Kapitel 5

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"Ich muss dir etwas erzählen."
Mit ernster Miene erwartet Melanie James an ihrem Felsen.
"Ich war nicht ganz ehrlich zu dir. Ich binn keine normale Meerjungfrau, ich bin nicht wie die anderen."
"Was soll das heißen? Du bist natürlich anders, immerhin hast du dich an die Oberfläche getraut!"
Melanie seufzt.
"Nicht in diesem Sinne. Vor vielen Jahren, zusammen mit den Meerjungfrauen entstand eine uralte Prophezeiung. Sie wurde ausgesprochen von einem Schlangenorakel, das so alt ist wie die Zeit selbst. Sie lautet:

Wenn alles verloren ist und unsere Zeit zuende geht
Wird eine kommen,
die erste ihrer Linie,
die Schwester der letzten ihrer Linie.
Mit der Macht über Licht und Schall
gesegnet und verflucht zugleich
wird die Hoffnung aller auf ihr ruhen.
Sie wird sich mit den Alten verbinden und ungeahnte Macht erhalten.

Der Rat unseres Schwarms glaubt, dass ich diese Auserwählte binn. Die Prophezeiung beginnt sich zu bewahrheiten.
Die Meerjungfrauen auf der ganzen Welt sterben aus, werden Ausgelöscht von euch Menschen. Soweit wir wissen sind wir der letzte Schwarm.
Ich bin auch keine Wiedergeburt, wie die anderen. Ich tauchte neben unserer Anführerin Alana auf, als sie das letzte mal wiedergeboren wurde.
Alle sehen mich nur als 'die Prophezeite'. Sie nehmen Rücksicht auf mich, als ob ich ein wehrloser kleiner Fisch wäre! Ich darf weder mit auf die Jagd noch mich aus der Gruppe entfernen.
Deshalb binn ich auch geflohen. An dem Tag, an dem du mich das erste mal sahst, binn ich das erste mal ausgebrochen.
Du warst der einzige außer Alani, der mich ohne vorbehalte nur als Melanie sah. Bei dir konnte ich einfach nur ich sein. "
"Und das wird auch weiterhin so bleiben!"
James hob ihren Kopf behutsam an.
" Für mich warst du immer nur Melanie und das wird auch so bleiben."
Selbst unsicher was er da tat nahm er vorsichtig ihren Kopf in die Hände und drückte seine Lippen auf ihren Mund. Erstaunt erstarrte sie, doch dann gab sie dem Kuss nach, erwiderte ihn sogar.

Ihrer beide Gedanken rasten und drehten sich unaufhörlich um den Kuss.
Atemlos saßen sie nebeneinander.
"Ich muss dir auch etwas über mich erzählen."
Brach James schließlich die Stille.
"Meine Mutter wurde als ich noch sehr klein war von einer Piratenbande Überfallen und vergewaligt. Sie wurde schwanger. Weil sie zu arm waren um alle Kinder zu versorgen musste sie ihren ältesten Sohn, den sie über alles liebte weggeben, weil er die besten Überlebenschancen hatte. Mich. Ich heuerte auf einem piratenschiff an, die Crew nahm mich auf und wurde meine neue Familie."
Wieder schwiegen sie. Melanie ahnte dass mitleidige Worte hier nichts bringen würden. Sie zollte der Situation den Respekt, der ihr gebührte. Sie hörte einfach zu und war für James da.
Erneut brach James  die Stille.
"Wo ist eure Höhle? Wo lebst du?"
Er musste einfach fragen, musste wissen ob sie ihm wirklich vertraute, zu sehr hatte ihn ihr Schweigen nach dem er sie geküsst hatte verunsichert.
Unsere Welten sind so verschieden! Wie kann ich wissen, ob sie mich wirklich gernhat, ob es ihr ernst ist, mit der Freundschaft zwischen uns.
Melanie atmete tief durch und blickte ihn ernst an.
" Ich tue das nicht leichtfertig es ist ein Außerordentlicher Beweis meines Vertrauens in dich! Schwöre mir, dass du dieses Geheimnis unter keinen Umständen verraten und eher sterben wirst, als es preiszugeben. Ich lege hiermit das Leben des gesamten Schwarmes in deine Hände! Missbrauche mein Vertrauen nicht, oder es wird dich teuer zu stehen kommen!"
Ernst sah sie ihn mit ihnen Meergrünen Augen an. Ohne zu blinzeln oder nur einen Zentimeter zurückzuweisen erwiderte er ihren Blick.
"Das werde ich nicht!"
Feierlich versprach er es.
" Ich schwöre es bei Gott und meiner Seele!"
" Ein Mensch lebt auch ohne Gott und eine Seele gut! Schwöre bei deinem Leben."
"In Ordnung. So schwöre ich bei meinem Leben, dieses Geheimnis und dein Vertrauen in mich niemals zu verraten und mit meinem Leben zu verteidigen."
"Also gut. Unser Lager liegt auf den Meeresgrund in einer tiefen Felsspalte. Es gibt drei Gänge durch die Felsen.
Einer führt nach oben, in die Spiegelhöle. Sie ist in den Klippen im Meer verborgen, der größten, die aus dem Wasser ragt. Unser Lager liegt direkt unter ihr.
Der zweite führt nach Oben, aber auf anderen Wegen, sodass man nicht in der Spigelhöle auftaucht, sondern an einer anderer Stelle im Meer. Durch diesen komme ich immer zu dir.
Der dritte Gang zweigt vom zweiten ab. Ihn hat noch nie jemand erkundet."
Nachdenklich schwiegen die beiden.
Doch auf einmal erstarrt Melanie. Sie horcht auf.
"Was ist los?" James sieht sie verwirrt an.
"Es ist etwas passiert. Das Meer ist in Aufruhr. Die anderen brauchen mich!"
Ohne ein weiteres Wort dreht sie sich um, stürzt sich ins Wasser und Taucht unter.
So schnell sie kann, schwimmt sie nach Hause, wo sie von Alani schon ungeduldig erwartet wird.
"Was ist los?" Noch atemlos von der überstürzen Heimkehr schwimmt sie mit Alani zum Mittelpunkt des Lagers wo sich eine große Traube angesammelt hat, die tuscheln und sich besorgte Blicke zuwerfen.
"Jade ist tot."
"WAS?"
Entgeistert blickte Melanie ihre Freundin an.
" Sie war in der Nacht draußen um zu jagen und ist unvorsichtig geworden, weil sie den Schwarm unbedingt mit Nahrung  versorgen wollte. Deshalb ist sie auch in das Netz geschwommen. Sie konnte sich nicht befreien und hat sich dann beim Versuch zu entkommen das Genick gebrochen. Rani war mit ihr draußen und hat sie gerade noch befreien können, bevor die Menschen das Netz hochgezogen haben. Wenn sie entdeckt hätten, dass es uns gibt, es wäre eine Katastrophe!"

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Meerestochter*pausiert*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt