Halloween-Special: Im Blick

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„Als bräuchte der noch eine Verkleidung", murrte Azrael die Augen rollend. Punkt für den Engel. Alastor wäre selbst hier in der Hölle wohl eher die Vorlage für Halloweenkostüme, als dass er es nötig hätte, sich selbst in einen Fummel zu werfen. Gleiches konnte man allerdings auch über Azrael behaupten. Als Engel entsprach er ziemlich akkurat dem, was die meisten Leute hier unten in der Hölle fürchteten, immerhin kamen die Exorzisten des Himmels einmal jährlich herunter und schlachteten die Seelen der Sünder massenhaft ab, die keine Chance hatten, sich ernsthaft zu Wehr zu setzen, selbst jetzt, wo sie wussten, welche Waffen funktionierten. Die waren nämlich sehr begrenzt. Die meisten besaßen keine Himmelsstahlwaffen. Ich zum Beispiel. Zum Glück auch Alastor nicht, denn der war das Ziel unseres kleinen Streichs. „Reich mir nochmal zwei von den großen", meinte ich, ohne mich umzusehen, weil mein Blick auf die Gardinenstange fixiert war. „Die pinken oder die gelblichen?", wollte Charlie wissen, die Plastiktüte in der Hand, in welcher sich der Kern unseres kleinen Spaßes befand. „Gib mir die pinken", grinste ich. „Geben wir ihm ein bisschen was Kitschiges." „Du findest rosafarbene Wa- vergiss es. Meinetwegen kitschig", schüttelte Azrael den Kopf.
„Wo könnten wir noch welche hinkleben?", sinnierte neben ihm Dorian laut, der sich im Raum umsah. „Denk dran: Nicht zu auffällig, sonst sieht er sie zu früh und das wollen wir doch nicht." „Auf keinen Fall", konnte ich Azrael plötzlich ganz nah an meinem Ohr lachen hören. Verwundert drehte ich den Kopf und sah mich direkt von Angesicht zu Angesicht mit dem Todesengel, der mich selbstgefällig angrinste. Erschrocken fuhr ich zusammen. „Fuck, man, erschreck mich doch nicht so", fuhr ich ihn zischend an, mich an die Leiter klammernd. „Was kann ich dafür, dass du so schreckhaft bist. Komm, gib mir das und bring die Leiter weg", entschied der Engel kurzerhand und nahm mir dem etwa handtellergroßen Aufkleber aus der Hand. „Wie klein bist du eigentlich?" Empört knuffte ich ihn in die Seite, bevor ich mich zu einer Antwort herabließ. „Ich bin 1,68 Meter und damit absolut durchschnittlich groß." „Winzig. Wenn wir erwischt werden, wirst du als erste erwischt, weil du weder fliegen noch schnell weglaufen kannst", feixte der Engel ungehemmt weiter und fingt sich damit den nächsten Knuff ein. „Sei nicht so gemein zu ihr. Sie gibt sich Mühe", kam aus Richtung des Bücherregals, wo Dorian ziemlich beschäftigt damit zu sein schien, einzelne Buchrücken zu verzieren. Kichernd beobachtete ich ihn einen Moment dabei. Alastor würde es hassen. Ich liebte es schon jetzt.
„Ich glaube, wenn wir noch mehr verteilen, fällt es auf, oder?", überlegte Charlie laut. Sie stand inzwischen in der Mitte des Raums, die Plastiktüte, die immer noch etwa bis zur Hälfte gefüllt war, immer noch in den Händen. Ich stieg von der Leiter und drehte mich ebenfalls einmal. Für mich sah das gut aus. Wenn ich nicht wüsste, wonach ich suchen musste, wäre mir nichts aufgefallen. „Schätze schon", kommentierte Azrael, der die beiden rosa Sticker oben an die Gardinenstange angeklebt und die Vorhangkordel ein wenig davor gezogen hatte. „Oh wartet, ein Paar müssen wir noch anbringen", fiel mir der perfekte Ort für das letzte Paar großer leuchtender Klebe-Wackelaugen ein. Grinsend nahm ich sie Dorian aus der Hand, der mich fragend ansah. Ohne Zögern kletterte ich damit auf Alastors Bett. „Ich bin zwar überzeugt, dass es ihn gruseln würde, wenn er dich in seinem Bett antri-Au!" Dorian hatte Azrael einen unsanften Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite verpasst. Ich beließ es dabei, dem Todesengel den Mittelfinger zu zeigen. „Pass auf, dass ich Halloweenabend nicht in dein Bett krieche", stänkerte ich zurück, ließ mich aber nicht von meinem Plan abbringen, die beiden leuchtenden Wackelaugen auf Höhe des Kissens innen im Stoffbaldachin des Himmelbetts anzubringen. Charlie kicherte leise. „Das ist wirklich unheimlich. Aber haben wir denn jetzt noch welche für Nifftys Roomba?", überlegte die Prinzessin der Hölle mit hörbarer Sorge. „Haben wir. Die hab ich zu Anfang gleich rausgenommen", antwortete ich, während ich eilig die Tagesdecke wieder glattstrich. Perfekt. Als wären wir nie hier gewesen. „Ich denke, dann sind wir fertig", schmunzelte Dorian und öffnete uns die Tür.

„Simuliert er oder schläft Dorian?", raunte mir Azrael zu, der dabei auf den Engel deutete, der den Kopf unverblümt auf meinen Schoß gebettet hatte. „Für ihn hoffe ich, dass er schläft, denn sonst sabbert er mir grad absichtlich aufs Bein", antwortete ich leise. Insgeheim war ich allerdings ziemlich versucht, Dorian einfach runterzuschubsen, nur um zu sehen, was geschah. „Soll ich euch allein lassen?", scherzte Azrael, dessen Blick nur kurz zum Abspann des Films glitt, der noch über den Bildschirm flackerte. Die meisten anderen Hotelbewohner hatten sich schon zurückgezogen und ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich da auch dringend hingehörte. „Auf keinen Fall. Nimm ihn mit. Ich will auch ins Bett", gähnte ich unverhohlen und sah dabei zu Dorian, der sich nicht regte. Anders als ich war Azrael gnadenlos. Er tat genau das, was ich vorhin nur kurz erwogen hatte, und verpasste dem anderen Engel einen unsanften Schubs, der Dorian von meinen Knien auf den Teppich zu meinen Füßen beförderte. Ein erschrockenes Japsen drang vom Boden zu uns hoch. „Sieh nur, jetzt können wir alle ins Bett gehen", amüsierte sich Azrael. Dorian gähnte nur und rappelte sich ungelenk auf. „Ist es schon so spät?" „Gleich drei Uhr." Kein Wunder, dass meine Augen brannten. „Aber Alastor ist noch nicht zurück. Dann müssen wir eben bis zum Frühstück warten, um rauszukriegen, ob er seine kleine Überraschung gefunden hat", entschied ich müde. Bei aller Liebe, noch einen Film stand ich nicht durch. Ich wusste schon nicht, worum es in diesem eigentlich gegangen war, weil ich die Hälfte nicht richtig mitbekommen hatte. „Klingt gut", gähnte Dorian und ging direkt voran. „Bis morgen." „Ja, bis morgen."

Erschöpft rieb ich mir über die Augen. Das Licht anzumachen, sparte ich mir direkt. Ich kam längst blind in meinem Zimmer zurecht und steuerte daher auch direkt den Stuhl – natürlich hatte ich so einen, irgendwo gehörte die Wäsche ja hin! – an, zog mich um und krabbelte dann direkt unter die Decke. Ich war wirklich hundemüde und mein Körper suchte ganz automatisch eine bequeme Position. Seitlich, ein Arm nach oben, einer vor dem Oberkörper und das Gesicht halb im Kissen. Entspannt atmete ich aus und war im nächsten Moment gefühlt auch schon halb ins Traumland abgedriftet, als etwas meine Schulter streifte. Aus reinem Reflex strich ich darüber hinweg, um eventuelle Haarsträhnen wegzuwischen. Dann streifte etwas mein Ohr, etwas Warmes. Alarmiert riss ich die Augen auf und konnte den Schrei nicht zurückhalten, der sich im nächsten Moment den Weg aus meiner Kehle bahnte. In der tiefen Dunkelheit meines Zimmers sah ich nichts außer den rot leuchtenden Augen direkt vor meinen. Warmer Atem streifte mein Gesicht und ein leises dunkles Lachen drang an mein Ohr.
„FUCK, Alastor!", fuhr ich auf, nicht halb so laut, wie ich es gewollt hatte, weil mir der Schreck noch so tief in den Knochen saß. Mein Puls war mindestens auf 180 und an Schlaf nicht zu denken. „Aber was hast du denn, meine Liebe?" Was ich hatte? Nen sicheren Herzinfarkt, den hatte ich. „Rate doch mal", brachte ich schließlich heraus und klang dabei zu meinem eigenen Ärger wie eine verängstigte Maus. Der Radiodämon gluckste vergnügt. „Ich nehme an, du bist ganz aufgeregt vor Freude, weil ich extra hergekommen bin, um mich für die kleine Überraschung zu revanchieren", trällerte er so gut gelaunt, dass ich ihm am liebsten den Roomba um die Ohren gehauen hätte, den wir für Niffty auch mit Wackelaugen versehen hatte. „Unbedingt. Ich steh voll drauf, wenn einfach ein fremder Mann in meinem Bett liegt", konterte ich brummend. „Oh, aber ich bin doch nicht fremd, meine Liebe. Wir kennen uns sehr gut." „Aber du bist in meinem Bett!", betonte ich mit Nachdruck. Wieder lachte Alastor nur, erhob sich aber. Ich konnte seine Augen im Dunkeln sehen und spürte, wie sich die Matratze und mein Kissen bewegten. „Gute Nacht, kleine Daelis. Süße Träume." Als ob. Frustriert zog ich mir die Decke über den Kopf und lauschte auf das Geräusch meiner Tür, das nie kam.


Prompt:

Der Plan für einen kleinen Halloweenschreck war schnell gemacht, doch er geht ganz furchtbar nach hinten los und am Ende bist du die Person, die Angst hat.

Pflichtchara: Alastor, Azrael, Dorian und Charlie


The Safeword is JambalayaWhere stories live. Discover now