Kapitel 4

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Der nächste Tag begann wie jeder andere: früh, hektisch und voller Nervenkitzel. Ich war schon in der Boxengasse, bevor die Sonne ganz aufgegangen war, und bereitete die letzten Details für die Medienarbeit vor. Die Crew war überall, die Mechaniker prüften jede Kleinigkeit, und die Spannung in der Luft war förmlich greifbar.

George kam grinsend auf mich zu und reichte mir einen Kaffee. „Guten Morgen, Harper. Heute bist du wohl die Erste im Fahrerlager." Ich lächelte dankbar und nahm den Kaffee an. „Danke, George. Ich brauche diesen kleinen Vorsprung, um mit dem Stress klarzukommen." Er setzte sich auf den Boxenrand neben mich und sah mich prüfend an. „Kommst du gut klar? Die Formel-1-Welt kann ganz schön erdrückend sein, wenn man neu ist." „Ja, ich komme klar. Es ist einfach... viel." Ich versuchte, das Thema zu wechseln. „Und du? Bereit für den großen Tag?" George grinste nur. „Das bin ich immer."

Unsere Unterhaltung wurde durch die ersten lauten Motorengeräusche unterbrochen. Die Teams begannen, die Autos für das Training auf die Strecke zu bringen, und ich bemerkte, wie Charles, Max und einige andere Fahrer sich für ihre Runden vorbereiteten. Die Mischung aus Aufregung und Nervosität hatte etwas Anziehendes, und ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen. Trotz allem liebte ich diesen Job und die Herausforderungen, die er mit sich brachte.

Später am Tag, nach dem Training, sammelten sich alle in der Team-Lounge für eine Besprechung. Die Atmosphäre war locker, aber dennoch fokussiert. Als ich den Raum betrat, traf mein Blick kurz auf Lando, der mit seinem McLaren-Team in der Ecke saß. Sein Gesichtsausdruck war undurchdringlich, und ich fragte mich, ob ich mir seine Kälte nur einbildete oder ob sie tatsächlich existierte.

Mia setzte sich neben mich und warf mir einen vielsagenden Blick zu. „Also, wie war's gestern mit Charles? Ihr habt doch fast den ganzen Abend miteinander verbracht." Ich rollte mit den Augen. „Es war nett, ja. Wir verstehen uns gut, aber... es ist nichts Besonderes, Mia. Ich bin hier, um zu arbeiten, und nicht für irgendwelche Romanzen." Sie lachte und stupste mich an. „Harper, du bist viel zu ernst! Du hast das Recht, das Leben auch ein bisschen zu genießen. Du musst doch nicht gleich heiraten."

Ich lächelte leicht, doch tief in mir war ich mir nicht sicher, was ich eigentlich wollte. Meine letzte Beziehung war gerade erst gescheitert, und das letzte, was ich brauchte, war ein neues emotionales Durcheinander. Trotzdem blieb ein gewisser Reiz – dieses Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein, die Formel 1 so intensiv zu erleben und sich von dieser Welt mitreißen zu lassen.

Am Abend lud George mich zu einem kleinen Treffen mit ein paar Fahrern in eine nahegelegene Bar ein. Zunächst war ich zögerlich, wollte eigentlich nach einem langen Tag nur ins Bett, aber George überzeugte mich schließlich, mitzukommen. Als wir ankamen, sah ich, dass sich neben George auch Carlos, Max und Charles schon an einem Tisch versammelt hatten. „Harper! Gut, dass du es doch noch geschafft hast", rief George mir fröhlich zu und winkte mir einen freien Platz neben sich zu.

Ich setzte mich und ließ mich von der lebhaften Stimmung anstecken. Die Jungs waren in ihrem Element, und die lockere Art, wie sie miteinander umgingen, schaffte eine entspannte Atmosphäre, die genau das war, was ich nach diesem Tag gebraucht hatte. Carlos erzählte gerade eine lustige Geschichte aus seiner Rookie-Zeit, und selbst Max, der sonst eher ruhig war, konnte sich das Lachen nicht verkneifen. „Also, Harper", begann Carlos, als ich mich setzte, „was denkst du über das Rennen morgen? Glaubst du, Mercedes hat eine Chance, die Top-Plätze zu erreichen?" „Natürlich", antwortete ich mit einem Schmunzeln. „Haben wir nicht schon genug Siege eingefahren, um das zu wissen?" George lachte. „Die richtige Antwort, Harper! Immer optimistisch."

Ich spürte, wie sich die anfängliche Anspannung von mir löste. In der Gesellschaft der Fahrer fühlte ich mich wohler. Doch während ich mit ihnen plauderte, bemerkte ich, dass Lando, der im Hintergrund stand, uns beobachtete. Er hatte sein typisches, unnahbares Gesicht aufgesetzt, aber ich konnte die Spannung spüren, die ihn umgab. Nach einer Weile stellte Charles mir eine Frage, und ich konnte mich nicht helfen, als ich bemerkte, wie Lando immer wieder zu uns herüberblickte. „Was hast du vor, nachdem die Saison zu Ende ist?" fragte Charles und lehnte sich leicht in meine Richtung. Ich lächelte, glücklich, dass er Interesse an mir zeigte. „Ich denke, ich werde ein bisschen reisen. Vielleicht ein paar Rennen in der Formel E besuchen?"

„Das klingt großartig", meinte er, und wir unterhielten uns weiter über unsere Reisepläne. Ich merkte, wie ich mich mehr und mehr in das Gespräch vertiefte, die Worte von Charles für mich eine willkommene Ablenkung waren. Plötzlich unterbrach Lando das Gespräch, als er sich abrupt näherte. „Könnte ich dich kurz sprechen, Harper?"

Ich fühlte mich wie unter Druck gesetzt, als alle Augen auf uns gerichtet waren. „Ähm, sicher", sagte ich und stand auf. Charles sah mich besorgt an, und ich konnte spüren, wie die Spannung zwischen uns und Lando sich aufbaute. „Was ist?", fragte ich, als wir uns ein Stück entfernt hatten. „Hast du vor, dich mit Charles zu verabreden?", fragte Lando direkt. „Das ist mein Ding, Lando", antwortete ich scharf. „Du hast kein Recht, darüber zu urteilen." Er schüttelte den Kopf und seufzte. „Es geht nicht um das Urteil. Ich mache mir nur Sorgen, dass du mit ihm auf die Nase fällst. Er ist ein Spieler." Ich starrte ihn an. „Und du bist es nicht? Warum kümmert dich das überhaupt?" „Weil ich nicht möchte, dass du verletzt wirst", murmelte er, seine Stimme fast zu leise, um sie zu hören.

Ein seltsames Gefühl schoss durch mich, und ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Ich wandte mich ab und kehrte zu den anderen zurück, meinen Kopf voll mit Fragen. Als ich schließlich wieder am Tisch saß, fühlte ich mich seltsam hin- und hergerissen. Lando hatte mir eine Seite gezeigt, die ich nicht erwartet hatte. Und während ich mit Charles und den anderen sprach, schwebte die Frage im Raum: Woher kam diese Besorgnis von Lando, und warum störte es mich, dass es mich störte?

Der Abend ging weiter, und ich versuchte, mich auf die Gespräche zu konzentrieren. Doch in meinem Kopf kreisten immer wieder die Worte von Lando und die Verwirrung, die sie bei mir ausgelöst hatten. Das letzte, was ich wollte, war eine neue Beziehung oder irgendwelche Gefühle, die mir nur Probleme bereiteten. Aber wie konnte ich die Anziehung zu den beiden Fahrern und die Komplexität dieser Beziehungen ignorieren?

Fight for your girl, like in race for victory.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt