Der Auftrag

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Dies änderte sich erst lang Sonnenaufgang. In der Zwischenzeit hatte der Koch Hyden, wie immer ohne ein Ton zu sagen auf Servierwagen das Frühstück, gewöhnlicher Haferbrei mit Obst, in den Raum gefahren und nach und nach traf auch die gesamte Mannschaft ein. Sie schoben ein paar Tische zusammen und bestanden drauf, dass gemeinsam gegessen wurde, was auch Tom, Bernd und Argon einschloss. Auch der General kam kurz darauf mit der Prinzessin und gefolgt vom Piloten und dem Navigator aus dem vorderen Bereich des Luftschiffes. Alle erhoben sich, also auch die drei Mechaniker aus Qualmstadt. Die Prinzessin hatte offenbar aus dem Flugzeug ihr Gepäck bekommen, denn sie trug ein neues Kleid. Dieses war ein schlichtes Alltagskleid in der Farbe von frischen, gelblich roten Äpfeln ohne weitere Verzierungen. Ein leuchtend gelbes Band um die Taille hielt ihr Kleid zusammen und ein weiteres Band bändigte ihr Haar. Für Argon sah sie nun wieder wie eine Prinzessin und nicht wie ein einfaches Mädchen aus. Ein jeder aus der Mannschaft verneigte sich ehrfürchtig in Richtung der Prinzessin. Auch die drei aus Qualmstadt folgten etwas verspätet dem Beispiel, wobei es bei Bernd eher wie ein Nicken als eine Verbeugung aussah. Prinzessin Eilyne setzte sich nicht an das Kopfende des Tisches, sondern ging wie selbstverständlich zu den drei Leuten aus dem Empire zu und fragte, ob sie sich dazwischen setzen konnte.

„Guten Morgen", wünschte Bernd geistesgegenwärtig und rutschte einen Platz weiter, bevor Argon auch nur reagieren konnte. Sie ernteten zwar merkwürdige Blicke von den anderen Mannschaftsmitgliedern, aber einer Prinzessin wiedersprach man nicht. Als Eilyne sich setzte, nahmen auch alle anderen Platz, mit Ausnahme des Generals. Dieser blieb stehen und wartete bis sich alle gesetzt hatten und zu ihm schauten.

Er sagte einen Satz in seiner Sprache und übersetzte ihn auch gleich in Imperial: „Mi deziras al vi bonan matenon. – Einen guten Morgen wünsche ich euch."

Dann sprach er einige Worte zu seinen Mannschaftsmitgliedern in seiner Sprache, Prinzessin Eilyne versuchte, so gut sie konnte zu übersetzen. Soweit Argon es verstand, war dieses morgendliche Treffen eine Tradition in dieser Mannschaft, die nur durch den Aufenthalt in und der Flucht von der Werft unterbrochen worden war. Tatsächlich hatte Eilyne das Wort Flucht verwendet und Argon fragte sich, wovor sie flüchteten. Doch erst einmal schien der Kapitän seine Mannschaft auf die Aufgabe einzuschwören, aber weder wusste Argon noch die Prinzessin genau, worum es dabei ging. Dann hatte er seine Ansprache in seiner Sprache beendet und sprach die drei Mechaniker aus Qualmstadt direkt auf imperial an:

„Ich möchte an dieser Stelle noch einmal unsere Gäste hier auf der ‚Graf Solden' willkommen heißen. Zuerst natürlich unsere geheiligte Hoheit Prinzessin Eilyne di Contari."

Bei der Nennung des Namens nickte jeder aus der Mannschaft dem Mädchen ehrfürchtig zu, auch wenn sie vielleicht nicht genau verstanden hatten, was ihr General gesagt hatte.

„Vielen Dank", erwiderte die Prinzessin hoheitsvoll, „Ich danke ihnen allen, die ihr euch bei diesen Wetter mutig an die Oberseite gewagt habt, mich an Bord zu bringen." Offenbar genau das Selbe wiederholte sie auch noch einmal auf ihrer eigenen Sprache. Dieses Lob schienen die Matrosen sehr zu gefallen, denn sie jubelten und klatschten. Oder aber sie gratulierten sich für ihre gelungene Aktion auf der Oberfläche des Luftschiffes. Eine Geste des Generals sorgte dann auch bald wieder für Ruhe und dieses mal schien er etwas über die Gründe ihres Hierseins erklären zu wollen. Er sprach in ihrer Sprache, die Tom, Bernd und Argon nicht verstanden. Offenbar wusste selbst die Mannschaft nicht genau, weswegen sie hier war. Prinzessin Eilyne versuchte zu übersetzen, aber auch wenn sie Imperial flüssig sprechen konnte, war sie im Übersetzen nicht geübt, sodass sie sich auf die wichtigsten Informationen zu konzentrieren versuchte.

Der bisher geheime Auftrag war es offenbar gewesen, die Prinzessin an Bord zu nehmen und zurück in ihre Heimat zu bringen. Viel ausführlicher wurde der General auch nicht. Es ging darum so schnell wie möglich mit der ‚Graf Solden' in die Heimat zurück zu kehren und zu bestätigen, dass die Prinzessin wohlauf sei. Alles Weitere würde er in die Hände des Schöpfers legen, betonte er. Dann sprach General Hadner noch ein Gebet und bat den Schöpfer um Schutz und ein Gelingen der Mission. Argon war überrascht, seine Familie war zwar auch sehr religiös, aber er hätte nicht gedacht, dass der General zu dem selben Gott betete wie die Arbeiter in Qualmstadt. Aber vielleicht gab es ja doch Unterschiede, noch konnte Argon ja schlecht einschätzen, was genau die Leute hier auf diesem Schiff glaubten.

Dann, nachdem der General den Schöpfer noch für das Essen gedankt hatte, gab General Hadner das Frühstück frei. Hungrig griffen alle zu, als ob der einfache Haferbrei ein Festmahl wäre. Außerdem begannen sofort Diskussionen über die noch ungeklärten Fragen. Zumindest vermutete Argon dies und tat dasselbe mit Eilyne, Bernd und Tom.

Auf die Frage von Argon, warum sie überhaupt in so einer gefährlichen Situation an Bord gebracht werden musste und nicht etwa von einem Luftschiffbahnhof beantwortete Eilyne mit eigenen Worten: Sie war mit ihrer Mutter und einigen Abgesandten zu einem diplomatischen Treffen bei zum imperialen Königshaus gefahren. Allerdings gab es nach der Landung einige Probleme untereinander, so dass die Prinzessin und ihre Mutter getrennt und eingesperrt worden sind. „Ein Putsch", vermutete Bernd sofort. Tom hielt dagegen dass ein Putsch versuchte Regierungsgeschäfte zu übernehmen, während sich die Schilderungen von Prinzessin Eilyne eher nach einer Entführung und Lösegelderpressung anhörten. Die Prinzessin selber zuckte mit den Schultern, wusste offenbar nicht, was nun stimmte und erzählte weiter. Sie konnte mit der Hilfe von einigen treuen Soldaten der Leibwache entkommen und startete mit einem loyalen Piloten das Flugzeug des königlichen Luftschiffes. Sie konnten entkommen, aber ihre Mutter blieb zurück. Über dem Meer hatte dann der Pilot seine Sorgen wegen des Wetters geäußert und dass er sie nicht wider zurück an Land bringen konnten, doch offenbar war die ‚Graf Solden' rechtzeitig wieder da gewesen und konnte das Flugzeug aufnehmen, auch wenn das Luftschiff eigentlich nicht für solche Landungen ausgelegt war.

„Gut, did erklärt zumindest de Eile, zu der der General de ganze Zeit drängte", stellte Bernd brummend fest, „aber noch nich, warum genau wa jetz a Bord sind. Ich glaub nich, dass dis nen Versehen war."

„Ihr seid nicht freiwillig hier?", fragte Eilyne verwundert, „aber warum seid ihr dann an Bord?"

„Das fragen wa uns och de ganze Zeit", meine Bernd und erzählte ihr die Geschichte mit der Reparatur des Luftschiffes und wie sie im Maschinenraum eingesperrt worden waren.

„Ich sage dir, es war einfach ein Versehen", meinte Tom, „sie wussten nicht, dass wir noch da waren."

„Und warum haben se nicht reagiert, als wa uns durchs Sprachrohr gemeldet ham?", fragte Bernd, „und warum war de Tür abgesperrt?"

Die Diskussion hatten die beiden in den letzten Stunden häufiger geführt so dass Argon sich zu Eilyne lehnte und fragte: „Du bist wirklich Prinzessin, ja?", er konnte noch immer nicht so recht glauben, das eine Prinzessin sich einfach so zwischen Fremden ganz und gar außerhalb ihres Standes setzen würde. Diese nickte und wiederholte: „Ja, ich bin Prinzessin Eilyne di Contari, Tochter seiner Majestät Albert di Contari, Hochkönig von Ataris."

Mit einem Mal verstummte die Diskussion von Bernd und Tom und Bernd fragte ungläubig: „Ataris? Das legendäre Ataris? Der versunkenen Kontinent im Atarischen Ozean?"

„Nun, keineswegs versunken", erklärte General Hadner, der offenbar zugehört hatte, „eher im Gegenteil. Und das ist auch das Ziel unserer Reise. Wir reisen zu den Inseln von Ataris."

Der versunkene Kontinent AtarisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt