Kapitel I|1

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Kensuke Ushio - looking for something

~ Cajsa~


»Wenn man Macht und Blut hat, hat man keine Freiheiten.«
Dies war der einzige Satz, den Mirza Birakomeye jemals der Presse zugewendet hatte.

Es war das Leben der Mächtigen, welche man eigentlich so beneidete - man sehe sich die Helden der Welt an. Dabei beneideten diese wahrscheinlich häufig genug uns - die Normalen der Bevölkerung – die, die nirgends sonderlich hervorstachen.

Unsere Freiheiten, unsere Kontakte, unsere Tagesgestaltung, Bekannte, Freunde und Berufe. Und während andere sich wohl sehnlichst wünschten, eines Tages Ruhm und Macht zu erlangen, war ich ganz froh damit eine gesellschaftliche Nulpe zu sein.

Aber ich hätte die Wahl. Weder wurde ich – wie dieser Erbe – hoch geboren, noch hatte ich bisher irgendwas Nennenswertes geleistet. Aber ich könnte bestimmt irgendwas machen, was mich auf den Schirm der Leute bringen würde.
Mirza, und jeder der anderen Erben, würde sein Leben in der Öffentlichkeit verbringen.

Nur eine hatte es geschafft zu entkommen.

Kanon Cyubahiro blieb verschwunden.

Es rankten sich zahlreiche Artikel und Geschichten um ihr Verschwinden.

War sie freiwillig gegangen?
Hatte ihr Clan sie verbannt?
Wurde Kanon vielleicht entführt?

Andere waren derweil fest überzeugt, dass das Mädchen - aktuell wäre sie wie ich zwanzig Jahre alt - nicht mehr unter uns weilte.

Einen Erben von so großem Kaliber wie Kanon hätte man schon längst gefunden, da es im Grunde keinen Ort gab, in dem die Erben der Clans unbekannt waren.

Irgendwo teilte ich diese Ansicht.

Es war merkwürdig, dass sie damals so plötzlich verschwunden war.

Das Einzige, was die Öffentlichkeit wusste, war, dass es damals einen Riesentumult am Anwesen der Cyubahiros gegeben hatte und angeblich waren Unzählige gestorben. Wo sich – verständlicherweise – die Frage auftat: was war damals wirklich passiert? Die Verschwiegenheit machte es da nicht besser. Es ließ die Leute denken, dass irgendwas nicht stimmte.

So tickten die Menschen: sie wollten die Wahrheit.

Ich nahm mein Handy in die Hand und klickte die erste Schlagzeile an, die mir entgegensprang, als ich den Namen der Erbin in der Suchzeile eingegeben hatte.

Zehn Jahre nach dem Cyubahiro-Massaker: Gibt es weitere Hinweise?

Natürlich gab es die nicht. Wie auch? Die Clans waren eh schon verschlossen und mindestens so gut geschützt wie der Königspalast im Zentrum der Hauptstadt.

Die ersten drei Clans – Cyubahiro, Birakomeye und Icyatsi – setzten noch eine Schippe auf das Ganze rauf.

Ihre Territorien befanden mitten im Meer von Salut. Man kam nicht mal irgendwie unbemerkt an die Clans ran, wenn sie dies nicht ausdrücklich zuließen.
Hatten es dann doch mal irgendwelche Idioten versucht, waren diese danach nicht mehr sie selbst.

So kam es seit der Gründung der Clans immer mehr dazu, dass sich die Menschen gleicherweise fürchteten und sie bewunderten.

Immerhin waren es damals die Clans gewesen, die Nairn im großen Krieg zum Sieg verholfen hatten. Mit riesigen Verlusten.

Ich las mir den Artikel gar nicht weiter durch und setzte meinen Weg fort durch den Park.

Ich grüßte die Vorbeikommenden freundlich knapp und beobachtete eine Mutter mit ihren beiden Söhnen, die total fasziniert von dem Nebel waren. Sie wirkten etwas verwirrt, dass sie mitten im Grau standen, es aber nicht berühren konnten, obwohl es doch überall um sie herum war.

Heir ~ Unter dem Himmel so blauWo Geschichten leben. Entdecke jetzt