- sechs -

34 8 0
                                    

[Trigger/Content Warnung: Absichtlich falsche Darstellung von Therapie und Therapeuten in dieser Geschichte ]

"Darf ich es mir vielleicht gemütlicher machen?", fragte ich höflich nach und richtete mich auf dem abgenutzen Sessel auf.
"Natürlich."
"Wäre es ein Problem wenn ich mich auf den Boden lege und die Füße hochhebe? Ich habe Rückenschmerzen und es ist etwas unangenehm die ganze Zeit zu sitzen."
"Absolut kein Problem."
Mit einem lächelnden 'Danke' glitt ich aus dem Stuhl und legte mich auf den sauberen Teppichboden in der Mitte des Raumes. Meine Beine hob ich hoch und legte sie auf dem Sessel ab. Mein Rücken dankte mir mit einem leisen erleichterten Knacksen. "Darf ich meine Kopfhörer einsetzen mit ganz leiser Musik?"
"Nein."
"Irgendwelche Hintergrundgeräusche über das Radio?"
"Nein."
"Ohrstöpsel?" Meine letzte Hoffnung.
"Nein."

Also pure Stille - zu mindestens meinem Therapeuten nach, denn für ihn schien es einfach unbegreiflich zu sein, wie viel ich hier in seinem ach so ruhigen Raum hörte. Angefangen bei all den Fußgängern und schreienden Kindern auf der Straße obwohl seine Ordination im achten Stockwerk auf eine Grünfläche ausgerichtet war, dann das Gestreite in drei Wohnungen auf verschiedenen Stockwerken seines Wohnhauses und all die fragwürdigen Geräusche aus dem Hotel auf der anderen Straßenseite, das versteckt im Keller ein Casino und ein Bordell hatte. Aber am meisten störte mich ein tropfender Wasserhahn aus der Wohnung nebenan und wie da jemand zu Musik aus Kopfhörern heiter dazuhummte und ab und an Geräusche einer Sprühflasche zu erkennen waren, was ich mit Putzen interpretierte.

"Warum fangen wir nicht bei den aktuelleren Geschehnissen in deinem Leben an, Lissia? Beispielsweise die vom letzten Freitag. Greta hat mir bereits kurz davon berichtet, aber warum erläuterst du mir denn nicht deine Sichtweise auf die Dinge?"
Warum erläutere ich ihm denn nicht wie manipulativ und einschüchternd diese Aussage war? Warum erläutere ich ihm denn auch nicht gleich dazu, dass ich mich unwohl dabei fühlte, wie sehr er meinen Körper jedes Mal unauffällig anstarrte? Wenn ich auf dem Boden lag, dann musste ich zumindestens nicht ständig zu ihm schauen und miterleben, wie er mich angafft.
Seufzend schloss ich die Augen und versuchte meinen Fokus vom tropfenden Wasserhahn und seinem intensiven Starren abzulenken. Meinen letzten Ohrwurm holte ich mir in den Kopf zurück und summte ihn innerlich vor mich her. Aleksander - ein ehemaliger Studienkollege und Freund von Luna, der im Gegensatz zu ihr das Studium beendet hat - wiederholte seine Frage mit einem schmierigen Unterton in der Stimme.

Er wusste genau was passiert ist. Alpha hat es bestimmt sofort nach dem Geschehen Luna erzählt und sie hat es ihm mit Freude weitergeleitet. Und was bedeutete hier überhaupt 'meine Sichtweise der Dinge'? Welche Sichtweise gab es denn sonst? Alphas kann ja nicht so weit von meiner abweichen, da er ja verstand was mit mir geschehen war und wie das alles so ausgeartet ist. Er hätte besser Bescheid wissen müssen, als mir einfach die Kopfhörer abzuziehen und mich an einem Platz festzuhalten, wenn es mir offensichtlich nicht gut ging.
"Lissia, dir ist bewusst, dass das Rudel für deine Therapie aufkommt. Ich erhalte mein Gehalt ob du nun redest oder nicht.", warf er mir leicht verwerflich auf mein nachdenkliches Schweigen zu und sah in seine Notizen. Das Rudel kam nicht nur für meine Therapie auf sondern auch für die der achtzehn anderen Werwölfe aus meinem Rudel die Therapie benötigen. "Ich an deiner Stelle würde aus Respekt und Achtung vor dem Rudel lieber die bezahlte Zeit nützen, als sie so zu verplempern." Das Rudel kam doch auch für jeden Beautytermin von Luna und Coco auf. Alpha ist doch nur noch ein wandernder Bankautomat für sie.

"Meine PMS war stark an dem Tag.", fing ich ergebend zum Reden an und starrte die ausgeschaltene Deckenleuchte an. "Ich hatte keinen Heißhunger, aber dafür Krämpfe, so ein unangenehmes Übelkeitsgefühl und ich bin mit Rückenschmerzen aufgewacht. Da habe ich schon gewusst, dass es kein guter Tag werden würde. Irgendwo im Wald wurden frühmorgens schon einige Bäume gefällt und das Geräusch der Kettensäge ist mir in den Ohren gehangen, wie wenn jemand mit einem Presslufthammer meinen Kopf fixiert hätte. Beim Rudelfrühstück hat mir jedes unabsichtliche Kratzen von Teller und Messer eine schlimme Gänsehaut über den Körper fahren lassen. Draußen war es warm und in der Schule stickig selbst bei offenen Fenstern. Zum Glück war es nach der letzten Stunde etwas kühler und windiger auf dem Weg zurück zum Packhaus-"

Du hast das Ende der veröffentlichten Teile erreicht.

⏰ Letzte Aktualisierung: 4 days ago ⏰

Füge diese Geschichte zu deiner Bibliothek hinzu, um über neue Kapitel informiert zu werden!

Spitz deine Ohren, Wolf!Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt