Wir fahren quer durch London, bis wir die Stadt verlassen. Die Fahrt dauert lange, aber als wir angekommen sind bin ich einfach nur sprachlos.
Wir befinden uns nun vor einem, vom Wald umsäutem, Häuschen. Es macht einen gepflegten Eindruck, auch wenn wahrscheinlich niemand darin wohnt. Das kleine Haus hat nur ein Stockwerk, dafür aber einen wunderschönen Vorgarten. Auch wenn es Dunkel ist, kann man dank des Vollmondes alles gut erkennen. Alles scheint so ruhig, aber doch irgendwie lebendig.
Noch nie war ich an einem so traumhaften Ort.
"Komm.", sagt Liam und zieht mich in Richtung Haus. Schon die ganze Zeit habe ich wieder dieses wunderschöne Gefühl der Verliebtheit, dass mich immer wieder mit Hoffnung beschenkt.
Liam öffnet das kleine, weisse Gartentor und lächelt mich an. Er sieht glücklich aus. Zum ersten Mal sieht er so aus, als hätte er nicht ständig Sorgen die er wegen mir hat.
Dann steigen wir die Treppe zur kleinen Veranda hinauf. Mein Herz pocht und fühlt sich an, als wäre es kurz vor dem explodieren. Liam
zieht einen Schlüssel hervor und öffnet langsam die Tür. Erst als er Licht macht, kann ich die Schönheit dieses Hauses erkennen.Vor uns befindet sich ein kleines Sofa vor dem Kamin. Gleich dahinter kann ich zwei Türen ausmachen. Wahrscheinlich Bad- und Schlafzimmer. Links von uns hat es eine kleine Küche, die nur mit dem Notwendigsten ausgestattet ist.
Ich bemerke gar nicht, dass ich für ein paar Sekunden die Luft angehalten habe. Erst als Liam seinen Arm vorsichtig um meine dürre Taille legt werde ich aus dem Staunen gerissen.
Ich blicke zu ihm hoch. Noch nie haben mich Augen so fasziniert. Nur Liam's Augen, die mich jedes einzelne Mal wenn ich in sie blicke, immer wieder zum Verlieben bringen.
Ein zartes Lächeln umspielt seinen Mund. Ich muss ebenfalls Lächeln.
Für einen Moment scheint die Welt, unsere Welt, perfekt zu sein. Als wären wir in einer Seifenblase in die niemand eintreten kann.
"Gefällt es dir? Ich dachte du würdest gerne einmal woanders übernachten. Also in einer anderen Umgebung.", fragt Liam. Er sieht nervös aus, als würde er befürchten das es mir nicht gefällt.
Ich sehe wie sich eine einzige Träne aus seinem Auge stiehlt. Ich streiche sie mit dem Daumen weg und lege meine Arme um seinen Hals.
"Liam, es ist perfekt. Nie hätte ich mir mehr gewünscht, auch wenn ich gesund wäre, wäre ich überglücklich hier zu sein. Ich weiss nicht wie ich dir danken soll. Du lässt mich meine quälenden Schmerzen vergessen mit denen ich jeden Morgen aufwache. Noch nie hat mir jemand das Gefühl gegeben, lebendiger zu sein. Dank dir kann ich endlich meine restliche-", sage ich, doch dann stocke ich.
Es ist wie ein Blitzschlag. Plötzlich wird mir etwas klar. Die Realität holt mich ein, ohne Rücksicht auf meine Glücksgefühle.
"Henna, alles in Ordnung?", fragt Liam unsicher, als ich nichts mehr sage.
"Nein.", flüstere ich. Dann kommen mir die Tränen. Nicht kleine Tränen, die man weint wenn man traurig oder enttäuscht ist, sondern die grossen, die die schmerzen.
"L-Liam...I-Ich...", schluchze ich.
Ich muss mich auf den Boden setzen. Mir ist plötzlich schwindelig und schlecht, aber nicht wegen meinem Krebs.
Liam schliesst die Tür und setzt sich neben mich. Er fragt nicht nach was los ist, sondern nimmt mich einfach in den Arm.
"Liam,versprich mir dass du nach meinem Tod wieder glücklich wirst. Bitte versprich mir, dass du dich in jemand Neues verliebst. Werde glücklich."
Ich weiss nicht warum, aber diese Worte fühlen sich an, als hätten sie Tonnen gewogen. Denn jetzt fühle ich mich leichter. Liam weint auch, dass bemerke ich ohne ihn ansehen zu müssen.
"Henna? Ich verspreche dir alles, solange ich dich nicht vergessen werde, werde ich dir jedes Versprechen abnehmen. Aber du musst mir auch etwas versprechen." Seine Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern "Zähle nicht die Zeit die du noch hast, sondern schaue zurück und finde gefallen an den schönsten Dingen in deinem Leben. Denn das wird dir alles erleichtern."
Ein Lächeln, das mir irgendwie schwer fällt, schleicht sich über meine Lippen. Ich schaue in seine braunen Augen. Er hat es nicht verdient jemanden den er liebt, an diesem dummen Krebs zu verlieren. Das hat niemand.
"Du warst eines der wahrscheinlich schönsten Dinge in meinem kompletten Leben. Ich danke dir dafür.", hauche ich leise. Ich lege meinen Kopf auf seine Schulter.
Die Übelkeit ist verschwunden und wieder scheint sich alles zum Besseren zu wenden.
Wir sitzen still da ohne irgendwelche Worte. Wir weinen beide, aber in diesem Moment ist das egal.
Unsere restliche Zeit, soll perfekt werden. Auch wenn es unmöglich klingt.
Wir werden es schaffen, koste es was es wolle.
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Last First Kiss
Teen Fiction'Wenn jemand krank wird, dann ist das für alle Beteiligten eine grosse Last. Wenn man aber selber krank wird, dann hat das Schicksal jemanden eindeutig eine grössere Last aufgegeben.' Ein Zufall. Zwei Menschen. Eine Liebe. Und das miese Schicksal...