Abends begutachtete ich mich noch ein letztes Mal im Spiegel und kurz darauf umnebelte mich eine Wolke aus Parfum.
Ich hatte schwarze Röhrenjeans, darunter Wildlederstiefel und ein weißes T-Shirt mit goldener Schleife darüber an. Außerdem trug ich noch türkis-goldfarbene, lange Ohrringe, ein goldenes und sehr filigranes Armband. Ich wollte es heute nicht mit meinem Styling übertreiben, schließlich kamen Tessa und Alex - hoffentlich -.
Dasselbe konnte man allerdings nicht von Daniel behaupten.Sämtliche Leute drehten sich nach ihm um, als er vorbei lief.Er hatte sich lila- und rosafarbene Strähnen in die Haare gemacht, dazu trug er eine enge schwarze Lederhose, breite schwarze Boots und passend zu seinen Strähnen ein lilafarbenes Oberteil mit tiefem V-Ausschnitt.
"Dan, so einen tiefen Ausschnitt, trage ja noch nicht mal ich!", rief ich ihm zur Begrüßung entgegen.
"Hey Honey!" Er gab mir vier Küsschen.
"Dan, mindestens eins zu viel!", beschwerte ich mich lachend. "Okay, ich möchte, dass du dich heute benimmst! Wir kriegen Besuch!"
"Wer?", erkundigte er sich interessiert.
"Alex und seine Schwester Tessa."
"Der Alex?" Dans Augen begannen zu leuchten.
"Dan, ich bringe dich um, wenn du irgendwelche Bemerkungen machst, wenn sie da sind! Seine Schwester ist 16 Jahre alt und er hat einen Beschützerkomplex! Also ich warne dich!"
"Beschützerkomplex...", wiederholte Dan verträumt.
"Daniel Theodore Kleevner! Das ist mein Ernst!"
Dan verzog sein Gesicht, er hasste seinen Zweitnamen: "Ist ja gut, Elizabeth Catherine Penelope Sayth." Ich hasste meinen Drittnamen! Meine Eltern hatten eindeutig zu viele griechische Mythen gelesen und fanden es schön, mich nach Penelope zu benennen. Sie fanden es romantisch wie Penelope 12 (?) Jahre lang auf ihren Odysseus gewartet hatte. Und wer litt am meisten darunter? Ich! Ein Glück, dass ich keinen Bruder hatte. Der hätte dann "das Glück" gehabt, entweder "Theseus" oder "Perseus" genannt zu werden...
Meine Eltern...
"Wir verstehen uns?", fragte ich wirsch.
"Ja, Penny." Dan grinste.
"Wenn du mich vor ihren Augen "Penny" nennst, bist du ein toter Mann!", drohte ich. Fehlte nur noch, dass Alex den Namen erfuhr!
Wie aufs Stichwort kamen er herein. Ich runzelte schon meine Stirn - er lächelte als er das sah - und wollte mit ihm schimpfen, als ich Tessa sah, die hinter ihm durch die Tür trat.
Sie zog eine überraschte Miene, als sie Dan sah und grinste dann.
Ich wusste ja, dass sie nicht so unschuldig war wie sie tat.
"Hallo Alex, Tessa.", begrüßte ich die beiden.
"Tessa, Daniel. Daniel, Tessa.", stellte ich die beiden vor.
"Alex, du kennst Dan ja schon."
Wir setzten uns zusammen an unseren Stammtisch im P-Pub.
"Nette Location.", meinte Tessa vergnügt.
"Danke, das hier ist ein Insidertipp... Meine Wohnung ist direkt hier drüber."
"Sean.", rief ich ihn, um unsere Bestellung aufzunehmen.
"Hey Elly. Daniel.", begrüßte er uns. "Wo habt ihr denn Cilia gelassen?"
"Die ist jetzt momentan in... Dubai?" Fragend schaute ich Dan an.
"Ja, ist sie."
"Okay, also, für dich einen Tequila, für Daniel einen Appletini. Für Sie beide?" Sean wandte sich an Alex und Tessa.
"Hol doch einfach vier Gläser und Cocktails oder so...", gab ich die Bestellung auf, bevor Alex Tessa eine Cola oder so etwas Ähnliches bestellte.
"Und ein Bier.", bestellte Alex.
Ich sah zu Tessa herüber, die merklich ihr Gesicht verzog.
"Alex, ich glaube nicht, dass Tessa Bier schmeckt...", gab ich behutsam meine Bedenken zum Besten.
"Das ist auch nicht für Tessa. Das ist für mich.", sagte er grinsend.
Nun verzog auch ich merklich mein Gesicht.
"Wenn du meinst.", sagte ich.
Bah, Bier! Ekelhaft! Aber wenn es ihm schmeckte... Sean brachte uns die Cocktails und das - würg - Bier und ich haute ordentlich rein, wie ich zugeben muss. Daniel - der Gute - ermahnte mich mehrmals: "Elly, denk an deinen Kater morgen!"
Woraufhin ich nur nuschelte: "Man soll im Heute leben, Süßer! Außerdem vertrage ich das schon!" Seine Antwort war weniger freundlich: "Irgendwann säufst du dir noch dein Gehirn weg!" Aber ich ignorierte meinen Anstandswauwau. Irgendwann sah ich nicht mehr klar.
Inwiefern Tessa getrunken hatte, konnte ich nicht mehr erkennen.
"Ich musss mall an die frische Luft!", lallte ich.
Alex stand auf: "Am besten ich helfe dir. Sonst landest du noch in der Gosse..."
Ich zog eine Augenbraue hoch. "Ich weiß mir schon zu helfen, Kleiner!"
Dann stand ich schwankend auf und kämpfte auf dem Weg nach draußen mit meinen Füßen, die nicht geradeaus laufen wollten. Ich hörte einen Stuhl knirschen und schon war Alex hinter mir und stützte mich.
"Ich hätte es auch ohne dich geschafft!", fauchte ich, ließ es aber zu.
Er stützte mich, ich drehte mich um und plötzlich war er mir ganz nah.
In meinem Bauch kribbelte es und ich schaute wie gebannt in seine gold gesprenkelten Augen. Sie waren so schön. Bernstein war die Grundbasis von seinen Augen. Winzige grüne Splitter zogen sich zudem noch durch die bernsteinfarbene Farblandschaft. Und dann waren da noch diese goldenen Sprenkler. Ich war mir sicher kein Maler - nicht einmal Leonardo da Vinci persönlich - hätte diese Augen malen können.
Alex' Gesicht näherte sich langsam meinem eigenen Gesicht. Ich konnte mich nicht wegdrehen.
Doch plötzlich klingelte ein Handy und zerstörte die Stimmung. Ich schreckte - plötzlich wieder klar im Kopf - zurück. Alex konnte seine Enttäuschung nicht verbergen.
Demnach angespannt ging er an sein Handy. Ich war verwirrt. Sollte ich traurig sein, weil wir gestört wurden oder lieber glücklich? Ich konnte mich nicht entscheiden.
"Alexander Foster, hallo?" Alex lauschte und sein Gesicht verfinsterte sich.
"Ist das deine letzte Meinung?", fragte er. "Es passt gerade nicht so - " Er verstummte.
Seine Miene wurde zu einer undurchsichtigen Maske. "Ja, natürlich." Er legte auf.
"Ich muss los." Er sah mich nicht an, als er das sagte. Okay, ich war eindeutig glücklich darüber, dass wir gestört worden waren!
"Schön.", ich war erstaunt darüber wie kalt meine Stimme klingen konnte. Ich fröstelte.
Ich spürte, dass Alex mich nun doch ansah. Tja, jetzt drehte ich den Spieß um und sah nicht zu ihm. Ihm den Rücken zu kehrend stolperte ich wieder hinein, dicht gefolgt von Alex.
Ich setzte mich neben Dan. "Tessie, wir machen nen Abflug.", sagte Alex grimmig.
"Wieso? Was ist los?", protestierte Tessa schwach.
"Unser Vater will, dass ich irgendwas mit ihm kläre.", antwortete Alex schlecht gelaunt.
"Er will, dass ich sofort zu ihm komme. Wir müssen uns höllisch beeilen, wenn ich dich noch bei uns abliefern soll."
Tessies Laune sank deutlich, aber sie sagte nichts. Sie musste ihren Bruder wirklich sehr lieben.
"Sie kann bei mir übernachten.", schlug ich vor. "Dann musst du dir keinen Stress machen."
Er guckte gestresst auf seine Uhr und sah dann prüfend Tessa an. Ihre Augen strahlten verhohlen. "Meinetwegen. Ich muss jetzt auch los. Tschüss, Tessielein, mach Elly keinen Stress." Ohne sich weiter umzusehen drehte er sich um und ging. Trottel. Ich murmelte verhalten irgendeine Beschimpfung.
"Er ist nicht so wie du denkst.", sagte Tessa, nicht einmal unfreundlich.
"Ahm..", murmelte ich nicht überzeugt. "Jetzt schiebt er dich einfach ab?", fragte ich etwas angepisst.
"Elly, unser Vater hat ihn gerufen!"
"Na und?" Ich wollte mich eigentlich nicht mit Tessa streiten - sie konnte ja nichts dafür - aber ich wollte meine Wut herauslassen.
"Elly, du verstehst das nicht."
"Nein, ich verstehe es wirklich nicht. Weißt du, jeder hat seine Probleme. Aber egal. Lassen wir das. Kommst du mit hoch?"Blöder Alex!
Verdammter Mistkerl!
Arsch-
"Elly?"
Aus den Gedanken gerissen sah ich auf.
"Ja, was gibt's?" Oh mein Gott, sie war so süß.
"Weißt du was Tess, du bist wie die kleine Schwester, die ich nie hatte!"
Ich strahlte sie freudig an.
"Elly, du bist betrunken!"
"Ach was, ich hab fast nichts getrunken. Komm, sei nicht so ein Spielverderber wie dein blöder Bruder!" Ihr blöder sexy gut aussehender Mistkerl-Bruder!
Tess lachte. "Du stehst auf ihn!"
"Was? Nein! Du bist noch zu klein um - "
"Elly, ich bin 17..."
"Nein, ich stehe definitiv nicht auf deinen Bruder!", versuchte ich ihr glaubhaft zu versichern, was mir leider nicht ganz so gut gelang, weil ich ausrutschte und beinahe die Treppe heruntergefallen wäre.
"Puh! Ist der Boden schon immer so schief gewesen?!"
"Du musst dich dafür nicht schämen... Mein Bruder hat Frauen immer angezogen wie einen Magneten..."
"Na dann ist ja gut.", nuschelte ich. Moment mal! "Wie viele Frauen... so?", erkundigte ich mich beiläufig.
"Ich glaube darüber darf ich mit dir nicht sprechen. Das würde meinen Bruder nicht gefallen."
"Nicht gefallen, weil es so viele, oder so wenige waren?"
"Elly!"
"Schon gut schon gut!"
Tess sah mich merkwürdig an.
"Ich bin betrunken, okay?! Wird bei mir irgendwie zum Dauerzustand. Ich meine, was kann ich denn dafür, wenn mein Verlobter mich am Tag unserer Hochzeit mit dem Blumenmädchen betrügt?! Und wenn ich, weil ich Shoppen gehe, um mich abzulenken, einfach total pleite bin?! Deshalb muss ich auch bei diesem blöden Job bleiben, der einfach nur total spießig und langweilig ist?!"
Bei letzterem wusste ich nicht mehr, ob ich es gedacht oder ausgesprochen hatte, der Alkohol sorgte nach meinem tränenreichen Ausbruch nur noch für ein: Schlaf.
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Mein Chef Mr. Know-it-all
ChickLitElly ist eine notorische, feiernde, unpflichtbewusste, kindische Alkoholikerin. Und sie übertreibt gerne mal. Das ist aber nicht ihr Problem, ihr Leben ist perfekt. War perfekt, zumindest bevor ihre Firma einen neuen Chef bekommen hat. Mr. Know-it...