1. Bin wieder Zuhause!

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Gelangweilt saß ich in der Schule. Heute war der letzte Tag vor den Halbjahrszeugnissen und jeder Lehrer schaut mit uns einen Film, anstatt uns einfach nach Hause gehen zu lassen. Klar, dürfen die das nicht, aber mal im Ernst: Welcher Schüler ist bei diesem Film nicht dabei einzuschlafen? Wir schauten uns gerade ernsthaft 'König der Löwen' an. Ich hatte diesen Film bestimmt schon 20 Mal gesehen. Und das lag nur daran, dass unser Politiklehrer heute krank wurde und ein Lehrer, der schon seit etlichen Jahren die 5. Klasse unterrichtete, sollte ihn vertreten. War ja dann klar, dass der Disney Filme dabei hat.

Die erlösende Klingel würde erst in knapp ner halben Stunde klingeln und so lange müsste ich wohl oder übel weiter in meinem Collegeblock herumkritzeln und mich permanent davon abhalten, einzuschlafen. Aber so lange kann ich mich ja vorstellen.

Ich heiße Katrin, bin an Neujahr 16 geworden und 1,75 m groß. Außerdem habe ich hellbraune Haare und dunkel blaue Augen und langweile mich immer und überall. Ich trage meist schwarze lockere Klamotten, damit man nicht sieht, dass ich ein paar Kilo über dem Normalgewicht bin. In der 7. und 8., aber auch in der 9. Klasse wurde ich deswegen gemobbt und wollte sogar die Schule wechseln und habe sogar über Selbstmord nachgedacht.

*Rückblick* vor einem dreiviertel Jahr

In der Mittagspause setzte ich mich wieder auf die gut versteckte Wiese auf unserem Schulhof. Heute hatten mich schon wieder etliche Schüler beleidigt und irgendwelche Papierkugeln nach mir geworfen. Langsam bin ich es leid. Ich wollte so nicht mehr leben, überhaupt wollte ich nicht mehr leben. Ich holte das Messer heraus, welches ich von Zuhause mitgenommen habe. Langsam drehte ich es in meiner Hand. Dabei fragte ich mich immer wieder, was wohl wäre, wenn ich dieses Messer einfach über die Innenseite meines Handgelenkes fahren würde. Es würde die Pulsader treffen und ich würde verbluten. Nebenbei fragte ich mich, wer mich denn überhaupt vermissen würde. Niemand würde mich vermissen. Ich war kein Freund fürs Ritzen. Ich würde nie eine Klinge anpacken, um den seelischen Schmerz zu vergessen.

Mach es jetzt, sonst ist die Pause vorbei., sagte die Stimme in meinem Kopf immer wieder.

Ich fasste das Messer um seinen Griff und führte die Klinge zu meinem Handgelenk. Gerade als ich drüber fahren wollte, riss mir jemand das Messer aus der Hand.

"Was tust du da? Sag mal, hast du den Verstand verloren?", schrie mich ein Mädchen an.

Sie war bestimmt ein Stück kleiner als ich, trug schwarze Sachen und hatte dunkelbraune Haare. Ihre Augenfarbe konnte ich nicht ganz definieren, doch ich glaube, sie waren grün, dennoch waren sie hinter einer eckigen Brille versteckt.

"Was interessiert dich das? Geh doch einfach weg. Jemanden wie mich braucht keiner.", murmelte ich.

"Selbstmord bringt nichts. Du würdest nur deine Familie traurig machen. Ich werde dir helfen.", sagte das Mädchen.

"Du brauchst mir nicht zu helfen. Gib mir einfach mein Messer wieder."

"Nein. Ich weiß genau, wie du dich fühlst. Du wirst von anderen tagtäglich gemobbt und keiner tut was dagegen. Du denkst, du bist alleine, aber das stimmt nicht. Vor einem Jahr war ich in der selben Situation wie du jetzt. Ich habe mich geritzt, um die Gedanken in meinem Kopf verschwinden zu lassen. Als das Mobbing immer schlimmer wurde, habe ich mir im Bad die Pulsader aufgeschnitten. Meine Eltern haben mich gefunden, bevor ich verblutet bin. Ich habe sofort die Schule gewechselt und bin zum Psychiater gegangen. Und es hat mir geholfen. Ich kann dir helfen, wie man mir geholfen hat.", erzählte sie.

"Bei mir ist es zu spät. Man kann die vielen Scherben nicht mehr zusammenkleben, dafür ist zu oft auf ihnen herumgetrampelt worden.", ich weinte.

"Nichts ist so kaputt, dass man es nicht mehr reparieren kann."

"Und wer soll die Scherben einsammeln?"

"Ich und zwar jede einzelne."

*Rückblick Ende*

Dort habe ich meine einzige und beste Freundin kennengelernt. Sie war wie ich. Ich war wie sie. Man hätte meinen können, wir wären Zwillinge, denn wir hatten so viel gemeinsam. Einzig unser Musikgeschmack war verschieden. Sie hörte Rock und Metal, und ich Rap und viele Songs aus den Charts. Und blöderweise war sie in meiner Parallelklasse, weshalb sie mich nicht vom Einschlafen abhalten konnte.

Bei meiner ganzen Nachdenkerei habe ich die Klingel nicht mitbekommen. Die Hälfte meiner Klasse war raus gegangen und der Rest setzte sich in seine üblichen Gruppen zusammen. Ich hingegen blieb auf meinem Platz sitzen und malte weiter in meinen Block.

Nach gut 20 Minuten klingelte es wieder zum Unterricht. Und schon wieder ein Film. Große Klasse, dachte ich mir ironisch.

Als ich dann auch vom dritten Film heute erlöst wurde, packte ich schnell meine Sachen in meinen Rucksack und lief zu den Bushaltestellen. Dort steckte ich die Kopfhörer in mein Handy und in meine Ohren und ließ die Chrome EP von Dat Adam laufen. Der Bus kam und ich setzte mich auf einen der wenigen verbliebenen freien Plätze.

Nach ca. 25 Minuten Busfahrt erreichte der Bus die letzte Haltestelle, bei der ich ausstieg. Jetzt musste ich nur noch die Straße ein wenig runter und um die Ecke. Dann würde ich auf mein Haus zulaufen, welches sich zu meiner Rechten befinden würde.

Zuhause angekommen, schloss ich die Tür auf und rief durch das Haus, dass ich wieder da wäre. Meinen Rucksack brachte ich in mein Zimmer. Das Fenster zeigte auf den Gehweg vor unserem Haus. Ja, mein Zimmer befand sich unten. Ich zog meine Schuhe und meine Jacke aus und begab mich in die Küche.

Als ich in die Küche blickte, gefror ich zu einer Statue. Einer Statue mit riesigen Augen und weit geöffnetem Mund.

Was wäre, wenn Dat Adam bei dir wohnen würde?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt