4. Kapitel

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Gespannt starrte ich das große Gebäude an. Die Backsteinmauer war abgenutzt. Seufzend schob ich mein Rad vor mir her.  Meine Rippen taten nicht mehr allzu weh. Vorsorglich hatte ich eine IBU genommen. Der Streit mit Rick vor gut zwei Wochen war auch der letzte.
Ich fühlte mich zum ersten mal fit und ausgeruht, für die Arbeit.
Entschlossen betrat ich die Wache.
Jacky kam mir entgegen. „Hallo Jules. Du bist pünktlich." strahlte sie mich an. Ihre blonden Haare steckten in einen festen Zopf.
„Ja endlich. Ich kann's kaum erwarten." aufgeregt ging ich neben ihr her. In den umkleiden tauschte ich meine Chino Hose gegen die rot gelbe Rettungskleidung.
„Was ist mit deiner Stirn passiert?" fragte sie frei heraus, kurz schreckte ich zurück. Hasste es mir immer neue Lügen einfallen zu lassen.
„Ich bin gestolpert und mit den Glas in der Hand hingefallen." zerknirscht lächelte ich. Konnte nur hoffen das sie das glaubte. Zu meiner Erleichterung nickte sie. „Du bist aber auch schon ein Pechvogel." zusammen traten wir aus der Tür.
Im Aufenthaltsraum sprangen Dustin und Manni aufgeregt auf. „Wuhu Feierabend." schrie der jüngere von beiden. Dustin flitzte an mir vorbei und drückte mir den Melder in die Hand.
„Viel Spaß." schon war er verschwunden. Verwundert blickte ich ihn hinterher. So hatte ich ihn noch nie erlebt. „Der fährt heute mit seiner Freundin in den Urlaub." kommentierte Phil meinen Blick.
Ich lächelte ihn zu. Ich mochte den Notarzt, er war stets höflich und immer mit einen Lächeln auf den Lippen.
„Du hast heute die Ehre mit mir zu fahren." hörte ich hinter mir die Stimme von Alex. Sofort zuckte ich zurück. Ich hatte gehofft, das er heute nicht da war, dass ich meine erste Schicht ohne seinen prüfenden Blick hinter mich bekommen kann.
Ich verdrehte die Augen. Jacky neben mir lachte vergnügt auf. „So schlimm ist er nicht." flüsterte sie mir zu. „Mehr wie schlimm." murrte ich. „Was sich liebt ,das neckt sich." ein breites Lächeln erschien auf ihren Lippen und sie zwinkerte mir verschwörerisch zu.
„Ja dann geh ich mal das Auto checken." Ich drehte mich um und ging an den Notarzt vorbei. „Jules warte." mit einen schnellen Schritt war er neben mir. „Was hast du am Auge angestellt?" wollte er wissen. „Sorry Alex. Du hast mir letztens erklärt wie wichtig es ist, dass Auto sofort zu checken." Geschickt wand ich mich aus seinen Griff und floh aus der Küche.
Unten angekommen atmete ich einmal tief durch. Wusste das es die Ruhe vor dem Sturm war. Alex würde nicht ruhen bis ich ihn erzählte was los war. Ich hoffte nur er glaubte mir dann und bohrte nicht nach.
Schon spürte ich seine Präsenz in meinen Rücken. Eine Schauer überzog meinen Körper und bescherte mir eine Gänsehaut. „Sorry es war dumm von mir, dich letztesmal so an zumachen, obwohl Jacky wirklich zu dir gesagt hat, dass sie das Auto aufgefüllt hatte." entschuldigte er sich zu meiner völligen Überraschung.
Ich nickte, brachte keinen Ton heraus. Der Arzt hatte sich noch nie bei mir entschuldigt. Schweigend half er mir. Wir checkten das Auto. Beim Verbandmaterial fehlten ein paar Kompressen. Ich ging in den Vorratskeller und holte die Päckchen. Alex kam ebenso herein. Lässig lehnte er sich an die Wand. Verschränkte seine Arme vor der Brust.
„Jules erzähl mir, was mit deiner Stirn passiert ist." Nervös fasste ich die Wunde an. „Ich bin gestolpert und hin gefallen." log ich. Alex kam näher, er musterte meine Stirn. Ich senkte meinen Kopf, starrte den Boden an. Konnte den Arzt nicht in die Augen sehen. Er umfasste mein Kinn und zwang mich ihn in die Augen zu sehen. Seine warmen Augen glitzerten. „Ich mach mir doch nur sorgen um dich." vorsichtig strich er über die Wunde. „Das hätte sich ordentlich versorgt gehört. Gerade du, solltest wissen wie wichtig eine ordentliche Wundversorgung ist. Das hätte sich aufjedenfall genäht gehört." er trat einen Schritt zurück. Seine Miene wurde wieder härter. Die Situation war komisch. Alex war mit definitiv zu nah. „Ich hab es nicht für nötig gehalten." entschlossen reckte ich mein Kinn in die Höhe. Ich war es leid mich rechtfertigen zu müssen. 
Ein lautes piepen durchbrach das Gespräch. Sofort verließen wir den Raum. Ein Einsatz jagte den nächsten.

Geschafft setzte ich mich auf die Bank in der umkleide. Meine Haare tropften in Sekundentakt den Boden nass. Die Dusche tat gut.
Unser letzter Patient meinte seinen Magen Inhalt leeren zu müssen. Als ich daneben stand.
Mich grauste es nach Hause zu gehen. Ich war viel zu spät. Rick verstand es nicht. Schließlich war ich für das Essen zuständig und er wurde so unfassbar schnell eifersüchtig. Seufzend stand ich auf. Streckte meine Gelenke durch und zog mich fertig an. Meine Dienstkleidung schmiss ich sofort in die Wäscherei. Mit schnellen Schritten ging ich zu meinen Rad und fuhr los.
Gedanken verloren fuhr ich über den Radweg. Immer wieder weg mit meinen Gedanken achtete ich nicht auf meine Umgebung. Ich fuhr gerade über eine Vorfahrtsstraße. Als ich ein ohrenbetäubendes Quietschen hörte. Ich bremste abrupt. Der Aufprall kam unerwartet, aber heftig. Mir blieb die Luft zum Atem weg. Das Auto was augenscheinlich in mich hinein gefahren war, stand wenige Meter weiter. In seine Seite ist ein klein Transporter gefahren.
Stöhnend drehte ich mich auf die Seite. Meine lädierte Rippe stach. Noch dazu waren meine Hände und Knie aufgeschürfte.
Keinerlei Regung kam aus den verunfallten Fahrzeugen. Ich setzte mich langsam auf. Nahm meinen Helm ab und stand auf. Zügig ging ich zu dem Auto. Beide Airbags waren offen. Der Auto Fahrer saß kerzengerade im Auto. Automatisch wählte ich den Notruf. Ich hoffte sie brauchten nicht allzu lange. Im Dienst wär es reine Routine gewesen. Jetzt hier so allein zu stehen, ohne Ausrüstung, war die Hölle.
Immer wieder wechselte ich zwischen den zwei Personen hin und her. Beide waren ansprechbar. Der Auto Fahrer hatte einen ziemlichen Schock. Er stammelte immer wieder wirres Zeugs. Gefühlt Stunden hörte ich das vertraute Geräusch des Martinhorn.
Erleichtert fuhr ich mir übers Gesicht. Erschrocken zuckte ich zusammen. Meine ganze Hand war voller Blut. Ich betrachtete mich im Spiegel. An meiner Schläfe floss Blut hinab. Ich sah wahrscheinlich schlimm aus.
Notgedrungen wischte ich mir das Gesicht mit meinen Pullover ab. Aus den RTW sprangen Nick und Dustin. Sie kamen sofort herbei. „Jules?" schockiert musterte mich Nick. Ich winkte ab. „Halb so wild. Kümmert auch um die Autofahrer. Beide ansprechbar." zu mehr reichte meine Kraft nicht mehr. Ich fing unkontrolliert an zu zittern.
Mit einen wahnsinnigen Tempo blieb das NEF neben den RTW stehen. Franco sprang aus der Fahrerseite aus. Sofort blickte er sich um. Als er mich sah, verdunkelte sich sein Blick. Besorgt zog er die Stirn kraus.
„Bitte lass es nicht Alex als Notarzt sein." betete ich leise vor mich hin. Zu meinen Glück sprang Oliver Dreier heraus. Mit ihn hatte ich noch nicht allzu viel zu tun. Er war einige Zeit krank. Er verlor keine Zeit und ging mit schnellen Schritten zu den Unfall.
Franco kam zu mir. „Jules was ist passiert?" fragte er mich. Kurz schilderte ich ihn den Unfall. Ließ natürlich aus, dass mich das Auto ebenso erwischt hatte. Mein Fahrrad lag verbeult einige Meter weiter auf den Radweg. „Mädchen du zitterst." sofort nahm Franco mein Handgelenk und maß den Puls. Ich wusste ohne das er was sagte das er zu hoch war. Am liebsten würde ich mich auf den Boden legen und die Augen schließen. Einen kurzen Moment die Schmerzen in meinen Kopf vergessen. Den Unfall ausblenden.
Ich schloss für kurze Zeit meine Augen. Fuhr mir mit der Hand übers Gesicht. Ricks Gesicht tauchte vor meinen inneren Auge auf. Sein finsterer Blick der mich sofort wissen ließ, dass ich zu spät war.
Erschrocken riß ich meine Augen auf und stolperte einen Schritt rückwärts. Instinktiv griff Franco nach meinen Oberarm und hielt mich fest.
Voller Schmerz zischte ich kurz auf. Ich musste drauf gefallen sein.
„was ist los?" fragte er besorgt. Sofort versuchte er mich abzuscannen. Meine Schmerzen ausfindig zu machen. „Nichts alles gut." wimmelte ich den Italiener ab. „Ja genau das seh ich." Seine stimmt bekam einen scharfen Unterton. Sofort schweifte sein Blick über den Unfall, bis er an meinen demolierten Rad hängen blieb.
„Oli wir haben hier noch eine Verletzte."
Schrie der Sanitäter in einer Lautstärke über den Platz. „Hol noch einen RTW. Notarzt brauchen wir keinen weiteren. Ich komm gleich zu dir."
„Das kannst du dir sparen. Ich fahr eh nicht mit." zischte ich verächtlich in seine Richtung.
Mittlerweile war ein ganzes Aufgebot an Blaulichtern hier. Ich ahnte Böses als der nächste RTW angefahren kam. Dustin und Nick blickten kurz von ihrer Arbeit auf.
Franco hielt mich noch immer fest. Ich zitterte stärker. Schwindel überkam mich. Ob es an den Unfall lag, oder an den Personen die aus den Rettungswagen ausstiegen, konnte ich nicht beurteilen.
Langsam ließ ich mich nach unten sacken. „Hey was ist los?" sofort stürzte mich der kleine Mann. „Ich kann nicht mehr stehen. Ich muss mich setzten." gab ich ehrlich zu. Ich setzte mich auf den Bordstein. Mit Argusaugen beobachtete ich die RTW Besatzung. Zu gut kannte ich die zwei Männer. Der eine groß gewachsen und muskulös. Der andere eher schmächtiger.
Franco redete non stop auf mich ein. Ich hörte ihn nicht mehr zu. Zu gefangen war ich in meinen Gedankengängen.
Mein Zittern verstärkte sich. Es war nicht förderlich, dass ich heute gar nichts gegessen hatte.
Immer wieder driftete ich kurz ab. Schreckte wieder hoch. „So ich schau mir das hier nicht länger an." der Sanitäter neben mir stand auf und drehte sich um. Zielstrebig ging er auf die zwei Männer zu. „Franco nein." rief ich ihn noch nach. Er hörte mich nicht, oder er wollte mich nicht hören.
Magnus, der größere von beiden, sah in meine Richtung. Zu dritt kamen sie herbei.
Anton sah mich skeptisch an. „Wieso wundert es mich nicht. Das du hier so sitzt?" Seine Augen glänzten schelmisch. Die zwei waren auf meiner alten Wache. Ständig mobbten sie mich. Machten sich lustig über mich. Sie waren mit einer der Gründe, dass ich sie verlassen hatte. Ein beklemmendes Gefühl machte sich in mir breit. Ich wollte nicht das sie hier waren. Wollte nicht das sie die anderen anstachelten mich zu ärgern. Ich fühlte mich gerade wohl auf der Wache. Die Kollegen waren freundlich und aufmerksam. Ganz anders als die Leute von der Nord wache.
„Anton lass es gut sein. Mir fehlt nichts." flüsterte ich leise. Sofort ärgerte ich mich über mich selbst. Ich wollte ihnen die Stirn bieten. Wollte ihnen sagen, wie scheiße sie waren. Ich traute mich nicht, hatte Angst vor ihnen. Das Scham Gefühl war groß. Franco sollte nichts davon wissen. Er würde wissen was für ein leichtes Opfer ich war.
„Hey was geht denn hier ab?" fragte Franco verwirrt. Ich schüttelte den Kopf, konnte es nicht erklären. „Sie sind meine ehemaligen Kollegen." war alles was ich hervor brachte.

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