7 - Moskau

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Luftraum über Zentralrussland

In einem der wohl luxuriösesten Privatjets, die Russland zu bieten hatte, befand ich mich zusammen mit meinen Begleitern im pechschwarzen asiatischen Nachthimmel. Man hatte uns schnell ohne größere Sicherheitskontrollen zum Terminal und schließlich in die Maschine gebracht. Pushkin konnte mit seinem beeindruckenden Regierungsausweis alle zeitintensiven Formalitäten abwehren. Es war jetzt kurz nach Mitternacht. Ich saß allein an einem der Fenster der Maschine und schaute auf die Lichter einer Straße, die sich unter uns in Richtung Osten davon schlängelte. Kleine Scheinwerfer fuhren durch die unendlichen Weiten Russlands.

Ich dachte an so vieles gleichzeitig. An Alex und wie sie wohl auf mein Verschwinden reagieren würde. Ich spielte kurz mit dem Gedanken Pushkin darum zu bitten, sie anrufen zu dürfen. Der Gedanke verschwamm mit Bildern des auf den Asphalt stürzenden Leeroys, Boris Jelzins lachendem Gesicht, den in flammenstehenden Körper meines Vaters und die Gesichter tausender blutüberströmter Untoter. Sie schauten mich alle an. In ihren Augen, sah ich das blanke Entsetzen. 

Jemand rüttelte mich wach. Ich erschrak und wachte ruckartig auf. Fragend sah ich in die Augen eines meiner namenlosen Begleiter. Er zog mich aus meinem Sitz heraus und nickte in Richtung Pushkin, der weiter vorne im Flugzeug saß. Langsam, noch etwas wackelig auf den Beinen schlenderte ich nach vorne. Ich setzte mich ihm gegenüber in einen sehr bequemen Ledersessel. Draußen deutete sich der Sonnenaufgang mit einem roten Schimmer im Osten an.

„Wir landen in einigen Minuten in Moskau, schauen Sie doch mal hinaus", sagte Pushkin eine Spur zu freundlich und nippte an seinem Getränk, welches ich als Tee erkannte.

Ich sah ihn kurz fragend an, doch ich begriff worauf er aus war. Der Anblick Moskaus überwältigte mich. Noch nie hatte ich so eine große Stadt gesehen. Sie musste die Ausmaße der gesamten Insel Khoiba haben. Von kleinen Vorstadthäusern über riesige Autobahnringe, Bürogebäude, Hallen, Kirchen und Wolkenkratzern bot die Hauptstadt der Russischen Föderation einen atemberaubenden Anblick. Ich erkannte den Ostankino-Fernsehturm, welcher einmal das höchste Bauwerk der Welt gewesen war. Millionen von Lichtern tanzten auf den Straßen von links nach rechts. Die Basilius Kathedrale schimmerte im Licht von Scheinwerfern, während das Flugzeug seinen Sinkflug fortsetzte.

Ein kleines „Wow" konnte ich nicht unterdrücken und sah weiterhin gespannt zu Boden.

„Seien sie froh das sie hier nicht Auto fahren müssen!", sagte Pushkin gelangweilt.

Ich wand mich von dem Panorama ab und ließ mich in den Sessel zurückfallen.

„Und was erwartet mich dort unten? Ein Verhör oder sogar das Gefängnis?"

„Nichts dergleichen", entgegnete der Kahlrasierte, „sie sollen uns helfen. Etwas für unser Land tun Herr Jatuslav".

Ich musste schmunzeln. Was war ich dem Staat schon schuldig? Ich war niemanden etwas schuldig, außer Alex vielleicht. Pushkin fuhr fort.

„Wir bringen Sie jetzt erst einmal in ein schönes Hotel. Dort können Sie duschen, sich entspannen und so viel essen wie Sie möchten. Meine zwei Kollegen passen derweil auf Sie auf".

Zwei Gorilla-Babysitter. Wie originell.

„Und gegen Abend hole ich Sie dann ab und bringe sie geradewegs zum Präsidenten und seinen Beratern. Wie sie sicherlich verstehen, wollen sie nun ja...sich aus erster Hand ein Bild über die „Bombardierungsnacht von Khoiba" machen. Danach sehen wir wie es mit Ihnen weitergeht".

Ich war um einiges erleichtert.

„Nun, dass klingt annehmbar. Wissen Sie ob ich an meine persönlichen Sachen darf?", hakte ich nach.

„Natürlich. Nur Ihr Mobiltelefon haben wir aus Sicherheitsgründen beschlagnahmt".

Zuerst wollte ich protestieren. Doch es schien sinnlos jetzt zu diskutieren. Ich würde schon noch telefonieren können. Vielleicht ja vom Hotel aus?

„Anschnallen, wir setzen zur Landung an", ertönte eine Stimme aus einem Lautsprecher.

Moskau - Flughafen Sheremetyevo

Wieder auf dem Boden befand ich mich zum ersten Mal in meinem Leben in einem Internationalem Flughafen der Stadt Moskau. Zusammen mit Pushkin und seinen Begleitern durchquerten wir endlose Schalterhallen, Terminals und Sicherheitskontrollen, immer dicht umgeben von tausenden Menschen. Ich konnte meinen Mund kaum geschlossen halten, so begeistert war ich alleine von einem Gebäude dieser Größe. In einem schwarzen Geländewagen, der zweifellos der Regierung gehörte, fuhren wir in Richtung Süden über die M10 zum Hotel. Pushkin schien den Moskauer Verkehr gut zu kennen, denn er schaffte es immer wieder Staus zu umfahren und uns in kurzer Zeit in die Innenstadt zu bringen. Ich klebte mehr an der Fensterscheibe als alles andere. Während wir uns an diesem sonnigen Morgen durch die Moskauer Straßen schlängelten, unterbrach der eingeschaltete Radiosender in unserem Wagen seine Musik für eine Nachrichtendurchsage:

„Wir unterbrechen unser „Best Of" Playlist für eine dringende Sondermeldung!..."

Pushkins Gesichtszüge verhärteten sich im Rückspiegel. Wusste er bereits was jetzt kommen würde? Er drehte am Lautstärkeregler des Radios.

DayZ Teil II - Tödliche AttackeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt