte Minho, nachdem Jisung für eine geraume Zeit nicht mehr zurück geschrieben hatte. Er wusste einfach nicht, was er auf Minhos Lügengeschichten antworten soll. 'Vielleicht kann ich dir ja helfen? Wir sind ja jetzt Freunde :)'


Hör auf. Hör auf mich als Freund zu bezeichnen. Ich kann nicht dein Freund sein. Dazu bin ich zu untalentiert. Was siehst du in mir, wenn ich nichts erreichen kann? Ich schaffe es nicht mal, mehr Leute zu inspirieren, wie du. Und das musste etwas heißen. Minho hatte so viele Follower und das bedeutete auch, dass er alle inspirieren kann, ihnen positive Gefühle einflößen konnte, aber was war er? Nur der Jisung, der ab und zu ein gutes Lied raus bringen konnte? Er hinterfragte sich immer mehr. Hatte er je Leute mit seinem Gefühlschaos inspiriert? Genau so traurig zu sein, wie er vielleicht, aber wer wollte traurig sein? Trauer ist ein schlechtes, schmerzendes Gefühl, welches man am liebsten aus seinem Leben verbannen wollte. Wer würde es sich freiwillig in seine Adern fließen lassen? Wer würde sich Jisungs Trauer freiwillig geben, wenn die Menschheit sich stets auf Glück und Liebe sehnte? Wenn sie am liebsten nie wieder von ihren rosa Wolken aufstehen wollten und nie ihr Lächeln verlieren wollten? Nein, das konnte Jisung niemanden geben. Er war schließlich nicht Chan. Seine Hände waren nicht voller farbenfrohen Ideen, wie die von seinem Kumpel. Seine waren grau. Wieso schrieb Minho mit ihm, wenn er ihm das Gefühl gab, dass nie etwas in Ordnung sein wird? Dass sein Kopf nur traurige Ideen ausspucken wird, anstatt fröhliche? Minho wird gehen. Ganz sicher. Er wird sich vor Jisungs Dunkelheit retten wollen.

Aber er blieb und fragte das Entscheidende: 'Willst du dich mal mit mir treffen? Felix hat mir gesagt, dass du auch in Seoul lebst.' Felix? Zuerst Chan und jetzt Felix. 'Hat er dir Geld dafür gegeben?' Obwohl einige Zeit zwischen den beiden vergangen war, sprach Jisung immer noch von der Geldsachen. Er konnte einfach nicht glauben, dass Minho ihn gern hatte. Automatisch wollte Jisung 'Nein' sagen, weil er es nicht anders gewohnt ist. Er glaubte ihm immer noch nicht. Minhos Lügen wurden immer schmerzhafter. 'Lieber nicht.' Minho wurde traurig. Jisung wollte ihn nicht sehen. Dabei hatte er immer das Gefühl gehabt, dass der süße Eichhörnchenjunge sich gut mit ihm verstand und dass er jemanden brauchte, der ihn wegen der unerwiderten Liebe trösten konnte. Da waren Chan und Felix aber sie schienen zu versagen. Es war schwer jemanden aufzuheitern, der am Boden lag. Minho wollte Jisung am liebsten sehen. Ihn in den Arm nehmen und ihn ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Er war gerade auf dem besten Weg sich in den verletzten Jungen mit den traurigen Texten zu verlieben. Sobald er mit Jisung schrieb, wollte er ihn vor alles und jedem beschützen und einfach nur bei ihm sein.

'Wieso nicht?'

 'Weil einfach so.'

Minho verstand ihn überhaupt nicht. Der süße Junge, der so schüchtern war und sich so erhofft hatte, dass er mit ihm schrieb, war es nicht mehr wichtig ihn zu sehen. 'Ich hab mich darauf gefreut...aber wenn du nicht willst, dann lass ich dich damit in Ruhe'. Nein, ich will dich sehen. Ich will dein süßes Gesicht mit meinen eigenen Augen sehen. Mich vergewissern, dass du wirklich da bist. Mich vielleicht sogar in den Arm nimmst und mir sagst, dass alles gut wird. Dass du mir über die Haare streichelst, während ich mich an dich schmiege. Ich wünschte, es wäre so leicht. Ich wünschte es wäre so leicht, dir zu sagen, dass ich dich liebe, aber es geht nicht. Es geht einfach nicht, weil ich viel zu schlecht für dich bin. Du vergeudest nur deine Zeit mit mir. Ich weiß bis heute nicht, wieso du so nett zu mir bist, wenn ich es nicht verdient hab. Jisung lies den Tornado seiner negativen Gedanken freien los und merkte nicht, wie er leise vor sich hin weinte. 

My pace, my grave (Minsung FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt