Kapitel 14

3.1K 127 3
                                    

Kurz nachdem ich eingeschlafen war, wachte ich auch schon wieder auf. Mein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich gerade mal eine halbe Stunde geschlafen hatte. 23:07. Ich begann mich von links nach rechts zu wälzen und versuchte dabei so leise wie möglich zu sein um JJ nicht auch noch zu wecken. Ich drehte mich auf den Rücke und starrte mit offenen Augen zur Decke. Meine Gedanken ließen mich nicht mehr zur Ruhe kommen, weshalb ich schlussendlich aufstand. Ich überlegte einen Moment, bevor ich mir meine Jeans und meinen Mantel anzog. Dann nahm ich mir den Schlüssel vom Hotelzimmer und ging nach draußen. Die Nacht war kalt, der Himmel war völlig klar und man hatte einen perfekten Blick auf die Sterne, nur der Mond wurde von einer großen Wolke bedeckt. "Eins der wohl schönsten Dinge im Leben sind nächtliche Spaziergänge." dachte ich mir und schaute in den, mit Sternen bedeckten Himmel. "Sie bringen einen zum nachdenken, doch gleichzeitig kann man abschalten. Genau das richtige für mich."  dachte ich weiter und blickte noch einmal zum Hotel, was sich hinter mir befand. "Jetzt weiß ich was Agent Hotchner mit dumme und leichtsinnige Sachen meint." flüsterte ich nun und schaute auf den ziemlich dunklen Weg, der vor mir lag. "In der Nacht alleine rumspazieren, wenn ein Mörder dich stalkt ist nicht gerade clever." ging es mir durch den Kopf und schaute mich erneut unsicher um. Ich wollte nicht zurück ins Hotelzimmer. "Mir würde die Decke auf den Kopf fallen, wenn ich noch länger wach im Bett liegen würde." dachte ich und tippte nervös mit dem Fuß auf den Asphalt. Ich griff in meine Manteltasche um frustriert festzustellen, dass ich mein Handy im Hotelzimmer vergessen hatte. Genervt verdrehte ich die Augen und seufzte laut. Mir blieb nichts anderes übrig als zurück zu gehen und mein Handy zu holen, damit ich zumindest nicht völlig aufgeschmissen bin. Im Hotelzimmer angekommen fand ich eine schlafende JJ vor, die das ganze Bett eingenommen hatte und leise vor sich hin schnarchte. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, während ich nach dem Handy griff das auf meinem Nachtisch lag. Ich steckte es in die Tasche meines Mantels und verließ erneut den Raum. Im Flur kam mir Derek entgegen, der mich fragend anschaute. "Warum bist du noch wach?" "Ich kann nicht schlafen." antwortete ich ehrlich, woraufhin er nickte. "Was ist mit dir?" hakte ich nach, während wir zusammen aus dem Hotel gingen. "Mir geht es nicht anders." erwiderte Derek und schloss den Reißverschluss seiner Lederjacke. "Willst du hier ganz alleine rumlaufen?" fragte er, obwohl ihm mein Blick wahrscheinlich alles verriet. "Na ja." begann ich. Ein erwartungsvoller Blick von Derek brachte mich dazu weiter zu sprechen. "Eigentlich schon, aber da du jetzt hier bist." brachte ich ein wenig kleinlaut hervor. "Es ist, aber nicht so, dass ich auf einen Mann angewiesen bin. Ich kann auch auf mich selbst aufpassen." dichtete ich in Gedanken dazu. "So eine schöne Frau begleite ich doch gerne." entgegnete Derek flirtend und mit einem Grinsen im Gesicht. Ich schüttelte bloß leicht lächelnd den Kopf. Wir liefen eine ganze Weile schweigend nebeneinander her. Ich hatte keine Ahnung mit was für einem Thema ich ein Gespräch anfangen könnte. Ein Vorteil den ich bei Derek hatte war, dass mir bei ihm nicht unbedingt die Wörter wegblieben. Damit sind Gefallen, aber eindeutig ausgeschlossen. "Erzähl mir etwas von dir." bat er mich und brach somit die Stille. Verwundert schaute ich ihn an. "Zum Beispiel?" fragte ich. Derek zuckte mit den Schultern. "Irgendetwas was mir hilft dich besser kennen zulernen." antwortete er und schaute mir dabei in die Augen. Ich überlegte. "Was kann man jemandem erzählen den man eigentlich überhaupt nicht kennt?" fragte ich mich. "Warum konntest du nicht schlafen?" fragte Derek plötzlich und unterbracht auf diese Weise meine Gedanken. "Mein Kopf ist zu voll, als dass ich einfach schlafen gehen könnte." erwiderte ich und blickte zum Boden, während wir weiter gingen. "Willst du reden?" fragte er mit einfühlsamer Stimme. "Reden?" wiederholte ich seine Worte, wobei ich ziemlich abwesend klang. "In dieser kurzen Zeit habe ich über so viele Dinge gesprochen, die ich versucht habe in den letzten Jahren zu vergessen." sprach ich weiter. "Fühlst es sich nicht besser an darüber zu sprechen?" hakte Derek nach. Ich schüttelte den Kopf. "Ich werde nie über all die Sachen sprechen die in meinem Kopf vorgehen." "Warum? Ich meine, ich..." "Du würdest es nicht verstehen. Du würdest mich für verrückt halten." unterbrach ich ihn. "Casey." begann Derek und blieb abrupt stehen. "Warum glaubst du, dass ich dich für verrückt halte?" fragte er ernst, was mich dazu brachte tief durchzuatmen. "Du wärst nicht der erste." antwortete ich leise und zurückhaltend. "Ich bin wahrscheinlich nicht deine erste Wahl, wenn es darum geht jemandem etwas anzuvertrauen." fing Derek an. Er hatte recht. "Aber du hast nichts zu verlieren, wenn du mit mir sprichst." beendete er seinen Satz und setzte sich wieder in Bewegung. "Wer hat das behauptet?" fragte er dann und schaute kurz zu mir. "Lass mich raten. Du warst damals in der Schule bestimmt einer der beliebten." begann ich und konnte meinen leicht wütenden Unterton nicht verbergen. Meine Wut galt keines Falls Derek. Er konnte nichts für meine Vergangenheit oder er gesagt was in ihr passiert ist. Während wir nebeneinanderher spazierten, kickte ich sauer einen Stein vor mir her. "Kinder können grausam sein." sagte ich und holte tief Luft, bevor ich weiter sprach. "Vor allem, wenn du anders bist als sie. Ich habe versucht mich aus allem rauszuhalten und war immer still. Was ich am wenigsten wollte war Aufmerksamkeit." "Aber du hast eine menge Aufmerksamkeit gehabt, oder?" hakte Derek vorsichtig nach. Ich nickte. "Ich wurde von den anderen rum geschubst und beschimpft. Ich weiß bis heute nicht wieso." gab ich traurig zu. "Sie dachten, weil du alleine bist wehrst du dich nicht. Du warst das perfekte Ziel für sie." versuchte Derek es ruhig. "Stimmt. Ich habe mich nie gewehrt. Das heißt bis auf, dass eine mal... Ich war damals in der middle school." erinnerte ich mich zurück. "Ich hasse meine Leherin bis heute dafür, dass sie etwas über meinen Dad erzählt hat. Sie meinte, dass die anderen mich besser verstehen würden, wenn sie es wissen. Sie hätte wissen sollen wie meine Mitschüler reagieren würden. Sie haben angefangen über ihn her zuziehen. Ich habe gesagt, dass sie keine Ahnung haben und einfach ruhig sein sollen." ich machte eine Pause und ließ meinen Kopf leicht nach hinten fallen. "Sie haben nicht aufgehört." schlussfolgerte Derek. Ich nickte. "Sie haben behauptet, dass ich genau so verrückt sei wie er und es nur eine Frage der Zeit wäre bis ich völlig ausflippe." ich stoppte erneut und lächelte beschämt. "Damit hatten sie recht. Erst habe ich es auf mir sitzen lassen, doch irgendwann hatte ich genug. Ich weiß noch, dass mein Dad am Abend zuvor wieder viel zu viel getrunken hatte und sich deshalb nicht im Griff hatte. Ich weiß nicht mehr was ich falsch gemacht habe, doch irgendwas hatte ihm nicht gefallen. Er war völlig außer sich und hat mich angeschrien." erzählte ich, wobei ich die Bilder des Abends noch genau vor mir hatte. "Ich weiß auch nicht mehr was er mir vorgeworfen hat, doch es war mit Sicherheit etwas völlig absurdes. Nachdem er aufgehört hatte zu schreien, dachte ich, dass ich endlich in mein Zimmer konnte und dem ganzem für eine Weile entkommen konnte, doch dem war nicht so." ich machte erneut eine kleine Pause. "Geht es nur mir so, oder fällt es anderen Leuten auch schwer über vergangene Ereignisse zu sprechen?" dachte ich und hoffte nicht alleine zu sein. "Mein Dad war zwar still geworden, doch für ihn war die Sache noch nicht erledigt. Er hob mich mit Leichtigkeit hoch und drückte mich mit all seiner Kraft gegen die Wand. Ich wollte schreien, aber ich hatte zu große Angst, vor dem was er machen könnte, wenn ich auch nur den kleinsten Widerstand zeige. Ich hielt also meinen Mund und wartete ab, bis er mich endlich runterließ." erzählte ich weiter und schloss für einen Moment die Augen. "Es ist alles okay. Du bist nicht mehr da." rief ich mir ins Gedächtnis. Aber nur darüber zu sprechen, reichte um mich in Panik zu versetzten. Ich hatte plötzlich das Gefühl keine Luft zu bekommen und fing heftig an nach Luft zu schnappen. Derek stellte sich vor mich und griff vorsichtig nach meinen Armen. Ich schlug jedoch panisch um mich und wehrte mich gegen seinen Griff. Meine Erinnerung gewann die Oberhand. Es fühlte sich an, als würde ich alles noch einmal durchleben. Mein Vater ließ mich runter so, dass ich mit den Füßen wieder auf dem Boden stand, doch er hielt mich immer noch fest. Meine Arme pochten vor schmerzen und ich wimmerte leise. Er begann mich zu schütteln, wobei mein Hinterkopf gegen die Wand knallte. Ich unterdrückte einen Schrei. Tränen, die sich schrecklich heiß anfühlten, rollten meine Wangen hinunter. Dann ließ der Griff meines Vaters endlich nach. "Verschwinde auf dein Zimmer und denk darüber nach was du getan hast!" mit diesen Worten schubste er mich in den Flur und knallte die Wohnzimmertür zu. "Verdammt Casey. Ich bin es. Derek." hörte ich nun wieder Derek's Stimme. Ich öffnete meine Augen und schaute Derek an, der sich einige Schritte von mir entfernte. "Es..." ich atmete schwer und brauchte einen Augenblick um mich wieder zu beruhigen. "Es tut mir leid." brachte ich dann hervor und wischte mir die Tränen aus meinem Gesicht. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich geweint habe, geschweige denn, dass ich Derek verletzt hatte. "Tut es doll weh?" fragte ich unsicher und ging näher an ihn ran. "Geht schon." sagte er, während er seine Hand von seiner Stirn nahm. Ein kleiner, aber doch schon sichtbarer Kratzer zierte die linke Seite seiner Stirn. "Ich weiß nicht, was passiert ist. Ich... auf einmal... und." stammelte ich betreten, wobei sich erneut Tränen in meinen Augen sammelten. "Hey es ist, doch nichts passiert." erklärte Derek ruhig und wollte meine Tränen beiseite wischen. Er zögerte jedoch. "Ist alles okay zwischen uns?" fragte er leise. Ich nickte. Derek schenkte mir ein kleines Lächeln und wischte vorsichtig meine Tränen beiseite. "Hätte ich gewusst, dass es bei dir eine Panikattacke auslöst, wenn wir darüber sprechen, wäre ich nie auf die Idee gekommen." entschuldigte Derek sich. Ich schüttelte den Kopf. "Nicht einmal ich hätte gedacht, dass so etwas passiert. Woher hättest du es wissen sollen." beruhigte ich ihn, wobei meine Stimme immer noch leicht zitterte. "Wir belassen es für heute dabei." beschloss ich und wandte mich in die andere Richtung. Derek nickte zustimmend. Wir gingen den dunklen Weg, der zum Hotel führte, zurück. "Ich wollte dich wirklich nicht verletzten." entschuldigte ich mich erneut, während wir ins Hotel gingen. Derek winkte ab und ging nicht weiter drauf ein. "Geht es dir besser?" fragter er stattdessen. "Was meinst du?" fragte ich verwirrt. "Du hast dich gegen ihn gewehrt." bemerkte Derek. Ich schüttelte den Kopf. "Nein ich habe mich nicht gewehrt, wie du sagst." begann ich und setzte das, gewehrt in Anführungszeichen. "Ich habe dich verletzt." "Wir hatten drüber gesprochen. Ich hatte gesagt, dass du mich anschreien..." "Ich erinnere mich an das Gespräch. Aber es war nie davon die Rede, dass ich dich verletzen könnte, damit ich mich besser fühle." unterbrach ich ihn und versuchte nicht allzu laut zu sprechen. "Fühlst du dich denn besser?" hakte Derek nach und zog dabei eine Augenbraue hoch. "Nein, denn ich habe nicht ihn verletzt, sondern dich. Du kannst nichts für..." "Wir drehen uns im Kreis." fiel Derek mir ins Wort. "Du glaubst nicht, wie oft ich von irgendwelchen Serienkillern niedergeschlagen wurde. Ich wurde angeschossen, bin durch ein Fenster geflogen, ich wurde mehrfach mit einem Taser angegriffen, da werde ich diesen kleinen Kratzer überleben." plapperte er drauflos. Ich guckte ihn erstaunt an, bevor ich meinen Gesichtsausdruck wieder unter Kontrolle hatte. "Darum geht es nicht." diskutierte ich weiter. "Worum geht es dann?" fragte Derek, der nicht verstand worum es mir hierbei ging. Ich seufzte laut. "Ich habe langsam selber das Gefühl verrückt zu werden. All diese Erinnerungen an meine Vergangenheit machen mich Wahnsinnig. Ich kann vergangenes und gegenwärtiges nicht mehr trennen und verletze somit unschuldige Menschen." gab ich frustriert von mir. Derek schaute mich mit großen Augen an und schwieg. "Ich habe Angst vor mir und meinen eigenen Gedanken. Es fühlt sich an, als ob ich die komplette Kontrolle über mich selbst verliere." sprach ich weiter und lehnte mich erschöpft gegen die Tür des Hotelzimmers. "Du verstehst mich nicht, hab ich recht?" fragte ich, nachdem Derek mir immer noch nicht antwortete. Er schaute mich mitfühlend an. "Er hat keine Ahnung was in mir vor geht oder wie ich mich fühle. Aber woher auch." dachte ich. "Du hast recht. Ich würde gerne verstehen wie es dir geht, aber ich denke nicht, dass ich es auch nur annähernd kann." sagte er leise. "Ist okay." antwortete ich ebenso leise. "Weißt du was, dass schlimmste ist." fügte ich hinzu und lachte. Es war ein Lachen, der puren Enttäuschung und Verzweiflung. "Ich verstehe mich selbst nicht, also wie kann ich erwarten, dass es jemand anderes tut." "Erstmal brauchst du jetzt Schlaf." versuchte Derek mich zu beruhigen. Ich nickte. "Und nachdem dieser Fall geklärt ist geht es dir mit Sicherheit besser." bemerkte er. Erneut nickte ich. "Wenn der Fall geklärt ist, habe ich vielleicht ein bisschen mehr Ruhe, aber meine Vergangenheit, Träume, Erinnerungen, Panickattacken und Ängste sind dann noch lange nicht vorbei." dachte ich. "Ruh dich aus. Wir sehen uns morgen." verabschiedete Derek sich von mir und wandte sich zum gehen.  "Ich bin froh, dass du mit gekommen bist."entgegnete ich, woraufhin er sich noch einmal umdrehte.  "Ich auch." antwortete Derek lächelnd. Ich erwiderte sein Lächeln und schloss die Tür zu meinem Zimmer auf. Im Raum angekommen zog ich mir meinen Mantel und die Jeans aus und tauschte diese in eine bequeme Jogginghose. Anschließend legte ich mich auf die, zum Glück vorhandene Couch, da JJ immer noch das Bett für sich einnahm. Der Spaziergang hatte mich unglaublich müde gemacht, obwohl es wahrscheinlich weniger der Spaziergang, als meine Panikattacke war. Ich legte mich auf die Couch, die überraschend gemütlich war. Ein Grund mehr warum ich sofort einschlief, nachdem ich die Augen geschlossen hatte.

Esist schwer, gegen einen Feind zu kämpfen, der sich in deinem Kopf eingenistet hat. - Sally Kempton


Somebody to die for// criminal mindsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt