Schon saß ich in einem weißen, kahlen Raum, mit so einem ,,Wir sehen dich, du uns aber nicht, Vollidiot"-Fenster im Nacken. Mein Kunststoffstuhl war noch unbequemer als der renovierte Sperrmüll, auf dem wir in der Schule immer sitzen mussten und Gott, jemand möge mir erklären, warum ich immernoch kein T-Shirt anhatte.Während meiner kurzen, aber prägenden Zeit als oberkörperfreies Männermodel gingen mir nochmals die Schildkröten von dem Plakat durch den Kopf. Die Message gegen schwulheitskompensierende Prügeleien wäre mit Kätzchen, die kleine Boxhandschuhe tragen, viel besser rüber gekommen. Meine Mutter hätte dem sicher zugestimmt.
,,Könnte ich eigentlich bald ein T-Shirt bekommen? Ein Pullover wäre auch ok, obwohl ich keine Schweißflecken riskieren will", ich entschloss mich, die grimmige Schwester, die einfach in meinen Privatraum und bald darauf auch in meinen persönlichen Anti-Körperkontakt-Kreis, eingedrungen war und nun seit einigen Minuten einen Silikonhut mit vielen bunten Kabeln auf meinem Kopf montierte (und nebenbei gesagt, ein paar meiner Haare, auf sehr schmerzhafte Weise rauszog), anzusprechen.Da die Frau im lachsfarbenem Zweiteiler nicht mit den Gepflogenheiten der Höflichkeit vertraut schien und mir ihre 50jährigen, freilaufenden Busen so nah, mehr als unangenehm waren, versuchte ich es einfach nochmal: ,,Also, das Problem ist nur, dass meine Oma mit 73 eine mittelschwere Nierenbeckenentzündung hatte und ich, als ihr Nachfahre, ein erhöhtes Risiko habe und-"
,,Heb dir den Müll für Mimi auf, die steht auf unwichtige Scheiße", mit einem halbehrlichen Lächeln und zwei kumpelhaften Schlägen auf meine, mit einem kleinen Gerät verkabelte, Schädeldecke, verabschiedete sich Shreks Frau Fiona wieder in den Sumpf, wo sie hingehörte.
Die Worte schmerzten noch in meiner dunklen Seele, als ein, den selben Partyhut tragender Engel den Raum betrat.
Ok, sie war eher ein Geist, also sie hatte so ganz komische, weiße Haare, aber war keine Oma. Ja, ich wusste auch nicht, wie ich darüber denken sollte.
,,Mister Resol, das ist Mimi, Ihre potentielle Klinikfreundin und -vertraute. Wenn Sie jetzt bitte etwas, ungezwungenen Smalltalk vollziehen würden, damit wir ihre Gehirnströme vergleichen können", verzerrt dröhnten die Anweisungen der Stimme aus dem Off durch den Raum.
Ich fand das Wort potentiell schon immer witzig.
So, jetzt aber ungezwungen vor 50 Fremden mit dem Mädchen reden, dass bis jetzt die weiße Wand interessanter fand als dich.
,,Jooo, wie geht's denn so?", kurzzeitig hatte sich meine Stimme überschlagen, aber das würde ich wieder hinkriegen, ,,Hoffe du hast gerade keine Mädchenprobleme, du weißt schon, die Blutwurstwoche, die Rache des Sauron, Gottes Hass gegen die Weiblichkeit, das Rote Meer, der Pirat, du... Mädchen. Frau?"
Irgendwann auf der Hälfte fing ich an zu stottern. Mein Körper wollte den Unfall abwenden, aber mein Gehirn steuerte weiter in Richtung Schlucht. Tiefe, tiefe Schlucht und ich schwöre, ich konnte den Schall der, auf die Stirn klatschenden Handflächen, der Ärzte und Psychologen durch das dunkle Fenster spüren.
,,Ein Katzenposter sähe hier gut aus", gebannt tastete das zierliche Mädchen die Wände ab, ohne meinen entblößten Körper auch nur kurz einmal anzusehen, aber das war nach diesen Worten egal.
Breit grinsend sprang ich von meinem harten Stuhl (das hätte ich nicht sagen dürfen) auf, bis ich kurzzeitig von den Kabeln zurückgezogen wurde: ,,Darüber habe ich auch schon nachgedacht! Stell dir mal eine Katze in Lederhose vor, so eine mit platter Nase, bei der man sich immer fragt: Mister Meow, du dusseliger Kater, bist du etwa betrunken gegen eine Glasscheibe gelaufen?"
Endlich neigte sie ihre blassen Hamsterwängchen zu mir und betrachtete mich mit ihren grün-braunen Augen: ,,Warum sind wir nicht nur auf Dinge allergisch, die wir nicht mögen?"
,,Ich bin auf Blumenkohl, Physalis, Pollen, Meerschweinchen, Staub und die Sonne allergisch, aber nochmal zu der bayrischen Katze", begeistert fuchtelte ich mit den Händen umher, um meiner schnurrenden Begeisterung Ausdruck zu verleihen.
,,Ich wäre gern in einem Glas von Aliens gefangen und so tun, als wäre ich Tinkerbell", ich spürte, dass wir auf einer höheren Ebene gerade ein intellektuelles Gespräch führten, aber mein, unter Drogen gesetzter Verstand konnte derartige Tiefe derzeit wirklich nicht begreifen.
Flüsternd mischte Mimi sich unter meine gedanklichen Selbstgespräche: ,,Release the Dragon."
,,W-wie bitte?", diese Worte sagten mir was, nichts Gutes.
Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, presste sich eine warme Hand gegen meinen Unterleib, gefährlich nah an meinem kleinen Bauchnabel: ,,In einem meiner Träume bin ich auf einem mächtigen Drachen geritten."
Sie war perfekt, wir waren seelenverwandt, niemand konnte uns das jetzt mehr nehmen, was auch immer Mimi meinte.
Aufgeregt stotternd nahm uns der Lautsprecher diesen Moment der tiefen Verbundenheit: ,,Ok, das reicht jetzt! Mimi, raus aus dem Zimmer und zwar schnell und mit dem angemessenen Abstand, von dem wir geredet haben, zu dem netten Jungen!"
Da stand ich, allein, den Blick nach unten gerichtet. Das stand da wirklich zwischen meinen Hüften: ,,Release the Dragon". Direkt über dem Pfeil nach unten. Ich war schon ein geiler Typ.
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Die SuperLoser
Humor,,Oh, er hat mein Baby gerettet!" ,,Wegen ihm sind wir alle noch am Leben." Bla bla.. Alle stehen auf Superhelden, aber keiner fragt sich, wo die Energie für ihre Kräfte überhaupt hergekommen ist und auch der Regierung ist es ein besonderes Anlieg...