Den restlichen Tag verbrachte Antonin damit , sich auf sein Fensterbrett zu hocken, die Füße runterbaumeln zu lassen und zu lesen. Das eben genannte Fensterbrett lag übrigens im 7. Stock. Antonin liebte es hier zu sitzen , hier am "Abgrund des Todes", wie er es nannte. Es gab ihm ein gewisses Gefühl der Macht hier zu sitzen und sich umbringen zu können, aber es nicht zu tun. Es war eines der wenige Dinge in Antonins Leben über die er Macht hatte. Und er genoss es.
Das Buch, welches er las, war " Effi Briest". Antonin hatte es im Park gefunden, achtlos in einen Busch geworfen, und mit schon vergilbten Seiten. In dem Buch ging es um eine 17 jähriges Mädchen, das an einen 20 Jahre älteren Landrat verheiratet wird. Die junge Effi ist unglücklich in ihrer Ehe und schließlich betrügt sie ihren Ehemann. Weiter war Antonin noch nicht. Er jedenfalls konnte Effi verstehen. Sie wurde verkauft, genau wie er.
Mittlerweile war es höchste Zeit, sich für die Termine heute fertigzumachen. Antonin nahm einfach das erstbeste aus seinem Schrank. Es wäre sowieso egal, er würde es nicht lange anhaben. Eine schwarze skinny Jeans und ein weißes T-shirt. Antonin ging ins Bad und musterte sich im Spiegel. Ihm schaute ein schwarzhaariger Junge mit lockigen Haaren entgegen. Förmlich schien die Person im Spiegel zu schreien : "Wer bist du?". Antonin wusste keine Antwort darauf. "So sieht also eine Hure aus", sagte Antonin sarkastisch zu sich selbst, als er seinen Lockenkopf in Form brachte. Durch das T-shirt sah man Antonins Nippel deutlich durch und man konnte seinen durchtrainierten Körper erahnen. Die skinny jeans waren wirklich hauteng und Antonins Po wurde dadurch noch akzentuiert. Antonins ganzer Kleiderschrank war ähnlich aufgebaut. "Berufskleidung". Mit ein klein wenig Selbstverliebtheit musste Antonin sich aber gestehen, dass es ihm stand und er wirklich gut aussah. Er zog sich noch schnell seine Vans und eine Bikerlederjacke an und dann verlies er seine Wohnung.
In der U-Bahn angekommen, steckte er sich erstmal seine Kopfhörer ins Ohr. Er ließ auf shuffle spielen, denn er liebte die Ungewissheit darüber, was als nächstes kommen wird. Das erste Lied war " letters to the metro" von Mogwai. 'Welch Ironie', dachte sich Antonin. Daraufhin widmete er sich seiner Lieblingsbeschäftigung in der U-Bahn. Menschen beobachten und sich Geschichten zu ihnen auszudenken. Gegenüber von ihm saß eine ca. 40-jährige rothaarige Frau, die in einem Klatschblatt rumblätterte. Antonin stellte sich gerade vor, wie sie 20 Jahr jünger auf einem Hippie Festival grasrauchend Ukelele spielte.
15 Minuten später stieg Antonin am Cottbusser Platz aus. Er nahm sich seine Kopfhörer schweren Herzens raus, da gerade eines seiner Lieblingslieder, "Are you what you want to be" von Foster the people, lief. "I'm not who I want to be", dachte sich Antonin, als er die Rolltreppe aus der U-Bahnstation hinaus fuhr. Die Wohnung des Kunden war nicht recht weit entfernt, Antonin musste nur fünf Minuten gehen. An der Wohnung angekommen, zündete sich Antonin noch eine Zigarette an. Zur Beruhigung. Und außerdem war er zu früh dran, es war zehn vor acht. Trotz dem, dass er schon seit über einem Jahr als Callboy arbeitete, war Antonin doch immer noch recht nervös vor seinen Besuchen. Es konnte ja doch immer noch etwas passieren, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen seitens Daniel. Antonin ging nochmal alles durch. Daniel kannte die Adresse und nach getanem Job würde Antonin ihn anrufen, ob alles gut verlaufen sei. Er tastete in seine Hosentasche, um sicherzugehen, ob sein Klappmesser und die Kondome noch da waren. Sie waren es. Antonin atmete noch einmal tief durch, nahm einen letzten Zug von seiner Zigarette, drückte sie aus und dann klingelte er.Es verlief alles gut und Antonin war schon nach einer dreiviertelten Stunde fertig. Der Mann war recht schüchtern und obwohl er aktiv war, musste Antonin ihn führen. Der Mann war etwas korpulent und man merkte ihm sein Alter an, aber Antonin machte das schließlich nicht zum Vergnügen. Sein Po schmerzte ein wenig, denn das Ding des Handwerkers war recht groß, aber sonst ging es Antonin gut. Er hatte sogar 10€ zusätzlich erhalten, weil er angeblich so gut war. Antonin wusste nicht, was man als Passiver sonderlich machen konnte, um besser oder schlechter zu sein, aber er war um das zusätzliche Geld froh. Genauso erzählte es Antonin auch Daniel. Die zusätzlichen zehn Euro musste er jedoch zu 75% an Daniel abgeben wie auch den Rest des Geldes. Wie immer.
Auch der zweite Besuch verlief problemlos. Wie auch der Handwerker, war der Neuköllner Hipster schüchtern. Bei diesem Job übernahm Antonin den aktiven Part. Hier dauerte es etwas länger, nämlich eineinhalb Stunden, was daran lag, dass der Kunde so schüchtern war, dass es etwas länger dauerte, bis er kam. Antonin versicherte Daniel wieder, dass alles gut verlaufen sei und stieg in die U-bahn. An der Haltestelle "Gesundbrunnen" stieg Antonin aus und er joggte zu seinem letzten Job heute. Es war 23:45 Uhr. Als er im Hotel angekommen war, inspizierte er es zuerst. Es sah recht schäbig aus und eine circa 60-jährige Frau saß am Tresen, während sie nebenher auf einem Windows 98 Karten spielte. "Entschuldigen sie, könnten sie mir bitte die Zimmernummer von einem gewissen Herrn Aki Yamamoto geben? Ich bin ein Besucher.", sprach Antonin sie an. Die Frau musterte ihn durch ihre Hornbrille und erkannte sofort, was mit "Besucher" gemeint war. Sie schaltete schnell von ihrem Kartenspiel auf eine Zimmerliste um und murmelte: "Zimmer 205. Liegt im zweitem Stock." Antonin bedankte sich und die Frau fügte noch hinzu: "Kein Problem. Viel Spaß und machen sie nicht allzu viel Lärm." Er überging diese ironische Bemerkung und stieg die Treppe hoch. Im zweiten Stock suchte er das Zimmer und klopfte unverzüglich an. Sofort riss ein wirklich gut aussehender Mann die Tür auf und bat ihn herein. Er trug nur eine Boxershorts und man sah ihm seinen Job als Bodybuilder wirklich an. Antonin war heute zum ersten Mal wirklich angeturnt. "Zieh dich schonmal aus und leg dich aufs Bett ich muss noch ganz schnell etwas erledigen", sagte Aki in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Antonin musste zugeben, dass ihm dieser Ton gefiel. Als der Japaner in einem Nebenzimmer verschwand, zog Antonin sich die Jacke und das T
-Shirt aus und warf beides in eine Ecke. Nachdem er sich aufs Bett gesetzt hatte und sich die enge Hose runtermühte, bemerkte er etwas, das ihn erstarren ließ. Auf dem Nachttisch stand eine Schale mit Pfefferminzblättern und Zitrone darin. Als Antonin sich umdrehen wollte, spürte er einen brennenden Schmerz am Hinterkopf. Langsam verschwamm alles und Antonin roch nur noch eines. Pfefferminz und Zitrone.Daniel ist zwar nur ein Nebencharakter, aber wenn ich mir ihn vorstelle, dann seh ich einen etwas älteren aber noch gut gebauten Mann und zwar eben genau Matthew McConaughey. Wer ihn noch aus Magic Mike kennt, wird wissen, was ich meine. :D
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Antonin Seurat - Porträt eines Prostituierten
Mistério / SuspenseWie ist es jenseits jeglicher gesellschaftlicher Anerkennung zu leben? Antonin weiß es. Seit wann er schon ein Stricher (genauer gesagt: Callboy) ist, weiß er nicht mehr. Es vergehen keine Tage, es vergehen Freier. Manche zahlen mehr, manche weniger...